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DER GRAMMATISCHE TIGERSPRUNG. - DiVA

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Schwierigkeiten aus der Sprache selbst entsprießt:hat uns die Grammatik einmal beim Kragen, so geht's dahin, und sie arbeitet füruns. (Comm I, 427,12.6.1955)Die Sprache hat nämlich, so wird es in seiner Romantheorie formuliert,„eine doppelte Anwendbarkeit" (Grundlagen, Wdk, 168). Sie kann einerseits„als Material der Gestaltung gebraucht werden", was ergestaltweis(e) nennt, andererseits analytisch auftreten, was er zerlegungsweisenennt. „Jene zwei Möglichkeiten der Sprache" schließeneinander nicht aus, im Gegenteil, „sie werden einander ständigsteigern". Hier zeigt sich wieder seine energetische Sprachauffassung(vgl. 1.1.).In der Praxis herrscht nicht immer jene Harmonie der theoretischenAnsätze, manchmal erlebt der Autor stattdessen ein Spannungsverhältniszwischen seinem Wunsch nach der lebendigen Kraft der Spracheund der Bemühung um Distinktion und Exaktheit, oder terminologischausgedrückt einen Kampf zwischen einer energetischen und einerstatischen Sprachauffassung. Seine Gewohnheit, mehrere verschiedeneTermini für ein und denselben Sachverhalt zu erfinden, zeugtvon einem Streben, dem statischen Eindruck entgegenzuwirken. DieseSpannung äußert sich auch auf eine andere Weise, nämlich in den obenangedeuteten Wiederholungen: Doderer mußte sich immer und immerwieder die positiven Grundsätze seiner energetischen Sprachauffassungeinprägen. Zweifellos war er sich jenes Zwanges bewußt.Lange hegte ich die Vorstellung, die Ursache dieser Wiederholsamkeitsei Angst (vgl. 4.6.); die Angst des Autors, sich der Sprache nichtöffnen zu können, ja, gar den „grünglühenden" Smaragd der Sprache imSchutt des Alltags nicht zu erkennen, um einen Ausdruck aus derInnsbrucker Rede zu verwenden. (Vgl. 9.1.3.) Ein erneutes Lesen derfrühen Tagebücher zeigt jedoch neben dieser Ursache auch andereErklärungsmöglichkeiten.Im Januar 1924 findet der junge Autor bei eingehender Selbstanalysein allen derartigen „Repetitionen" ein personal-wertbetonendes lustvollesMoment.(Journal 3. Heft, Jänner 1924, Ser. n. 14.063, Unterstreichung von Doderer)Die Wörter „Repetitionen" und „lustvoll" sind wohl ein Echo jenesFreudstudiums, das ihn in den Jahren vorher so sehr beschäftigt hatte:51

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