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Forum<br />

Skandal mit Zeitverzögerung<br />

Kulturen auf Kollisionskurs? – Fakten, Hintergründe und Deutungsversuche zum Karikaturenstreit<br />

Gewalttätige Demonstrationen,Flaggenverbrennungen,<br />

Boykott-Aufrufe: Die<br />

Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen<br />

in<br />

skandinavischen Zeitungen<br />

hat in der islamischen Welt<br />

– mit viel Zeitverzögerung –<br />

eine Protestwelle ungeahnten<br />

Ausmaßes hervorgerufen.<br />

Nachdem sich der Pulverdampf<br />

gelegt hat, hier<br />

der Versuch, die wichtigsten<br />

Fakten herauszufiltern und<br />

einige Deutungen zu liefern.<br />

Von Peter Unterberg<br />

und der KNA<br />

Die Vorgeschichte des<br />

Skandals begann noch früher<br />

als allgemein bekannt: Im<br />

Spätsommer 2005 suchte ein<br />

dänischer Schriftsteller Zeichner<br />

für ein Jugendbuch über<br />

den Islam und den Propheten<br />

Mohammed. Aus Furcht vor<br />

Racheaktionen radikaler Moslems<br />

sagten jedoch alle Angesprochenen<br />

ab. Erst danach<br />

forderte der Chefredakteur der<br />

Zeitung „Jylland Posten“ die<br />

40 wichtigsten Karikaturisten<br />

Skandinaviens auf, ihre Vorstellungen<br />

von Mohammed zu<br />

Papier zu bringen. Am 30.<br />

September 2005 druckte „Jylland<br />

Posten“ das Ergebnis: Eine<br />

der Zeichnungen zeigt den<br />

Propheten mit einem Turban in<br />

Form einer Bombe samt brennender<br />

Zündschnur. Auf einem<br />

anderen Bild ist er als<br />

Schwert schwingender Beduine<br />

neben zwei schwarzvermummten<br />

Frauen zu sehen.<br />

Nennenswerte Reaktionen gab<br />

es nicht.<br />

Der Skandal beginnt<br />

Die Angelegenheit schien<br />

schon fast vergessen, als dänische<br />

Imame auf einer Informationsreise<br />

durch den Nahen<br />

24_<strong>BKU</strong>-Journal 1_06<br />

Osten ihre Glaubensbrüder<br />

auf die Veröffentlichung der<br />

Karikaturen aufmerksam<br />

machten. Denn welcher Araber<br />

liest schon dänische Zeitungen?<br />

Die FAZ wirft den<br />

Imamen vor, dabei mit „gespaltener<br />

Zunge“ geredet zu<br />

haben: Sie hätten in Dänemark<br />

sanft und beruhigend gesprochen<br />

und im Gespräch mit arabischen<br />

Medien aufhetzend.<br />

Später mussten die Reisenden<br />

zugeben, nicht nur die Mohammed-Karikaturen<br />

aus der<br />

dänischen Zeitung verteilt zu<br />

haben, sondern gleich eine<br />

ganze Mustersammlung.<br />

Die Brandstifter<br />

Die Proteste begannen also<br />

nicht spontan als Reaktion auf<br />

die dänischen Veröffentlichungen,<br />

sondern erst Monate<br />

später. Zudem blieb die Eskalation<br />

der Gewalt auf relativ<br />

wenige Orte beschränkt. So<br />

drängt sich der Verdacht auf,<br />

dass hier Radikale auf den fahrenden<br />

Zug aufgesprungen<br />

sind oder Regierungen von<br />

internen Problemen ablenken<br />

wollten. Das belegt der Blick<br />

auf lokale Brandherde:<br />

• Syrien stand wegen seiner<br />

mutmaßlichen Beteiligung<br />

an der Ermordung des Politikers<br />

Hariri unter internationalem<br />

Druck.<br />

• Iran wird wegen seiner<br />

Atompolitik kritisiert.<br />

• Saudi Arabien, das von<br />

manchen als Drahtzieher<br />

verdächtigt wird, stand seit<br />

dem 11. September häufig<br />

am Pranger des Westens.<br />

• Eine (angebliche?) Al Quaida-Gruppe<br />

kündigte flugs<br />

Selbstmordattentate an.<br />

• Die Taliban in Afghanisten<br />

riefen (mal wieder) zum<br />

Heiligen Krieg auf.<br />

• Ein indischer Regionalminister<br />

setzte ein Kopfgeld<br />

von elf Millionen Dollar<br />

auf die Karikaturisten aus.<br />

Die Reaktion in Europa<br />

Auch der „Widerstand“ im<br />

Westen kam nur zögerlich in<br />

Gang: Erst Anfang Februar<br />

druckten verschiedene westliche<br />

Blätter die Karikaturen<br />

nach – unter anderem die<br />

„Welt“ und die „Berliner Zeitung“.<br />

Für den Vorsitzenden<br />

des Deutschen Journalisten-<br />

Verbandes, Michael Konken,<br />

war dies „ein notwendiger<br />

Beitrag zur Meinungsbildung“.<br />

Das französische Boulevardblatt<br />

„France Soir“<br />

druckte die Karikaturen auf<br />

der Titelseite und betonte,<br />

kein religiöses Dogma könne<br />

die Auffassungen einer demokratischen<br />

und säkularen Gesellschaft<br />

bestimmen. Auch<br />

einzelne Zeitungen in muslimischen<br />

Ländern druckten die<br />

Karikaturen nach. Dort sahen<br />

sich die verantwortlichen Redakteure<br />

jedoch vielfach Repressionen<br />

ausgesetzt.<br />

Die Presse<br />

„Welt“-Chefredakteur Roger<br />

Köppel kommentierte: „Es<br />

gibt kein Recht auf Satireverschonung<br />

im Westen.“ Es entspreche<br />

seinem journalistischen<br />

Selbstverständnis, dass<br />

Medien dann einschreiten<br />

müssten, „wenn wesentliche<br />

Grundpfeiler unserer Kultur in<br />

Frage gestellt werden, wie es<br />

hier der Fall ist“. Das Abdrucken<br />

der Zeichnungen sei<br />

auch ein Bekenntnis zur Meinungsfreiheit.<br />

„Hier geht es<br />

um Todesdrohungen, nicht darum,<br />

sich aus Jux über eine Religion<br />

lustig zu machen,“<br />

schrieb Köppel.<br />

Die Politik<br />

Die deutschen Politiker äußerten<br />

zwar Verständnis dafür,<br />

dass sich Muslime durch die<br />

Zeichnungen in ihren religiösen<br />

Gefühlen verletzt sehen.<br />

Gleichzeitig verurteilten sie<br />

jedoch die Gewalt und verteidigten<br />

über alle Parteigrenzen<br />

hinweg die Pressefreiheit.<br />

Bundesinnenminister Wolfgang<br />

Schäuble (CDU) fragte:<br />

„Warum sollte sich die<br />

Bundesregierung für etwas<br />

entschuldigen, was in Ausübung<br />

der Pressefreiheit passiert<br />

ist?“ Wenn sich der Staat<br />

einmischen würde, wäre dies<br />

der erste Schritt zur Einschränkung<br />

der Pressefreiheit.<br />

Die Religionen<br />

Auffällig ist, dass die besonnenen<br />

Vertreter aller drei<br />

Weltreligionen ähnlich ➜

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