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e-xilant öffentlich versteckt - brut Wien

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„Der nackte Obama“<br />

Wenn ein globaler Hoffnungsträger choreografisch offengelegt wird<br />

Vorbericht von Victoria Schopf und Katja Poloubotko, 06.04.2011<br />

In <strong>Wien</strong> gesellt sich zu den bereits in Berlin und Hamburg<br />

gezeigten Aufführungen die Performance Your Majesties der<br />

Künstler Alexander Deutinger und Marta Navaridas, wobei diese<br />

sich nur auf eine Aufführung und den Aufführungsort <strong>Wien</strong><br />

beschränkt und somit gut und gern als Special des Festivals zu<br />

betrachten ist. Gewählt wurde diese Performance aufgrund<br />

ihrer augenscheinlichen Parallelität zur diesjährigen Thematik,<br />

die mit den Termini Öffentlichkeit und Privatheit agiert und die<br />

Unterschiede sowie Übereinstimmungen diskutiert.<br />

Parallelen finden sich auch bei dem Künstlerduo untereinander:<br />

Beide studierten Translationswissenschaften in Graz; sie, gebürtige<br />

Spanierin, Englisch und Deutsch, er, gebürtiger Salzburger,<br />

Spanisch und Englisch. Übereinstimmung in drei Sprachen,<br />

wobei jeweils der andere die Muttersprache studiert. So war<br />

der nächste logische Schritt, dass Marta Alexander eine andere<br />

Leidenschaft von ihr näherbrachte: Tanz und Performance.<br />

Bereits als Kind war sie bewegungsfreudig, wobei sie die Leidenschaft<br />

fürs Tanzen nach einer langen Pause als Studentin in<br />

Barcelona und Graz in diversen Tanzworkshops wiederaufflammen<br />

ließ. Nach ihrem Studium der Translationswissenschaften<br />

fand ihre Tanzbegeisterung den Höhepunkt in der Ausbildung<br />

als Tänzerin und Choreografin an der Kunstuniversität Arnheim<br />

und der Theaterschool in Amsterdam.<br />

Angesteckt von Marta probierte auch Alexander einige Tanzkurse<br />

aus, bis er am Institute for Dance Arts der Bruckner-Universität<br />

in Linz aufgenommen wurde und eine intensive dreijährige<br />

Ausbildung durchlief. Sie gründeten zusammen die Gruppe<br />

„Unicorn“ und wählten nach einigen internationalen Studienengagements<br />

Graz als Dreh- und Angelpunkt für ihr künstlerisches<br />

Schaffen aus.<br />

Ihre Werke sind vielfältig und in verschiedenen Tanzdisziplinen<br />

ausgeführt, die Konzepte meist ebenso einfach und klar wie<br />

genial. Zugleich arbeiten sie gerne und erfolgreich mit der choreografischen<br />

Interpretation von Texten. Dies findet sich auch<br />

in ihrer aktuellen Performance Your Majesties wieder, bei der die<br />

Übersetzungswissenschaft ein geglücktes Stelldichein mit der<br />

Performance- und Tanzkunst eingeht: Das Öffentliche und Heroische<br />

wird ins Private transzendiert. Dass diese Mischung erfolgreich<br />

ist und sein kann, beweist der Theaterpreis „bestOFFstyria<br />

2010“, den sie als erste Tanzproduktion erhalten haben.<br />

Nicht umsonst, denn Your Majesties ist etwas, das es so noch<br />

nicht gab: keine schnöde Parodie eines Politikers, sondern die exakte<br />

Wiedergabe seiner Worte, in Originalsprache, der Präsident<br />

nur durch den Tänzer Alexander Deutinger ersetzt, während<br />

Marta Navaridas als Teleprompterin im Hinterhalt ihm gestikulierend<br />

das Bewegungsmaterial zuspielt. Auch wenn es leicht<br />

lächerlich wirken kann, wenn ein Mann springend und sich am<br />

Boden fläzend Barack Obamas Nobelpreisrede wiedergibt: Wer<br />

könnte auch einen so sympathischem und charismatischem<br />

Mann wie Obama ernsthaft Böses wollen und eine Karikatur<br />

seinesgleichen zeichnen? Von ihm, der doch in seinen Reden mit<br />

großen Ideen, willensstarken Vorstellungen und idealistischen<br />

Träumen seine Zuhörer berührt und wieder Glauben schenkt,<br />

dass eine bessere Welt in Einklang und Frieden möglich ist.<br />

Als er ein halbes Jahr nach seiner Inauguration den Friedensnobelpreis<br />

überreicht bekam, war keine seiner Heldentaten<br />

schon erfüllt, aber sein Auftritt, seine Worte rührten alle zu<br />

Tränen und ließen die Proteststimmen vor dem Rathaus in Oslo<br />

verstummen. Er war damit der Erste, der den größten Preis,<br />

den die Menschheit zu vergeben hat, nur für Reden bekommen<br />

hat. Man könnte ihn glatt als einen der größten Performer der<br />

Weltpolitik bezeichnen, ihn in eine Reihe mit Martin Luther King<br />

Jr., Mahatma Gandhi und John F. Kennedy stellen, hätte nicht er<br />

selbst verboten.<br />

Doch was passiert, wenn man den großen Worten die noch viel<br />

größeren Gesten des zurzeit sympathischsten Staatsoberhauptes<br />

der Welt entzieht? Was geschieht mit all den Hoffnungen,<br />

Idealen und Träumen hinter den Worten, wenn der Commander-in-Chief<br />

des größten Heeres der Welt den Krieg seines<br />

Landes im Irak und in Afghanistan auf einmal sich am Boden<br />

wälzend verteidigt, wenn er daumenlutschend von „just peace“<br />

redet oder den Bürgerkrieg in Darfur thematisiert, während er<br />

wie vom wilden Affen gebissen auf und ab hüpft? Da stehen<br />

plötzlich keine Überzeugungen und Visionen einer besseren<br />

Welt vor uns, sondern lediglich ein paar leere Worthülsen,<br />

kontextlos, lächerlich, und bringen uns vielleicht trotzdem oder<br />

gerade deswegen zum Nachdenken. Denn ohne die charismatische<br />

und positive Präsenz Barack Obamas und seiner geradezu<br />

messianischen Gesten werden all seine Intentionen nur noch<br />

zu grammatikalisch (meist) richtigen Anordnungen, nicht mehr.<br />

Ein Konzept, das in Your Majesties seine Richtigkeit prüfen will.<br />

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