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e-xilant öffentlich versteckt - brut Wien

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Das ist bei uns natürlich nicht der Fall, aber man kann das in<br />

die Szene hinein assoziieren. Im Prinzip versuchen wir, eben<br />

solche Bilder anzubieten.<br />

e: Glaubt ihr nicht, dass man schon etwas übersättigt ist von<br />

Liebe, Leidenschaft und Erotik im Alltag? Dass man vielleicht<br />

schon als Zuschauer abgestumpft ist und diese Denkstufen<br />

nicht mehr durchmacht?<br />

SS: Wir bieten auf jeden Fall was anderes an, als es die<br />

Werbung tut.<br />

e: Aber Erotik ist es schon. Nur verkauft wird damit nicht.<br />

SS: Es fängt ja mit offenen, fragilen Küssen an, die sehr<br />

langsam und nicht erotisch sind, die man auch so nicht in der<br />

Werbung sieht.<br />

e: Das steigert sich doch immerhin bis zu Orgie und Ausziehen.<br />

SS: Es gibt auf jeden Fall eine Körperlichkeit, die wir versuchen<br />

zu zeigen und auch nicht zu zeigen. Aber dieser Imperativ, sexy<br />

zu sein, wie in der Werbung - das ist nicht unser Ziel. Natürlich<br />

spielen wir auch die Themen an, die mit Erotik verbunden sind.<br />

Uns interessiert eher, dass das Material für potenzielle<br />

Kontexte geöffnet und nicht auf Pornografie oder Erotik<br />

reduziert wird.<br />

VB: Es geht für uns vor allem um den Vorgang, bei dem die<br />

Handlung in verschiedene Richtungen geöffnet wird.<br />

e: In alle Richtungen. Ist das nicht zu willkürlich? Habt ihr<br />

Grundpfeiler in eure Choreografie gesetzt? Oder: Was waren<br />

die Aspekte des Kusses, die euch interessiert haben im Gegensatz<br />

zu einer absolut pornografischen Darstellung?<br />

SS: Wir haben am Anfang sehr viel über den Kuss und sein<br />

Bedeutungspotenzial recherchiert, z. B. woher Menschen das<br />

Küssen überhaupt haben oder über den Judaskuss. Denn ein<br />

Kuss, das haben wir herausgefunden, bedeutet nicht immer,<br />

dass alles in Ordnung ist, wie wir das aus den Filmen kennen.<br />

Was uns letztlich interessiert hat, war, dass diese Form für eine<br />

Emotion benutzt wird, ohne gerechtfertigt zu sein, und dass<br />

das für die Leute, die das tun und für das Publikum nicht ohne<br />

Folgen ist. Also, dass man den Kuss wiederholt, wobei hierbei<br />

ohne Grund Reaktionen produziert werden. Diese ganzen<br />

minimalen Halluzinationen, die man hat, sind genau das, was<br />

uns im Endeffekt interessiert.<br />

e: Eine Frage zum letzten Lied: Fred vom Jupiter von Die Doraus<br />

& Die Marinas (Anmerkung: Die Choreografie zum Lied<br />

wurde aus dem Originalvideo übernommen). Bezweckt das<br />

einen Bruch oder weist es auf die Flüchtigkeit des Kusses hin?<br />

SS: Das Stück ist an sich in zwei Teile geteilt, die in Dysbalance<br />

zueinander stehen. Der erste Teil ist vom Küssen aus entwickelt<br />

und geht dann in Bewegung bis zur Entleerung über und<br />

wird als Inszenierung sichtbar. Beim zweiten Teil steht die Choreografie<br />

an erster Stelle. Es geht uns beim Lied auch darum,<br />

die Situation zu beenden und zu brechen.<br />

e: Hattet ihr am Anfang der Proben Hemmungen? Ich meine,<br />

im normalen Leben küsst man ja nicht willkürlich jemanden.<br />

SS: Ehrlich gesagt fanden wir es am Anfang ein bisschen<br />

„krass“, dafür verantwortlich zu sein, dass sich fremde Leute<br />

jetzt küssen. Es war von unserer Seite eine ganz neue Erfahrung.<br />

Angefangen haben wir harmlos mit Flaschendrehen, um die<br />

Spannung aufzubauen. Lacht.<br />

e: Wart ihr mit den Aufführungen in Berlin und Hamburg<br />

zufrieden? Wie ist Romantic Afternoon beim Publikum angekommen?<br />

VB: Ja, wir waren zufrieden und es ist sehr gut gelaufen. Das<br />

ist eigentlich ganz schön bei dem Stück, weil relativ viele Leute<br />

auf uns zukommen und uns Sachen erzählen, die sie gesehen<br />

haben. Das ist oft unterschiedlich, welche Eindrücke und Assozia<br />

tionen sie uns schildern.<br />

e: Also Unklarheiten klären?<br />

SS: Es ist für uns interessant zu hören, da es meistens ein<br />

Grundverständnis für solche Dinge gibt. Dann herrscht<br />

Irritation, jeder weicht bestimmten Dingen aus und fokussiert<br />

auf andere Dinge. Interessant, die vielen Eindrücke zu hören<br />

und wie sich Leute dazu verhalten. Diese Eindrücke sind sehr<br />

unterschiedlich.<br />

e: Was gibt es bisher für Stimmen?<br />

SS: Eine Meinung war, dass es um das Thema Jugend geht<br />

und man sich alt fühlt, wenn man das sieht. Man merkt auch,<br />

dass Leute bestimmten Sachen ausweichen und in anderen<br />

Momenten wieder vertraut sind.<br />

VB: Es kamen auch Vorschläge, dass man das mit Senioren<br />

oder mit anderen Darstellern machen könnte. Vielleicht wird<br />

das ja unser nächstes Stück. Die Menschen verhandeln ständig<br />

mit sich selbst, ob das jetzt okay ist, was auf der Bühne passiert,<br />

oder nicht. Man hat auch gemerkt, wo die Leute ihren<br />

Schwerpunkt gesetzt haben, ob sie auf die Küsse achteten<br />

oder das ganze „Drumherum“ total interessant fanden.<br />

e: Ist es Zufall oder Absicht, dass die Schauspieler ins Publikum<br />

geschaut haben?<br />

SS: Nein, das ist Absicht! Lacht. Es sind verschiedene Szenen,<br />

wo eben auch mit der Zuschauersituation gespielt wird, z. B.<br />

gibt es den einen Kuss, wo der Blick ganz bewusst ins Publikum<br />

gerichtet wird, und das ist für uns so eine Art Ausformulierung<br />

von Betrug. Es ist eine Szene, um den Judaskuss<br />

umzusetzen. Ab dem Moment ist es möglich, jemanden zu<br />

küssen und gleichzeitig zu betrügen.<br />

e: Herzlichen Dank an Sebastian Schulz und Verena Billinger<br />

für das aufschlussreiche Interview.<br />

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