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Schwerpunkt: Katholische Soziallehre aktuell<br />

Handlungsmodell für die Praxis<br />

Prof. Ockenfels skizziert die Katholische Soziallehre – Besuch beim <strong>BKU</strong> in Stuttgart<br />

Was die Katholische Soziallehre<br />

ist oder bedeuten solle,<br />

dazu gibt es viele unterschiedliche<br />

Meinungen,<br />

sagte der Geistliche Berater<br />

des <strong>BKU</strong>, Prof. Dr. Wolfgang<br />

Ockenfels, jetzt in einem<br />

Vortrag vor der Diözesangruppe<br />

Stuttgart.<br />

von Prof. Ernst Hagenmeyer<br />

Jedenfalls ist sie nicht bloß<br />

ein „System offener Sätze“<br />

(H.-J. Wallraff), und auch im<br />

Kern findet sie nicht „Platz auf<br />

einem Fingernagel“, wie Oswald<br />

von Nell-Breuning meinte.<br />

Sie stellt sich vielmehr dar<br />

als ein „komplexes System<br />

normativer Werte und Prinzipien,<br />

die sich aus dem personalen<br />

christlichen Menschenbild<br />

herleiten lassen“.<br />

Entscheidend für sie sei,<br />

dass der freiheitliche Subjektcharakter<br />

aller gesellschaftlichen<br />

Institutionen gewahrt<br />

bleibt. Diesen Schwerpunkt<br />

hat vor allem das Zweite Vatikanische<br />

Konzil in der Pastoralkonstitution<br />

„Gaudium et<br />

spes“ hervorgehoben.<br />

Katholische Soziallehre heißt<br />

eine eigenständige theologische<br />

Disziplin. Sie hat ihre<br />

Wurzeln im 19. Jahrhundert.<br />

Die mit der Industrialisierung<br />

einhergehende Verelendung<br />

der Arbeiter forderte die Kirche<br />

heraus, Antworten auf die<br />

so genannte soziale Frage zu<br />

geben.<br />

Denn diese war nicht mehr<br />

einfach durch karitative Fürsorge<br />

zu lösen. Vielmehr kam<br />

deutlich ins Bewusstsein, dass<br />

die soziale Misere nur durch<br />

eine gerechte Wirtschafts- und<br />

Gesellschaftsordnung zu<br />

8_<strong>BKU</strong>-Journal 1_06<br />

Freilich ist die Soziallehre<br />

der Kirche nicht erst ein Produkt<br />

des 19. Jahrhunderts, wie<br />

immer wieder behauptet wird.<br />

Vielmehr entwickelte sie sich<br />

aus frühen biblischen Impulsen<br />

und Traditionen der Kirche,<br />

die ihre geschichtlichen<br />

Erfahrungen mit sozialen Fragen<br />

und Ordnungsproblemen<br />

(Begründung des Privateigentums,<br />

Problem von Zins und<br />

Wucher, von Krieg und Frieden,<br />

von Menschenwürde und<br />

Menschenrechten etc.) theologisch-philosophischreflektiert<br />

hat.<br />

Die „Arbeiterfrage“ des 19.<br />

Jahrhunderts scheint aber eine<br />

Neuauflage zu bekommen,<br />

wie auch die alten neuzeitlichen<br />

Ideologien, vor allem<br />

der Sozialismus, wiederkehren<br />

können. Mit der „Zeitenwende<br />

von 1989“ ist das Zeitalter<br />

der Ideologien keineswegs<br />

abgeschlossen.<br />

Mit der Globalisierung ziehen<br />

neue soziale Fragen am<br />

Horizont der Weltgeschichte<br />

auf. Eine der größten Herausforderungen<br />

für den Weltfrieden<br />

bildet der islamische Fundamentalismus.<br />

Hier steht die<br />

Kirche mit ihrer Soziallehre<br />

vor einer gewaltigen Bewährungsprobe.<br />

Als Welt-Kirche<br />

verfügt sie über genügende sozialethische<br />

Ressourcen, den<br />

Dialog vor allem mit den politisierten<br />

Weltreligionen zu<br />

führen. In diesem friedensstiftenden<br />

Diskurs wird die naturrechtliche,<br />

also vernunft- und<br />

wertbezogene Argumentation<br />

eine große Rolle spielen. In<br />

diesem Sinne wird Benedikt<br />

XVI. das Erbe Johannes Pauls<br />

