e-xilant öffentlich versteckt - brut Wien
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Alle, auch jene, die eine Hochzeit noch nicht am eigenen Leibe<br />
erfahren durften, haben doch eine gemeinsame Vorstellung<br />
von ihr: schicke Kleider, Musik, amüsante bis peinliche Spiele,<br />
natürlich reichlich Verpflegung und die Hoffnung, nicht neben<br />
dem langweiligen Onkel des Bräutigams sitzen zu müssen.<br />
Mit der Produktion Bis dass der Tod uns scheidet laden mariamagdalena<br />
und ihre Gäste Mirjam Klebel, Georg Hobmeier<br />
und Thomas Proksch zu einem rauschenden Fest.<br />
Eine Hochzeit: der schönste Tag im Leben, an dem man sein<br />
privates Glück in die Öffentlichkeit hinausträgt, es politisch<br />
und moralisch unantastbar macht und an dem man diesen<br />
Beschluss mit seinen „Liebsten“ in intimem Kreise feiert.<br />
Die Künstlerin Magdalena Chowaniec macht sich als mariamagdalena<br />
diesen Widerspruch zunutze und geht einen Schritt<br />
weiter: Sie feiert dieses Ritual der Öffentlichkeit denn auch<br />
mit selbiger. Und dabei gibt sie sich nicht etwa nur mit einem<br />
schönsten Tag im Leben zufrieden. Nein, an fünf Tagen, in fünf<br />
Städten soll Hochzeit gefeiert werden. Eine polnische Hochzeit.<br />
Eine „mythische Tradition“ mit Disco Polo, Wodka, Hochzeitsgeschenken<br />
und rührseligen Reden. Doch bei dieser Idylle<br />
allein soll es nicht bleiben. Denn der Gast erlebt nicht nur, wie<br />
sich zwei Menschen fürs Leben binden, sondern auch, wie es<br />
sein kann, wenn Menschen getrennt werden, weil der Mann<br />
ein polnischer Gastarbeiter ist, gezwungen, in seinem LKW zu<br />
leben. Die Party geht weiter. Aber für einige Augenblicke wird<br />
die Utopie der Realität weichen.<br />
Damit sich der geladene Gast auch auf solch unbekanntem<br />
Terrain zurechtfindet, gibt es Spielregeln:<br />
1. Tanze und singe deinen Weg zur Verkörperung einer ande<br />
ren Kultur.<br />
2. Schmecke das „Polnische“ und mach es zu einer kurzfristigen<br />
gemeinsamen Utopie, was mehr ist, als du mit deinen<br />
Sinnen wahrnehmen kannst.<br />
3. Reise durch die Momente der Freude, Verwirrung, Aufregung<br />
und der großen Emotionen.<br />
4. Begegne einer fremden Geschichte, vorhandenen Klischees,<br />
Schönheit der alten Zeiten und heutigem Kitsch.<br />
5. Sei betrunken – genieße es!<br />
6. Sieh dich um und finde die „echten“ Gesichter. Stelle einem<br />
Paar Fragen.<br />
7. Höre die Geschichten des polnischen Gastarbeiters.<br />
8. Fühle, denke, gleich dich an.<br />
9. Schmecke den Unterschied*.<br />
24<br />
Disco-Polo-Utopie<br />
Vorbericht von Eva-Maria Kleinschwärzer, 06.04.2011<br />
*zwischen: Utopie und Realität/verschiedenen Realitäten/unterschiedlichen<br />
Utopien<br />
Die Künstlerin Magdalena Chowaniec, 1983 in Polen geboren<br />
und seit 2006 in <strong>Wien</strong> tätig, arbeitet seit jeher mit Zwischenräumen,<br />
in denen man sich etwas verloren fühlt und<br />
nicht entscheiden kann, ob es sich nun um Theater, Fiktion,<br />
Dokumentation oder gar Realität handelt. So zeigt sie sich in<br />
ihrem Empathy Project Vol. 1 als drogenabhängiger Junkie am<br />
Karlsplatz oder inszeniert mit The MOb: Fixing Freedom Tour<br />
den Abschied einer Punkband vom Bühnenleben.<br />
Der Künstlername mariamagdalena lässt sich auf die biblische<br />
Figur zurückführen und ist eine Anspielung auf den starken<br />
Einfluss der katholischen Kirche in Polen. Durch die Wahl<br />
einer so provokanten Frau betont Magdalena Chowaniec die<br />
Möglichkeit einer kritischen Meinung im „heiligen Tempel der<br />
Kunst“. Und kritisch ist sie, denn sie versucht in ihrer Arbeit<br />
auch, das Theater wegzubringen von einem Bildungsbürgertum<br />
und zugänglich zu machen für alle. In ihrer aktuellen<br />
Performance lädt sie deshalb auch gezielt solche ein, die nicht<br />
zum Stammpublikum des <strong>brut</strong> gehören. Dabei spielt ihre Herkunft<br />
eine maßgebliche Rolle: Nicht nur polnische Partybands<br />
aus den jeweiligen Städten werden für die Hochzeit gebucht,<br />
sondern ebenso polnische Mitbürger eingeladen, mitzufeiern.<br />
Bleibt nur noch, das passende Hochzeitsgeschenk für das<br />
glückliche Paar zu finden, sich in Schale zu werfen und sich in<br />
die Öffentlichkeit zu stürzen. Oder sich ins <strong>brut</strong> zurückzuziehen?<br />
Auf eine Party zu gehen? Oder Theater zu sehen?