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DER GRAMMATISCHE TIGERSPRUNG. - DiVA

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e hatten sich wie er den Ursprung der Sprache vorgestellt. Das mehrdeutigeWort Ursprung war z.B. ein Schlüsselbegriff des vieljährigenkulturkritischen Wirkens von Karl Kraus (gest. 1936) und stand für ihnals Inbegriff aller Werte. Er pries unermüdlich die ursprüngliche schöpferischePhantasie, die höchste der menschlichen Eigenschaften 2 .Die Sprache des Dichters, zuerst eine Rede im „Atelier A.P. Gütersloh"(4.4.1. und 4.4.2.), handelt von dem „heftigen Andrang einer wirklichenSprache" (Wdk, 194). Mit einer wirklichen Sprache meint Doderer hierdie mündlich vorgetragene Sprache, die an der rhapsodischen Probe(den Forderungen des Gehörtwerdens) nicht scheitert. Jene Sprachemüsse jeder von uns suchen, so lautet die Botschaft:(17) Denn wer zur Sprache gelangen will, muß dorthin zurück, wo sie einst entstand.(Die Sprache des Dichters. In: Wdk, 195)Doderer zeichnet dann ein Bild von der Geburt der Sprache, dem Vorgangvor grauen Zeiten, als der Mensch die Magie des Wortes gebar:und plötzlich, vielleicht noch im Blutdunst des Kampfes war ein Ausdruck, eineBeschwörungsformel, also ein Wort geboren: [...] denn damals war jeder normalgeratene Mensch zugleich ihr Schöpfer [d.h. ein „Dichter" UL]. (ebda 196; Unterstreichungdes Schlüsselworts „Ausdruck" in der Handschrift von Doderer selbst)Heute treten die Dichter nicht bewaffnet auf, es sei denn mit einemsymbolischen Pfeil und Bogen; sie haben eine andere Aufgabe. Sie sollenihre Werke mündlich vortragen, damit ihre Mitmenschen die Geburtder Sprache nacherleben können:jenen seltsamen Sprung aus dem noch jenseits des Wortbereichs liegenden Chaosherüber in die Klarheit und eindringliche Festigkeit der sprachlichen Notation[...] (ebda 194)Wer jenen Sprung durch den Dichter erlebt hat, kann selbst seinehöchsteigene Sprache finden.Die moderne Sprachwissenschaft, die sich intensiv mit der Frage desSprachursprungs beschäftigt, hat noch keine Lösung gefunden, ebensowenig die medizinische Wissenschaft (vgl. 5.4.I. 12 ). Etliche Forschersprechen wie Doderer von einem Sprung (vgl. z.B. 8.1.), und folgende2. Über Kraus siehe Janik & Toulmin, 83-117 und passim.151

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