e-xilant öffentlich versteckt - brut Wien
e-xilant öffentlich versteckt - brut Wien
e-xilant öffentlich versteckt - brut Wien
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Wien</strong> im Notstand – Now or never?<br />
Kritik von Olivia Lefford, 08.04.2011<br />
Verwunderung. Verwirrung. Staunen. Das sind einige jener<br />
Attribute, die den Zustand beschreiben, in den einen das „Bühnenbild“<br />
des Stückes unmittelbar versetzt. Die Regisseurin Barbara<br />
Ungepflegt stößt uns damit noch vor dem eigentlichen<br />
Beginn des Stückes ins Thema. Indem sie den Theaterraum ins<br />
Öffentliche verlegt, schafft sie einen performativen Raum an<br />
der Schnittstelle zwischen Privatheit und Öffentlichkeit, der<br />
uns unmittelbar die Verschränkung dieser beiden dissonanten<br />
Räumlichkeiten erfahren lässt. Durch die Schaffung eines in<br />
solcher Art gestalteten Zeitraumes wird der Zuseher in die unklare<br />
Position hinsichtlich der räumlichen als auch zeitlichen<br />
Struktur des Stückes versetzt. Ganz nach dem Motto gemeinsam<br />
einsam zu sein – in einer Welt der „Social Media“, in der<br />
Verbindlichkeit und Nähe weniger Platz zu haben scheinen als<br />
die ewige Selbstdarstellung von Individuen.<br />
Barbara Ungepflegt nennt sich die Akteurin, die eine Bedienerin<br />
darstellt. Als solche bedient sie laut eigenen Aussagen andere<br />
und bedient sich jedoch selbst auch von anderen. In einer<br />
One-Woman-Show eröffnet sie die Aktion mit feierlicher und<br />
dennoch einsamer Blasmusik. Sie marschiert in rhythmischen<br />
Schritten gezielt auf ihren nicht übersehbaren Hochstand zu.<br />
Was der Hochstand nicht zu sein scheint, und zwar stabil, das<br />
gleicht Barbara Ungepflegt gekonnt aus, indem sie ihre eigene<br />
Standhaftigkeit im Gefüge des wackeligen Notstandes unter<br />
Beweis stellt.<br />
Noch immer weht ein leichter Wind der Verwirrung durch das<br />
Publikum. Liegt dies vielleicht an Barbaras rosa Turnschuhen<br />
oder ihrem Trachtenkostüm mit dazu passendem Hut? Ratlos<br />
steht das Publikum um Frau Ungepflegt und ihrem Notstand<br />
herum und grübelt: Wozu das Ganze? Statt Klärung fordert<br />
sie das Publikum auf, mit ihr gemeinsam die Teilnahmebedingungen<br />
für den Notstand im Chor zu lesen, was nicht nur zum<br />
dramaturgischen Teil des Stückes gehört, sondern auch zur<br />
rechtlichen Absicherung dient.<br />
Die Künstlerin fordert einen Notstand, der für alle leistbar ist.<br />
Mit spontanen Pointen und einem nicht identifizierbaren Lied,<br />
das sie dann zu singen beginnt, schöpft man als Zuschauer<br />
langsam Vertrauen in das, was sie tut.<br />
Es folgt traditionsgemäß die Taufe des Notstands, in dem sie<br />
eine Flasche Sekt mit Schwung auf dem Gerüst zum Platzen<br />
bringen möchte. Der Flasche zum Trotze, die sich nicht und<br />
nicht zerstören lassen will, sind laut Frau Ungepflegt aller<br />
guten Dinge nicht drei, sondern hundert, und so lässt sie den<br />
Sekt großzügig ans Publikum verteilen, was definitiv guten<br />
Anklang fand. Prost!<br />
Nach dem „spontanen“ Umtrunk lädt Frau Ungepflegt dann<br />
jeden Einzelnen ein, ihren wackeligen Notstand zu besteigen.<br />
Somit löst sie die Unterscheidung zwischen Akteur und Publikum<br />
auf und lässt den Zuseher so wiederholt die Dialektik<br />
von Freiheit und Sicherheit erfahren. Schnell findet sich ein<br />
tapferer Freiwilliger aus dem Publikum, der den Thron des<br />
Notstands als Erster besteigen will. Getreu dem Prinzip „safety<br />
first“ wird der Sicherheitsgurt umgeschnallt, und schon startet<br />
der Mann in Richtung Glück. Raus aus dem Alltag. Rein in<br />
den Notstand. In der Folge finden sich noch weitere Mutige,<br />
die sich auf den Gipfel des Notstands wagen, sei es aus Neugierde<br />
oder aus Verzweiflung.<br />
Obwohl Realität und Performance permanent vermischt<br />
werden und dies mit Sicherheit für Verunsicherung gesorgt<br />
hat, war es auf jeden Fall ein gelungener Auftakt zum<br />
Freischwimmer-Festival!<br />
Eine nicht nur wetterbedingte Erfrischung scheint diese<br />
Produktion ohnehin zu werden. Wer zur Premiere nicht<br />
anwesend sein konnte, der hat bis zum Festivalende noch<br />
jeden Tag die Gelegenheit, seinen persönlichen Notstand<br />
zu erklimmen. Abwechslung ist dabei garantiert! Ein handschriftlich<br />
geschriebenes Gewinnspiel wird ans Publikum<br />
verteilt und bringt Schwung in die relativ banale Handlung.<br />
Mit ein bisschen Glück kann man nach Ausfüllen des Teilnahmescheins<br />
vielleicht ein romantisches Candle-Light-Dinner<br />
für eine Person gewinnen.<br />
13