e-xilant öffentlich versteckt - brut Wien
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Pelz auf den Augen –<br />
Wie Furry Species schockiert<br />
Kritik von Vanessa Scharrer, 08.04.2011<br />
In letzter Zeit fühle ich mich so unwohl in meiner Haut! Angefangen<br />
bei den körperlichen Defiziten der Spezies Mensch, ein<br />
ständiger Aufwand, sich bei Kälte durch Kleidung zu wärmen<br />
oder sich bei Hitze zu kühlen, und weiter über die soziale<br />
Verstümmelung unseres natürlichen Gruppenverhaltens durch<br />
Arbeits- und Lebensverhältnisse, die uns zu funktionierenden<br />
Maschinen machen wollen. Ich will das so nicht mehr! Wer<br />
kann mir helfen?<br />
Das Institut für Hybridforschung hat meine Sorgen und<br />
Probleme erkannt und bietet mir endlich eine Lösung an, so<br />
zumindest die Versprechung. Befinde ich mich nun also im<br />
Konzerthaus des <strong>brut</strong> <strong>Wien</strong> in einer Lehrveranstaltung oder in<br />
einer Performance? Worin liegt die Grenze zwischen künstlerischer<br />
Performance und praktischer Lebenshilfe? Corinna Korth<br />
zumindest spricht ganz ernst und hochprofessionell zu mir als<br />
Partizipant einer Lehrveranstaltung. Sie will mir theoretisch<br />
erklären und praktisch zeigen, wie sie zum Wolf werden wird<br />
und was Hybride für einen Fortschritt in unserer Gesellschaft<br />
bedeuten würden.<br />
Die Menschen sind im Vergleich zu Tieren oft nicht so gut<br />
entwickelt, deutlich wird das am Frequenztest, bei dem selbst<br />
Fledermäuse besser abschneiden als der Mensch – verkörpert<br />
durch das Publikum. Noch immer haben Tiere eine untergeordnete<br />
Stellung bei uns Menschen, und die Verwandlung<br />
zum Tier wird in der Horrorfilmgeschichte gänzlich unzureichend<br />
dargestellt. Es wird mir zur Demonstration ein Zusammenschnitt<br />
aus verschiedenen Horrorfilmen gezeigt und ich<br />
werde gewarnt, dass es eventuell später Blut zu sehen geben<br />
wird. Vor lauter Angst interpretiere ich in die Bilderfolge von<br />
„Mond“ und Closeup auf ein „Auge“ die Szene aus Luis Buñels<br />
Film Un Chien Andalou hinein und warte auf den Einschnitt in<br />
das Auge, aber bis zum Schluss bleibt jegliches „Shocking“ aus.<br />
Weiter geht es mit renommierten Mitarbeitern des Instituts,<br />
darunter auch Kojote, der Wolfshund, der als Berater der tierischen<br />
Seite zur Stelle ist. Er kommt auch als zweite Chorstimme<br />
zusammen mit Corinna Korth zum Finale auf die Bühne.<br />
Was für Möglichkeiten habe ich nun, wenn ich mich für den<br />
besseren Weg der Tierwerdung entschieden habe? Zum<br />
einen können die Hybridmerkmale vererbt werden, gemäß<br />
der Mendel'schen Regeln, aber das ist keine Möglichkeit für<br />
den Menschen, der ohne solche Merkmale geboren wurde.<br />
Zunächst muss ich mich entscheiden, welchem Tier ich mich<br />
annähern möchte. Für Corinna Korth kommt der Wolf infrage;<br />
als Kind wusste sie nicht, zu welchem Tier sie tendiert, und es<br />
bedarf dafür einer gewissen Reife (das erinnert an den Konflikt,<br />
den auch Transsexuelle empfinden).<br />
Und dann folgt ein langes Video, in dem gezeigt wird, wie<br />
Corinna Korth zum Kieferorthopäden geht, aber die Praxis<br />
wird als eine spezielle Tierwerdungspraxis verkauft. Hier wird<br />
der komische Moment deutlich, weil jeder die Täuschung<br />
erkennen kann, aber weiterhin davon gesprochen wird, dass<br />
Corinna Korth eine Schnauze aus ihrem Gesicht machen will.<br />
Es bleibt aber bei ein paar aufgeklebten Vampirzähnchen.<br />
Weitergeführt wird der unrealistische Moment dann im<br />
großen Finale, als Corinna Korth schließlich operiert werden<br />
soll. Es wird feierlich eine Plastikplane unter roter Beleuchtung<br />
auf die erste Reihe zugetragen, und zwei Ärztinnen im grünen<br />
Kittel sprühen mit Desinfektionsmittel herum. Jetzt zumindest<br />
angespannte Stille unter den Zuschauern, aber Entwarnung.<br />
Ihr wird nur ein kleines Schwänzchen an die Stoffhose genäht,<br />
und das Publikum wird mit Kunstblut bespritzt. Nach der Operation<br />
folgt das schon erwähnte gesangliche Duett mit Kollege<br />
Kojote mit der wichtigen Botschaft, dass Wildheit Freiheit<br />
bedeutet und wir als Hybride niemals allein heulen müssen.<br />
Nachdem die Ernsthaftigkeit ein wesentlicher Teil der Performance<br />
ist, liegt hier das gemeinsame Moment in einer<br />
praktischen Lebenshilfe. Aber wenn wir auf die Anwendbarkeit<br />
schauen, finden wir Täuschung. Dadurch liegt die Vermutung<br />
nahe, die Hybridwerdung mit anderen ernsten Themen zu vergleichen,<br />
ob auch sie uns etwas vorspielen. Denn die Theorie<br />
enttäuscht uns oft, wenn es darum geht, sie mit der Wirklichkeit<br />
in Verbindung zu bringen. Alternative Lebensmodelle wurden<br />
verfasst, um das Leben der Menschen zu verbessern, aber<br />
sie verbleiben oft in der grauen Theorie, so wie ein Leben ohne<br />
Konsumterror oder absolut umweltfreundlicher Lebensweisen.<br />
Nicht schlecht, wie mich das Institut fast veralbert hätte, beinahe<br />
hätte ich Corinna ernst genommen.<br />
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