e-xilant öffentlich versteckt - brut Wien
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Macht und Märchen<br />
Ein Künstlerduo zum Thema hoheitliche Souveränität<br />
Vorbericht von Kristina Kirova, 06.04.2011<br />
souvereines heißt die Performance des schweizerisch-dänischen<br />
Künstlerinnenduos Chuck Morris. 2008 haben sich Lucie<br />
Tuma und Cecilie Ullerup Schmidt am Institut für Angewandte<br />
Theaterwissenschaft in Gießen zusammengeschlossen. In<br />
souvereines beschäftigen sie sich konzentriert mit Fragen,<br />
Attributen und Darstellungen von Macht. Dabei untersuchen<br />
sie die Attribute und Strategien vergangener, heutiger und<br />
kommender Herrscherinnen und verbinden in ihrem Projekt<br />
märchenhafte Fiktion mit tatsächlichen Machtstrukturen.<br />
Souveränität(en)<br />
Am europäischen Hof wird eine Königin gekrönt. Ihr Name<br />
lautet Chuck Morris. Sie steht über allem und hat absolute<br />
Macht. Sie versinnbildlicht ein Ideal und einen Hoffnungsträger,<br />
zu dem alle emporblicken. Sie dirigiert Gesetz, Religion<br />
und Finanzen. Chuck Morris ist ein Souverän und besitzt<br />
per definitionem das Monopol über die Staatsgewalt. Wenn<br />
man darüber nachdenkt, scheint Chuck Morris kein normaler<br />
Mensch, sondern eine Gottheit zu sein. Man wird neugierig.<br />
Was bedeutet die kommende Königin? Wie verführt Chuck<br />
Morris das Volk? Was bedeutet Arbeit? Für wen arbeitet Chuck<br />
Morris? Ihr Status und die Erwartungen an ihre Position nähren<br />
das Bild einer unfehlbaren Kreatur und einer ikonenhaften<br />
Diva. Erwartungen muss man erfüllen, wie man Ansprüchen<br />
gerecht werden muss. Auf diese Weise bleibt einem das Bild<br />
einer makellosen Exzellenz im Gedächtnis. So wie man eine<br />
Königin sehen will, taucht sie am Horizont der Wirklichkeit auf<br />
und ihr Porträt brennt sich auf ewig in die Netzhaut und alle<br />
Erinnerungen ein.<br />
Der Freud’sche Versprecher<br />
Ließe man den sich aufdrängenden Freud'schen Versprecher<br />
zu, würde man doch glatt das „M“ in seinen Nebenbuhler verwandeln<br />
und hätte auf einmal „Chuck Norris“ herausposaunt<br />
und müsste über dessen unterbewusste Bedeutung grübeln.<br />
Seltsamerweise scheint ebenjener Chuck Norris die Inkarnation<br />
einer Actiongestalt mit übernatürlichen Kräften zu sein.<br />
„Chuck Norris hat nicht Angst vor der Dunkelheit. Die Dunkelheit<br />
hat Angst vor Chuck Norris“, lautet eine der kursierenden<br />
Floskeln, derer es tausende gibt. Ein Mensch wird in ein völlig<br />
neues Bild gerückt. Er wird zu einer neuen Person gekrönt und<br />
mit einem völlig anderen Status bemessen. Doch manipuliert<br />
das staunende Publikum die Person oder bestimmt die Person<br />
über Denkstrukturen? Wer übt hier Macht auf wen aus? Es<br />
kommt einem verzwickten Teufelskreis gleich, ähnlich der<br />
Frage, ob denn zuerst das Huhn oder das Ei da war.<br />
Publikumsbefragung<br />
Chuck Morris bat bereits das Publikum in Berlin und in Hamburg<br />
zur Sitzung. Die Konfrontation schien unterschiedliche<br />
Eindrücke und Meinungen zutage zu bringen. Die Besucher der<br />
Souveränitäten schienen der Vorstellung einerseits hinterherzu<br />
hinken, sie andererseits als entspannt zu empfinden. „So<br />
gleitet diese schöne und ruhige Kontemplation an einem vorbei<br />
und es bleibt leider ein ‚Was soll’s?, das der Rezensent auch<br />
am Morgen danach nicht aufklären kann und auch keinen<br />
Ansatz findet“, lautet ein kritisches Urteil. „Es sind sehr schöne<br />
Bilder entstanden, aber es war zeitweise sehr langatmig“, tönt<br />
andernorts aus einer Publikumsbefragung. Scheinbar schweben<br />
einige Fragezeichen über den Köpfen der Besucher.<br />
Der Blickwinkel macht’s<br />
Um was geht es hier eigentlich? Was ist die Verbindung<br />
dieser souveränen Machtdemonstration mit dem Rückzug in<br />
die Öffentlichkeit? Über Kunst lässt sich bekanntlich streiten,<br />
weil sie im Auge des Betrachters liegt. Der Blickwinkel, aus<br />
dem heraus das Objekt betrachtet wird, fördert erst die Interpretation<br />
zutage. Deshalb bleiben wir gespannt und mischen<br />
uns unter das Volk, um baldigst den Souveränitäten höchstpersönlich<br />
zu frönen.<br />
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