e-xilant öffentlich versteckt - brut Wien
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„Let‘s fetz” sprach MC G …<br />
und flog mit dem goldenen Teppich davon<br />
Kritik von Lisa Schöttel, 16.04.2011<br />
Egal ob beim entspannten „Bunga Bunga“ mit Silvio Berlusconi<br />
oder beim Kamelritt durch die Wüste: Gaddafi rockt, und jeder<br />
schweigt, wenn er befiehlt.<br />
Mit der Inszenierung des Wüstendiktators haben sich die Lovefuckers<br />
an ein sehr brisantes Thema gewagt, das durch die aktuellen<br />
Ereignisse entweder zum Top oder aber auch zum Flop<br />
werden konnte. Sie wandern eine Stunde lang auf der Grenze,<br />
treten ab und zu einen Schritt zu weit in den Klamauktopf und<br />
überzeugen doch auf voller Linie.<br />
Würde man nicht wissen, dass das Stück bereits vor den Kämpfen<br />
der Rebellen mit Gaddafi entstanden ist, so würde man<br />
sehr wohl an der Moral der Darsteller zweifeln.<br />
Aber warum nicht das ganze Thema mal völlig in die Lächerlichkeit<br />
ziehen, oftmals werden der Klamauk und die<br />
Groteske politischer Prinzipien erst durch ihre Übertreibung<br />
beim Zuseher wahrgenommen. Die vielen Skandale, die in der<br />
Politik passieren, die vielen Menschen, die in der Öffentlichkeit<br />
stehen, werden durch den Kakao gezogen und dabei nicht mal<br />
mehr abgetrocknet.<br />
Die Inszenierung des libyschen Diktators ist perfekt getimed<br />
und choreografiert, es entstehen keine Lücken oder Unsicherheiten.<br />
Und auch die Bewegungen und die Stimme der Puppe<br />
Gaddafis wirken von Anfang an sehr authentisch. Zuerst noch<br />
in unverständlichem Arabisch, erklärt uns Gaddafi schon bald<br />
die Freuden des Diktatorendaseins auf Englisch. Egal ob er<br />
über die Vormachtstellung des Mannes gegenüber der Frau<br />
spricht, da diese ja durch Schwangerschaft und Stillen ständig<br />
geschwächt ist, oder seine Untertanen zu Tänzen und Liedern<br />
zwingt. Er ist sich seiner Macht bewusst und verfällt dadurch<br />
in die Rolle eines kleinen Kindes, das sich über neue Waffen so<br />
freut wie andere Kinder über einen neuen Bauklotz.<br />
Und hinter ihm versammeln sich neben den internationalen<br />
Business-People und Schweizer Bergtouristen auch bekannte<br />
korrupte europäische Politiker, die uns einen Einblick in ihre<br />
scheinbar wichtigen Aufgaben in der Weltpolitik gewähren.<br />
Berlusconi schaut z. B. auf einen Sprung in Libyen vorbei, um<br />
Gaddafi den Hintern zu versohlen. Oder Jörg Haider, der von<br />
Gaddafi aus der Gruft geholt wird, um ihm geheime Kontodaten<br />
zu entlocken, und der jedoch nur am Oberkörper Gaddafis<br />
interessiert ist. Kärnten wäre empört!<br />
Natürlich kann diese große Übertreibung auch als Witzvorstellung<br />
abgetan werden, die à la Villacher Fasching die Politiker<br />
auf die Schaufel nimmt. Aber King of the Kings fällt nicht in<br />
diesen Topf, da trotz der humorvollen und grotesken Art und<br />
50<br />
Weise auch ein leiser kritischer Ton mitklingt. Gespräche<br />
werden alle zwei Minuten von wildem Schießen unterbrochen.<br />
Eine Realität, die sich zurzeit auch in Libyen abzeichnet. Schon<br />
durch die Lautstärke der Pistolen überkam den Zuseher ein<br />
mulmiges, wenn nicht sogar ängstliches Gefühl.<br />
Auch in der Inszenierung der Figur Gaddafis zeigen die<br />
Lovefuckers viele Facetten, die vielleicht auch in der Realität<br />
helfen, das Schaffen dieses Mannes zu verstehen oder zumindest<br />
nachvollziehbar zu machen. Was Gaddafi fehlt, ist<br />
Menschlichkeit. Am Ende kann er sogar nur noch als Kopf ohne<br />
Körper existieren. Wie ein Regenwurm, den man auszulöschen<br />
versucht, der aber immer weiterleben kann.<br />
Die Atmosphäre, die die Lovefuckers auf der Bühne schaffen,<br />
ist sehr dicht und spannend. Von Puppenspielen, Tanzeinlagen<br />
bis hin zu abenteuerlichen Verfolgungsjagden bleibt<br />
kein Genre ausgespart. Trotzdem bleibt das Stück sehr an der<br />
Oberfläche hängen. Kritik wird geübt, aber schon im nächsten<br />
Satz wird einfach ein neuer Politiker aufs Korn genommen. Die<br />
Lovefuckers wollten sich austoben und begeistern, Tiefgründigkeit<br />
wird der Zuseher eher nicht finden. Aber vielleicht ist<br />
das Stück genauso banal, wie es auch die Politik ist.<br />
Und am Ende entlarvt sich Gaddafi eben nur als ruhmgeiler<br />
Popstar, der die Aufmerksamkeit der Menschen braucht und<br />
heilfroh darüber ist, dass die Lovefuckers nun endlich auch ein<br />
Stück über ihn geschrieben haben. „Let's fetz” lautet seine Devise,<br />
und wir hoffen mal alle, dass er bald wirklich auf seinem<br />
Teppich über alle Berge fliegt.