e-xilant öffentlich versteckt - brut Wien
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Doch der Sessel war in keinster Weise nur der Rückzugsort<br />
eines Orators, der in diesen Momenten immer wieder den<br />
Anschein erweckte, er würde sich die Worte vielmehr erst aus<br />
den Fingern saugen müssen und seiner Sekretärin diktieren,<br />
als sein Publikum ernst zu nehmen und die großen Worte<br />
Martin Luther Kings über „permanent peace“ auch nur im<br />
Geringsten so zu meinen, wie er sie mit den noch größeren<br />
Gesten unterstrichen darstellte. Am Boden sitzend, sich in aller<br />
Seelenruhe die Schuhe ausziehend und seine Zehen begutachtend<br />
wandte er sich schließlich den Themen der NATO sowie<br />
auch der UNO und den „failed states“ zu, wobei die Entdeckung<br />
eines Fussels auf seinem Fuß sicherlich nicht nur zufällig,<br />
sondern vielleicht auch mit Hintergedanken gespielt war.<br />
Denn vielleicht ist ja auch in dem in seiner Ansprache sonst<br />
so hochgepriesenen amerikanischen System, welches er mit<br />
stolzgeschwellter Brust immer wieder als Friedenskämpfer Nr.<br />
1 betonte, auch ein kleiner schwarzer Fleck, den er am liebsten<br />
verstecken möchte, und sei es nur durch seine anscheinende<br />
geografische Unkenntnis; denn Dakar links oben zu deuten ist<br />
bei jeder Spiegelverkehrtheitsentschuldigung unentschuldbar.<br />
Verstecken jedoch lässt sich in einer Welt wie der unseren<br />
heutzutage nichts mehr, Fehler werden grundsätzlich sanktioniert<br />
oder mit genügend Korruption ausradiert, was auch<br />
in Your Majesties Eingang findet, bekommt der Präsident, der<br />
eigentlich schon längst keiner mehr ist, im Laufe der Performance<br />
nicht nur die gelbe, rote, blaue und grüne Karte<br />
gezeigt, sondern ist auch jedes Mal darauf verwiesen, seinen<br />
Redefluss deswegen zu unterbrechen, ob durch Händeschütteln<br />
mit dem Publikum, Pfeifen oder aber sich zu weigern und<br />
stur weiterredend durch die Gänge des <strong>brut</strong> zu marschieren,<br />
hinter Vorhängen und Türen zu verschwinden und an unerwarteten<br />
Stellen wieder aufzutauchen, um seinen Auftritt<br />
fortzusetzen. Als Zuschauer ein kleines örtliches sowie auch<br />
politisches hide-and-seek-Spiel, fast so wie in der Realität.<br />
Doch da stellt sich die Frage: Was ist überhaupt die Realität?<br />
Die Originalrede, ein Mann, sein Publikum. Nur mit seiner<br />
Gestik, geleitet von der stummen Gegenspielerin, verzerrt<br />
er dann doch das Bild der Wirklichkeit. Denn so sportlich der<br />
amerikanische Präsident auch wirkt, Yogaübungen, Froschhüpfen<br />
sowie Beinahe-Brücken traut man ihm dann doch wieder<br />
nicht zu, vor allem nicht während er dabei über die drei Wege<br />
zur Erhaltung bzw. Herstellung von Frieden referiert.<br />
Schlussendlich ist der Mann mit Anzug und ohne Schuhe aber<br />
immer öfter ein Spiegelbild des Präsidenten, den wir vielleicht<br />
gerne sehen würden. Ratlos, verletzt, die Schultern hängen<br />
lassend oder sich an den Ärmeln verschämt zupfend steht er<br />
verloren in diesem schwarzen Raum und weiß nicht wohin,<br />
seine Marionettenspielerin auf der anderen Seite wirkt ihm<br />
trotz ihrer Stummheit überlegen, hat sie doch wenigstens<br />
eine Idee, was als Nächstes folgen wird. Er nicht, er folgt nur<br />
nach. Der Performer auf der Bühne wird zum Spiegelbild des<br />
vom Publikum imaginierten privaten Obama selbst, hofft man<br />
zumindest. Denn auch wenn zurzeit der wahrscheinlich sympathischste<br />
Politiker, möchte man doch versichert sein, dass<br />
auch er nur ein Mensch mit Fehlern und Schwächen ist.<br />
Als mit den Worten „Thank you very much“ die Performance<br />
endet, bleibt es still. Im Gegensatz zum laut applaudierenden<br />
Publikum, welches sich Sekunden nach diesem Satz bei der<br />
Nobelpreisverleihung in Oslo mit Begeisterung auf den so<br />
charismatischen Originalpräsidenten stürzte, bleibt in <strong>Wien</strong><br />
zunächst einmal die Verwunderung. Teils vielleicht, weil es<br />
schwierig fiel, der Rede und ihrem Inhalt bei der wesentlich<br />
interessanteren Komponente der Gestik zu folgen. Teils allerdings<br />
vielleicht auch, weil gerade diese irreale Wiedergabe einer<br />
stattgefundenen Realität den Blickwinkel auf die Redepolitik<br />
Obamas ein wenig verändert hat. Es bleiben viele Fragen<br />
offen, darunter nicht nur jene, ob der Krieg in Afghanistan<br />
wirklich so „just“ ist, wie der Präsident mit seinen Argumenten<br />
zu unterstreichen versucht, sondern auch ob Barack Obama<br />
nach einer solchen Rede genauso verschwitzt ist wie Alex<br />
Deutinger und Marta Navaridas, denn auch wenn die körperliche<br />
Anstrengung wegfällt, so steht für ihn vielleicht moralisch<br />
mehr auf dem Spiel. Hoffen wir doch zumindest, oder?<br />
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