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e-xilant öffentlich versteckt - brut Wien

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Sebastian Schulz schaffen. Mit echtem Zungenzeugs, Gruppenzungenküssen,<br />

allerdings, das sei erwähnt, durchchoreografiert.<br />

Die vierte Wand bleibt – schade, wenngleich gesund.<br />

Billinger und Schulz operieren am Reiz der Grenze, stimulieren<br />

die Ambivalenz zwischen Jenseits und Hier und pieksen in<br />

flimmernd hoher Frequenz in die Unentschiedenheit.<br />

Das Zuschauen ist eine halbe Körperübung, findet sich genau<br />

zwischen Partizipation und Voyeurismus ein und steht permanent<br />

in Spannung zwischen beiden Polen. Das stumme<br />

Zuschauen als einzige große Kontraktion.<br />

Auch das Dargebotene lebt im Graubereich zwischen Inszenierung<br />

und Regung. Ist da nur körperliche Ertüchtigung und<br />

Choreografie? Ergibt sich aus dem Vorgang allein nicht schon<br />

zumindest ab und an Gefühl? Was ist wahr und was ist Spiel?<br />

Öffentlichkeit scheint bei Freischwimmer 2011 restauriert<br />

aus einer Anatomie der Liebe, separiert in mehr oder minder<br />

saubere Fleischfetzen vor den Spots.<br />

Es wird geliebäugelt, gezüngelt, bedient und (schließlich<br />

doch?) geheiratet, und zwar auf Polnisch: Hochzeitsgeschenke<br />

erwünscht, ein Anlegen von Abendgarderoben, Bis dass der Tod<br />

uns scheidet. Als wäre da nicht schon genug Fraktionierung,<br />

Partition.<br />

Man flieht aus dem elektronischen Gewebe und nimmt dessen<br />

Gepflogenheiten mit – es gibt kein Entkommen: Real heißt<br />

nunmehr nicht virtuell. Außerdem: „Ich weiß ja, dass du weißt,<br />

dass das nicht so ernst gemeint ist.“<br />

Das bühnenähnliche Territorium expandiert durch Ablasshandel,<br />

Befriedung von Aufrichtigkeiten; an den Territorialgrenzen<br />

kalauert es heftig.<br />

Aus der Not geboren, ein Gestell: Der Notstand von Barbara<br />

Ungepflegt macht aus der Not eine Tugend und ruft schließlich,<br />

endlich, den Notstand aus, bedient so lange, bis alle<br />

bedient sind. Wann ist der Reiz ausgereizt? Steigert er sich bis<br />

zur fulminanten Kulmination mit punktgenauem Finish, bleibt<br />

die Masse non-finito stehen oder plätschert das Ganze bis zur<br />

Apathie nach?<br />

Hinzu kommt: Die Wirklichkeit ist doch sowieso schon witzig.<br />

In Zeiten, in denen ein Gaddafi ohnehin witziger ist als alle<br />

auch nur denkbaren Hofnarren, wird es Zeit, auch einmal etwas<br />

Neues auszuprobieren, eine echte Kunstfigur in den Weltenlenkerstand<br />

zu erheben. Endlich die Jonathan Meesianische<br />

„Diktatur der Kunst“, fleischgeworden in Chuck Morris, von<br />

und mit und über und durch Chuck Morris, das schweizerischdänische<br />

Künstlerinnenduo. Ausgebildet in der hessischen<br />

08<br />

Semiprovinz und zugleich einmal mehr in Chuck Morris – im<br />

Herbst zur Königin gekrönt, von den Pressediensten weitgehend<br />

unbemerkt. Der Beiträge tollster Etikettenschwindel:<br />

souvereines.<br />

Dieses Festival ist ein einziges Wagnis.<br />

Es begegnet dem Zeitgeist mit dessen ureigenen Mitteln. Man<br />

möchte den Künstlern gar „Modernität“ vor die Füße speien.<br />

Vielleicht weil Ersterer der Kunst die Klauen geklaut hat:<br />

Verfremdung und das gänsefüßige Als-ob sind im Dunstkreis<br />

der Freischwimmer-Stationen längst mehrheitsfähig. Und was<br />

die Leute sowieso schon machen, hat a priori einen schalen<br />

Eigengeschmack. Am deutlichsten vielleicht wenn es um einen<br />

Austausch der ganz anderen Art geht, so einen Austausch<br />

ohne Saft, wie er im CMMN SNS PRJCT von Laura Kalauz und<br />

Martin Schick praktiziert wird. Schnöde Waren und Juristereien,<br />

eingespielte und wohlgeformte Vorgänge aus anständigen<br />

Berufen. Eben solchen, in denen Entscheidungen neuerdings<br />

aus Alternativlosigkeit gefällt werden.<br />

Auf wessen Seite wird sich das Festival Freischwimmer 2011<br />

schlagen? Wird es den Zeitgeist mit seinen eigenen Waffen<br />

über den Löffel barbieren oder begnügt es sich mit schmarotzerhafter<br />

Koexistenz bis schrankenloser Anbiederung?<br />

¹ Und wir lauschen dicken Männern mit Bärten, die Männer<br />

mit dicken Bärten zitieren, die das alles immer schon<br />

gewusst haben.

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