05.12.2012 Aufrufe

e-xilant öffentlich versteckt - brut Wien

e-xilant öffentlich versteckt - brut Wien

e-xilant öffentlich versteckt - brut Wien

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Doch der Sessel war in keinster Weise nur der Rückzugsort<br />

eines Orators, der in diesen Momenten immer wieder den<br />

Anschein erweckte, er würde sich die Worte vielmehr erst aus<br />

den Fingern saugen müssen und seiner Sekretärin diktieren,<br />

als sein Publikum ernst zu nehmen und die großen Worte<br />

Martin Luther Kings über „permanent peace“ auch nur im<br />

Geringsten so zu meinen, wie er sie mit den noch größeren<br />

Gesten unterstrichen darstellte. Am Boden sitzend, sich in aller<br />

Seelenruhe die Schuhe ausziehend und seine Zehen begutachtend<br />

wandte er sich schließlich den Themen der NATO sowie<br />

auch der UNO und den „failed states“ zu, wobei die Entdeckung<br />

eines Fussels auf seinem Fuß sicherlich nicht nur zufällig,<br />

sondern vielleicht auch mit Hintergedanken gespielt war.<br />

Denn vielleicht ist ja auch in dem in seiner Ansprache sonst<br />

so hochgepriesenen amerikanischen System, welches er mit<br />

stolzgeschwellter Brust immer wieder als Friedenskämpfer Nr.<br />

1 betonte, auch ein kleiner schwarzer Fleck, den er am liebsten<br />

verstecken möchte, und sei es nur durch seine anscheinende<br />

geografische Unkenntnis; denn Dakar links oben zu deuten ist<br />

bei jeder Spiegelverkehrtheitsentschuldigung unentschuldbar.<br />

Verstecken jedoch lässt sich in einer Welt wie der unseren<br />

heutzutage nichts mehr, Fehler werden grundsätzlich sanktioniert<br />

oder mit genügend Korruption ausradiert, was auch<br />

in Your Majesties Eingang findet, bekommt der Präsident, der<br />

eigentlich schon längst keiner mehr ist, im Laufe der Performance<br />

nicht nur die gelbe, rote, blaue und grüne Karte<br />

gezeigt, sondern ist auch jedes Mal darauf verwiesen, seinen<br />

Redefluss deswegen zu unterbrechen, ob durch Händeschütteln<br />

mit dem Publikum, Pfeifen oder aber sich zu weigern und<br />

stur weiterredend durch die Gänge des <strong>brut</strong> zu marschieren,<br />

hinter Vorhängen und Türen zu verschwinden und an unerwarteten<br />

Stellen wieder aufzutauchen, um seinen Auftritt<br />

fortzusetzen. Als Zuschauer ein kleines örtliches sowie auch<br />

politisches hide-and-seek-Spiel, fast so wie in der Realität.<br />

Doch da stellt sich die Frage: Was ist überhaupt die Realität?<br />

Die Originalrede, ein Mann, sein Publikum. Nur mit seiner<br />

Gestik, geleitet von der stummen Gegenspielerin, verzerrt<br />

er dann doch das Bild der Wirklichkeit. Denn so sportlich der<br />

amerikanische Präsident auch wirkt, Yogaübungen, Froschhüpfen<br />

sowie Beinahe-Brücken traut man ihm dann doch wieder<br />

nicht zu, vor allem nicht während er dabei über die drei Wege<br />

zur Erhaltung bzw. Herstellung von Frieden referiert.<br />

Schlussendlich ist der Mann mit Anzug und ohne Schuhe aber<br />

immer öfter ein Spiegelbild des Präsidenten, den wir vielleicht<br />

gerne sehen würden. Ratlos, verletzt, die Schultern hängen<br />

lassend oder sich an den Ärmeln verschämt zupfend steht er<br />

verloren in diesem schwarzen Raum und weiß nicht wohin,<br />

seine Marionettenspielerin auf der anderen Seite wirkt ihm<br />

trotz ihrer Stummheit überlegen, hat sie doch wenigstens<br />

eine Idee, was als Nächstes folgen wird. Er nicht, er folgt nur<br />

nach. Der Performer auf der Bühne wird zum Spiegelbild des<br />

vom Publikum imaginierten privaten Obama selbst, hofft man<br />

zumindest. Denn auch wenn zurzeit der wahrscheinlich sympathischste<br />

Politiker, möchte man doch versichert sein, dass<br />

auch er nur ein Mensch mit Fehlern und Schwächen ist.<br />

Als mit den Worten „Thank you very much“ die Performance<br />

endet, bleibt es still. Im Gegensatz zum laut applaudierenden<br />

Publikum, welches sich Sekunden nach diesem Satz bei der<br />

Nobelpreisverleihung in Oslo mit Begeisterung auf den so<br />

charismatischen Originalpräsidenten stürzte, bleibt in <strong>Wien</strong><br />

zunächst einmal die Verwunderung. Teils vielleicht, weil es<br />

schwierig fiel, der Rede und ihrem Inhalt bei der wesentlich<br />

interessanteren Komponente der Gestik zu folgen. Teils allerdings<br />

vielleicht auch, weil gerade diese irreale Wiedergabe einer<br />

stattgefundenen Realität den Blickwinkel auf die Redepolitik<br />

Obamas ein wenig verändert hat. Es bleiben viele Fragen<br />

offen, darunter nicht nur jene, ob der Krieg in Afghanistan<br />

wirklich so „just“ ist, wie der Präsident mit seinen Argumenten<br />

zu unterstreichen versucht, sondern auch ob Barack Obama<br />

nach einer solchen Rede genauso verschwitzt ist wie Alex<br />

Deutinger und Marta Navaridas, denn auch wenn die körperliche<br />

Anstrengung wegfällt, so steht für ihn vielleicht moralisch<br />

mehr auf dem Spiel. Hoffen wir doch zumindest, oder?<br />

29

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!