e-xilant öffentlich versteckt - brut Wien
e-xilant öffentlich versteckt - brut Wien
e-xilant öffentlich versteckt - brut Wien
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Juroren an Schauspielschulen haben ein besonderes Interesse<br />
am Scheitern ihrer Bewerber. Genauer: am Zusammenbruch,<br />
am Platzen ihrer Konzepte, vorbeugend säuberlich über- und<br />
zurechtgelegt. Der Schauspieler trennt sich von der Spreu<br />
derer, die unbedingt Schauspieler sein wollen, von den onanistischen<br />
Selbstdompteuren also, wenn es gilt, mit Pannen<br />
umzugehen. Just in dem Moment, in dem er den Boden unter<br />
den Füßen verliert, muss er sich ungebrochen in einen alternativen<br />
Bereich der Bühnenwelt flüchten. Ein Schauspieler<br />
entschuldigt sich nicht, schon gar nicht für Pannen, er weiß sie<br />
wie selbstverständlich in seine Bühnenwelt aufzunehmen, gar<br />
zwingend erscheinen zu lassen.<br />
Der Fehler erschließt zwei Optionen: mit ihm umzugehen oder<br />
ihn zu umgehen. Konfrontation und Vermeidung eines Problems<br />
aus denselben Wortbausteinen: Die deutsche Sprache<br />
scheint schon veranlagt zur Risikovermeidung. Dabei setzt erst<br />
der GAU die Kreativitätspotenziale des Menschen frei, wie sich<br />
im Vergleich der beiden Vorstellungen des Instituts für Hybridforschung<br />
wieder erwiesen hat.<br />
Am 8. April wäre dies wohl ein Verriss geworden. Die Technik<br />
funktionierte fast reibungslos, ansonsten nichts. Zu sehen war<br />
das schamhafte Ablesen eines Konzepts ohne Entäußerung,<br />
eine hölzerne Dressur, kleinlichst einstudiert. Der Versuch, sich<br />
unangreifbar zu machen, endete wie immer in der Peinlichkeit.<br />
Pointen kamen, kaum mehr zu detektieren, in wie komponierter<br />
Regelmäßigkeit zu spät, der Schauder des schlecht<br />
gemachten Witzes, in erkennbarer Unfreiwilligkeit. Man nahm<br />
Corinna Korth nichts ab. Dabei lebt ihre Performance vom<br />
Spannungsverhältnis zwischen Ernsthaftigkeit, dem wohl<br />
möglich echten Glauben an die Überlegenheit von Mensch-<br />
Tier-Mischwesen und der unmöglichen praktischen Realisation<br />
des Transformationsprozesses auf der Bühne. Man hätte die<br />
Verwandlung, das Annähen eines Schwanzes an die fleischfarbene<br />
Nylonhose, durchaus als bloße Illustration empfinden<br />
können und hätte sich gefragt, wie es wohl um die geistige<br />
Gesundheit der guten Frau Korth bestellt ist.<br />
Die Art der Verwandlung ließ allerdings keinen Zweifel daran,<br />
dass es sich nur um Bühnenshow handelt. Wenn Realität<br />
reklamiert wird, wo keine Realität sein kann, fliegt die Tarnung<br />
auf und endet im Bewusstsein des Beiwohnens einer großen,<br />
dazu schlecht gemachten Schau. Leider ist unweigerlich festzustellen:<br />
Corinna Korth ist gesund.<br />
22<br />
Bericht einer Bühnengeburt<br />
Vergleich der beiden Vorstellungen von<br />
Furry Species von Raimund Rosarius, 10.04.2011<br />
Und bei der zweiten Sitzung? Am 9. April geht alles schief,<br />
was schiefgehen kann. Hier ist von Glück zu sprechen, denn<br />
sonst hätte es diese Ehrenrettung für Corinna Korth nie<br />
gegeben. Gleich zu Beginn fällt die Technik aus, kein Bild, kein<br />
Ton, das System hat sich heillos verrannt. Zunächst vorsichtige<br />
Täuschungsversuche, als sich aber so gar nichts tut, wird<br />
schließlich ein Techniker herbeigerufen – die zuckersüße<br />
Sichtbarwerdung der Abhängigkeit vom Gegenfüßler, der<br />
die Technik dem Tier allein schon vorzieht, weil sie ihm den<br />
Lebensunterhalt sichert. Dann wird das Publikum in eine<br />
neuerliche Vorbereitungspause entlassen, das Ganze ist als<br />
Ganzes nicht mehr zu retten.<br />
Doch nach der Unterbrechung, vorrangig genutzt zur Besänftigung<br />
tierischer Triebe, erlebt das Publikum eine völlig<br />
verwandelte Corinna Korth. Das Konzept kann nicht mehr<br />
aufgehen wie durchgeplant, sie hat ihren scheinbar so sicheren<br />
Halt verloren, und genau deswegen ist alle Nervosität,<br />
alle Hölzernheit wie weggewischt und nur ein leichtes Zittern<br />
in den Händen gibt noch Auskunft über die Qualität der früheren<br />
Aufführung. Wir erleben eine Bühnengeburt.<br />
Das Publikum reagiert beständig, zumal die Pointen dieses<br />
Mal sitzen. Der Applaus ist nicht vergleichbar mit dem des<br />
ersten Abends, an dem die heutigen Bravo-Rufe blanker Hohn<br />
gewesen wären.<br />
Die Versatzstücke aus Vortrag, Filmausschnitten und Demonstration<br />
an Modellen hatten ohnehin eine eigene Qualität. Es<br />
fehlte lediglich der verbindende Kitt, eine Rhythmik, die Prise<br />
Improvisation, die zu jeder Bühnendarbietung unbedingt<br />
notwendig ist.<br />
Ratsam wäre, die Versatzstücke weniger starr aneinanderzureihen<br />
und den Abend mit viel Improvisation aus dem<br />
lebendigen Vortrag heraus zu gestalten, mit Streichungen und<br />
Zugaben aus dem Forschungs- und Ideenrepertoire, über das<br />
Corinna Korth ganz offensichtlich verfügt. Das sture Abarbeiten<br />
des ersten Abends könnte sich so nicht wiederholen.