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e-xilant öffentlich versteckt - brut Wien

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Lachen erlaubt<br />

Despotischer Herrscher, beherzter Idealist, träumerischer<br />

Dichter und gewandter Monopolist in einer Person, ist ihm die<br />

King of the Kings-Aufführung wie auf den Leib geschneidert:<br />

bunt, laut, wild durcheinandergewirbelt, trashig; hier lassen<br />

die Lovefuckers die Puppen wortwörtlich tanzen, und nicht<br />

nur das; sie springen, fliegen, singen. Im Vordergrund steht<br />

das unbegreifliche Leben und Wirken des libyschen Diktators,<br />

der es wie kaum ein anderer versteht, sich zu inszenieren.<br />

Jeder Auftritt ist eine große Show, die den von ihm initiierten<br />

„Mythos Gaddafi“ unterstützen soll. Ein wahrer Performancekünstler,<br />

der die Aufmerksamkeit sucht, sie liebt. So gesehen<br />

ist King of the Kings lediglich eine Überspitzung des wahren<br />

Lebens Gaddafis; eines Mannes, der den Unterschied zwischen<br />

Öffentlichkeit und Privatheit, ganz dem Freischwimmer-Thema<br />

„Rückzug ins Öffentliche“ gemäß, nicht mehr zu erkennen<br />

vermag: Persönliche Wünsche und Vorstellungen werden auf<br />

ein gesamtes Volk projiziert, unhaltbaren Handlungen wird<br />

eine politische Ideologie zugrunde gelegt, das eigene private<br />

Denken wird im Gesetz festgeschrieben. All dies wirft die<br />

Fragen auf: Wie kann so jemand beinahe ein halbes Jahrhundert<br />

an der Macht geblieben sein? Warum ließen ihn alle so<br />

lange gewähren? Und was ihm da alles gewährt wurde, das<br />

ist in der Vorstellung zu bestaunen: Gaddafi mit „best friend“<br />

Berlusconi, der ihm im Falle des Falles vorsorglich schon das<br />

Exil in Italien zugesichert hat, bei Sexspielchen mit Fesseln und<br />

Peitschen; Gaddafi auf der Toilette, natürlich samt weiblicher<br />

Leibgarde; Gaddafi beim alltäglichen Waffeneinkauf.<br />

King of the Kings ist ein Stück mit großer Gestik, ein Stück<br />

für die Massen, auch für solche, die nicht über das libysche<br />

Geschehen informiert sind; eine krachende Komödie, die die<br />

Zuschauer womöglich noch weiter von der ohnehin fernen<br />

politischen Realität entfernt und sie, getragen durch offene,<br />

wenngleich auch kritische Pointen, der persönlichen Verantwortung<br />

entbindet. Ein Stück zum Lachen. Also: Lachen ist<br />

erlaubt. Und erwünscht.<br />

Handpuppen im Kugelhagel<br />

Kritik von Jennifer Vogtmann, 15.04.2011<br />

Der 2008 zum König der Könige von Afrika ausgerufene und<br />

selbsternannte Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi<br />

stattete <strong>Wien</strong> im Rahmen einer Produktion der Lovefuckers<br />

einen Besuch ab. Als Handpuppe inszenierte er sich selbst<br />

als „King of the King“ im gleichnamigen Stück und residierte<br />

natürlich wie üblich im Beduinenzelt. Seine persönliche Garde<br />

hatte er selbstverständlich auch mitgebracht. Noch vor dem<br />

ersten Auftritt des Revolutionsführers bekamen die Zuseher<br />

via Videoprojektion eine Umfrage zur Person Muammar al-<br />

Gaddafi zu sehen. Anschließend begann das rasante Stück.<br />

Immer wieder fielen Schüsse. Immer wieder Entwarnung<br />

durch die angespannte Leibgarde. Was braucht ein Mann wie<br />

Gaddafi also, nachdem er seine Geschenke entgegengenommen<br />

hat? Waffen. Also traf er sich erst einmal mit den Waffenexperten<br />

und ließ sich vom Social Business, drei Handpuppen,<br />

die neuesten Waffen vorführen. Nicht aber ohne sich vorher<br />

frisch zu machen, und so bekamen die Zuseher, wie in jedem<br />

Szenenwechsel, via Videoprojektion Einblicke in das Leben<br />

des selbsternannten Revolutionsführers hinter den Kulissen.<br />

Freund wie Feind hatten in King of the Kings ihren Auftritt.<br />

Von Berlusconi ließ sich Gaddafi lustvoll den Hintern versohlen,<br />

Jörg Haider bat er um sein Geld. In Reagans Grab wollte<br />

Gaddafi sich verstecken und mit den Schweizern (Fingerpuppen),<br />

die aus dem Vogelkäfig auf Gaddafis fliegendem Teppich<br />

geflohen waren, gab es eine hitzige Verfolgungsjagd. Aber<br />

auch die lyrische Seite Gaddafis fand mit dem Buch „Das Dorf,<br />

das Dorf, die Erde, die Erde (...)“ Erwähnung. Das „Grüne Buch“<br />

wurde den Zusehern während der Vorstellung von zwei um<br />

die Wette feilschenden Darstellern zum Verkauf angeboten.<br />

Und immer wieder hatte Muammar al-Gaddafi ein ihm selbst<br />

huldigendes Lied auf den Lippen. Beinahe schon hätte ich mit<br />

der exzentrischen Handpuppe sympathisiert, doch als ihm ein<br />

Anhänger (ebenfalls eine Handpuppe) den neuesten Gaddafi-<br />

Witz erzählte, zeigte sich die grausame Seite des „King of the<br />

King“. Er beschloss: „Wer den Witz erzählt, wird erschossen,<br />

und machte bei seinem Informanten den Anfang. Ganz ohne<br />

Scham und mit viel überzeichnetem Humor brachten Lovefuckers<br />

ihr fulminantes Stück auf die Bühne. Wer traut sich den<br />

nächsten Witz zu erzählen?<br />

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