e-xilant öffentlich versteckt - brut Wien
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Land in Sicht<br />
Rück- und Ausblick auf das Freischwimmer-Festival<br />
mit Aussicht auf hohen Wellengang<br />
von Tea Sahǎcić, 17.04.2011<br />
Wir, die Theater-, Film- und Medienwissenschaftsstudenten<br />
der Übung „Schreiben für die Festivalzeitung Freischwimmer<br />
2011 im <strong>brut</strong>“, haben eine bewegte Woche hinter uns. Ebenso<br />
natürlich alle anderen Beteiligten des dritten Freischwimmer-<br />
Festivals im <strong>brut</strong> <strong>Wien</strong> – Künstler, Leiter, Mitarbeiter. Es gab<br />
viel zu bestaunen, viel Neues, viel nachzudenken. Das bleibt<br />
jedem selbst überlassen.<br />
Wir leben aber auch in einer bewegten Zeit. Während der<br />
Freischwimmer weiter nach Zürich und dann nach Düsseldorf<br />
schwimmt, bleiben wir mit den Eindrücken der verschiedenen<br />
Produktionen zurück. Leise, unbewusste Impressionen von<br />
Chuck Morris; Amüsantes made by Barbara Ungepflegt oder<br />
Laura Kalauz und Martin Schick; Auffälliges wie bei Verena<br />
Billinger und Sebastian Schulz oder beim Institut für Hybridforschung;<br />
wie auch Denkanstöße von mariamagdalena, Alex<br />
Deutinger und Marta Navaridas sowie den Lovefuckers. Diese<br />
bewegten Zeiten bringen eben solche Produktionen wie Your<br />
Majesties oder King of the Kings hervor.<br />
Während Your Majesties trotz seiner überspitzten Gestik<br />
eine würdevolle Satire darstellte, waren die Reaktionen auf<br />
King of the Kings, seiner schrillen Art diametral gegenüberstehend,<br />
eher verhalten. Ein solches Stück, in einer solchen<br />
Zeit – wie weit darf man gehen? Manche haben ein ungutes<br />
Gefühl bei einem solchen Werk, sehen reserviert zu; andere<br />
lachen verlegen; wiederum andere lassen sich mitreißen und<br />
vergessen die <strong>brut</strong>ale Realität. Aber wie ist nun tatsächlich<br />
damit umzugehen?<br />
Alex Deutinger als Barack Obama und die von den Lovefuckers<br />
geführte Gaddafi-Puppe bilden diese Realität gar zu glaubwürdig<br />
ab; ein eloquenter, sicher wirkender und doch hilflos<br />
zappelnder Obama, dem schillernden und unkontrollierbaren<br />
Gaddafi gegenüberstehend. Da werden Informationen ausgetauscht,<br />
Verhandlungen abgehalten und Abkommen geschlossen,<br />
die Hälfte der Bevölkerung verschwiegen bleiben. Und<br />
dennoch: Schlussendlich macht jeder doch, was er will. Barack<br />
Obama kann, sich windend und strampelnd, nicht aus seiner<br />
Haut, ebenso wie Muammar al-Gaddafi das Einsehen nicht<br />
findet – aber eigentlich auch nicht sucht.<br />
Was übrig bleibt, ist, wie üblich, die Rolle des Zuschauers. Diese<br />
Wechselwirkung mag der des Theaters durchaus nahekommen:<br />
Es ist ein ungesehenes Ereignis, dessen Ausgang völlig<br />
offen ist; Drama und Wendungen werden interessiert verfolgt,<br />
aber persönliches Einschreiten findet nicht statt. Wie auch?<br />
Es ist nicht die Sache des Zusehers, sich in die Dramaturgie<br />
einzumischen. Die Menschen auf der Bühne wissen schließlich,<br />
was sie tun.<br />
Dies ist so lange der Fall, ehe die gesamte Produktion einen<br />
nicht mehr zu tolerierenden Weg beschreitet; es mögen persönliche<br />
Anschauungen und Moral verletzt sein und der Saal<br />
daraufhin „verstört und empört“ verlassen werden, oder eben<br />
Ausbeutung und Unterdrückung eine solche Dimension annehmen,<br />
dass das Leben nicht mehr so viel Wert innehat wie<br />
die Freiheit, für die man nun zu sterben bereit ist. Ebendies ist<br />
heute in Libyen, Tunesien, Ägypten und anderen Ländern der<br />
Fall. Ruhig zusehen ist unerträglich geworden, und die Notwendigkeit<br />
zur direkten Partizipation drängt sich nach vorn;<br />
die eine Frage, die bleibt, ist, ob sich Erdulden noch lohnt oder<br />
ob das Einschreiten inzwischen nicht mehr hinauszuzögern ist.<br />
Die Libyer haben sich, wie King of the Kings andeutet, für Letzteres<br />
entschieden. Es gibt für alles Grenzen, die denen, die sie<br />
konstant überschreiten, irgendwann aufgezeigt werden müssen.<br />
Diese Grenzüberschreitungen werden von den Lovefuckers<br />
abgebildet, während Your Majesties die Reaktion darauf<br />
liefert. Ein dem <strong>Wien</strong>er Publikum vorbehaltenes Zwischenspiel,<br />
das an Aktualität und Authentizität nicht zu übertreffen ist.<br />
Somit können wir dieses Festival mit einem lachenden und<br />
einem weinenden Auge beschließen – lachend, in freudiger Erinnerung<br />
an die Stunden des Vergnügens, die uns hier geboten<br />
wurden, und weinend zum einen aufgrund des Endes eines<br />
spannenden Freischwimmers und zum anderen in Ausblick<br />
auf die zu erwartende Zukunft. Doch die Aufklärung wird, wie<br />
immer, früher oder später kommen – spätestens jedoch beim<br />
nächsten Freischwimmer-Festival.<br />
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