II. aufgreifen und die Tradition<br />

der Soziallehre kontinuierlich<br />

weiterführen.<br />

Besonders durch Rundschreiben<br />

und Ansprachen hat<br />

der „polnische Papst“ eine<br />

Spur gezogen, die für die Soziallehre<br />

von weitreichender<br />

Bedeutung ist. Seine Sozialenzykliken<br />

– von „Laborem<br />

exercens“ (1981) über „Sollicitudo<br />

rei socialis“ (1988) bis<br />

hin zu „Centesimus annus“<br />

(1991) – enthalten Gedanken<br />

und Weisungen, die auch in<br />

der katholischen Welt noch<br />

nicht hinreichend aufgegriffen<br />

worden sind. Sein deutscher<br />

Nachfolger hat uns mit seiner<br />

ersten Enzyklika „Deus Cari-<br />

Katholische Soziallehre<br />

überwinden ist. Papst Leo<br />

XIII. legte mit der Enzyklika<br />

„Rerum novarum“ von 1891<br />

die Grundlage für eine eigene<br />

kirchliche Soziallehre, die<br />

heute auch als christliche Sozialethik<br />

bezeichnet wird.<br />

Nachfolgende Päpste haben<br />

die darin formulierten Grundsätze<br />

entfaltet und weiterentwickelt.<br />

Drei Prinzipien stehen im<br />

Mittelpunkt: Nach dem<br />

Grundsatz des Personalprinzips<br />

gilt der Mensch im<br />

Gegensatz zu einseitig individualistischen<br />

oder kollektivis-<br />

tischen Lehren als selbstständige<br />

Person, die aber in die<br />

Gemeinschaft eingebunden<br />

ist. Nach dem Grundsatz der<br />

Solidarität tragen alle wechselseitig<br />

Verantwortung füreinander.<br />

Nach dem Grundsatz<br />

der Subsidiarität kommt<br />

einzelnen oder kleinen Gruppen<br />

gegenüber übergeordneten<br />

organisatorischen Einheiten<br />

vorrangig das Recht und<br />

die Pflicht zu, die eigenen Angelegenheiten<br />

selbstständig zu<br />

regeln.<br />

Im Gegensatz zum marxistischen<br />

Sozialismus verteidigt<br />

tas est“ an die karitativen Wurzeln<br />

der Soziallehre erinnert.<br />

Aber ein konkretes „Modell“<br />

zur Lösung weltweiter sozialer<br />

Fragen kann und will uns<br />

die Katholische Soziallehre<br />

nicht liefern. Mit ihren abstrakten<br />

(nicht formalen) Werten,<br />

Normen und Prinzipien<br />

hilft sie uns jedoch in Deutschland,<br />

konkrete Modelle zu entwerfen.<br />

Und das ist ein Auftrag,<br />

der besonders die „Laien“<br />

angeht, die in sozialen Fragen<br />

ohnehin die eigentlichen<br />

Fachleute sind.<br />

In der Diskussion wurde<br />

schnell deutlich, dass für die<br />

Handlungen des Einzelnen<br />

durchaus ein konkretes „Modell“<br />

erkennbar erscheint:<br />

Grundwerte wie Wahrheit, Gerechtigkeit,<br />

Freiheit (nach<br />

Werten), Liebe und Solidarität<br />

zu leben und vorzuleben, passt<br />

in den von der Katholischen<br />

Soziallehre vorgegebenen<br />

Rahmen hervorragend hinein.<br />

Der <strong>BKU</strong> bringt demnächst<br />

„10 Gebote für Unternehmer“<br />

heraus, auch ein konkretes Modell,<br />

sich moralisch einwandfrei<br />

im täglichen Wirtschaftsleben<br />

zurechtzufinden. ■<br />

die Katholische Soziallehre<br />

das Privateigentum, fordert<br />

aber dessen gerechte Verteilung.<br />

Auch das Wettbewerbsprinzip<br />

wird grundsätzlich anerkannt.<br />

Neben solchen Fragen<br />

befasst sich die Katholische<br />

Soziallehre auch mit<br />

Krieg und Frieden, einer gerechtenWeltwirtschaftsordnung<br />

und in jüngerer Zeit mit<br />

Umwelt- und Bioethik. Katholische<br />

Soziallehre ist in<br />

Deutschland eine Disziplin im<br />

Studium Katholische Theologie.<br />

KNA

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