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➜ reagierten: Juden, Christen<br />

und Moslems kritisierten die<br />

Veröffentlichungen der Karikaturen<br />

ebenso wie die gewalttätigen<br />

Ausschreitungen. Das<br />

Presseamt des Heiligen Stuhls<br />

mahnte, das Recht auf Meinungsfreiheit<br />

könne nicht das<br />

Recht einschließen, die religiösen<br />

Gefühle von Gläubigen<br />

zu verletzen.<br />

Der neue Vorsitzende des<br />

Zentralrats der Muslime in<br />

Deutschland (ZMD), Ayyub<br />

Axel Köhler, nannte die Zeichnungen<br />

„blasphemisch, beleidigend<br />

und entwürdigend“.<br />

Die gewalttätigen Ausschreitungen<br />

seien jedoch „unislamisch“,<br />

sagte Köhler und kritisierte<br />

den „hirnlosen Mob“.<br />

Deutungsversuche: Kampf<br />

der Kulturen?<br />

Im Streit um die Karikaturen<br />

wurde häufig auf die Theorie<br />

des „Clash of Civilisations“,<br />

eines Zusammenpralls<br />

der Kulturen, verwiesen. Sie<br />

geht zurück auf ein 1993 veröffentlichtes<br />

Buch des amerikanischenPolitikwissenschaftlers<br />

und Pentagon-Beraters<br />

Samuel Huntington. Er<br />

prophezeite unter dem Eindruck<br />

des ersten Irak-Kriegs<br />

für das 21. Jahrhundert statt eines<br />

harmonischen Zusammenwachsens<br />

in einer zunehmend<br />

vernetzten Welt neue Konflikte<br />

globalen Ausmaßes: Dabei<br />

wird es sich nach Überzeugung<br />

des Politologen nicht um Auseinandersetzungenideologischer<br />

oder wirtschaftlicher Natur<br />

handeln, sondern um Konflikte<br />

zwischen den Kulturen.<br />

Nebenwirkungen<br />

der Freiheit<br />

Doch bevor man von einem<br />

Kampf der Kulturen spreche,<br />

solle man klären, welche Kulturen<br />

da gemeint sind, mahnte<br />

Markus Reder in der Tagespost:<br />

„Islam gegen Christentum<br />

– das stimmt schon des-<br />

halb nicht, weil der Westen<br />

nicht mehr einfach als christlich<br />

bezeichnet werden kann.<br />

Wäre er das, wären die Probleme<br />

zumindest kleiner. Es sind<br />

die Christen, die verstehen,<br />

warum sich gläubige Muslime<br />

durch Karikaturen in ihren religiösen<br />

Gefühlen verletzt fühlen.<br />

Christen wissen aus eigener<br />

Erfahrung, was das heißt.<br />

Wo Freiheit als grenzenlose<br />

Freiheit verstanden wird, die<br />

die Würde des anderen verachtet,<br />

liegt ein Freiheitsverständnis<br />

vor, das die westliche Welt<br />

für viele Gläubige – Muslime<br />

wie Christen – suspekt macht.“<br />

Wunden auf<br />

beiden Seiten<br />

An anderer Stelle meinte<br />

Reder: „Der Hass der Muslime<br />

richtet sich gegen einen Westen,<br />

von dem sie sich kollektiv<br />

gedemütigt fühlen. Dessen<br />

Gesellschaft aus ihrer Sicht<br />

geprägt ist von Gottlosigkeit,<br />

Kapitalismus, Werteverfall<br />

und Promiskuität.“<br />

Die Islamwissenschaftlerin<br />

Katajun Amirpur führt die Ausschreitungen<br />

auf ein „kollektives<br />

Gefühl der Demütigung in<br />

der islamischen Welt“ zurück,<br />

das aus der Kolonialisierung,<br />

dem Irakkrieg und Guantanamo<br />

resultiere. Die Karikaturen böten<br />

hierfür ein Ventil.<br />

Der Leiter des Hamburger<br />

Orient-Instituts, Prof. Dr. Udo<br />

Steinbach, sagte dem Rheinischen<br />

Merkur: „Die Islamisten<br />

fühlten sich ertappt, weil Mohammed<br />

als Terrorist gezeigt<br />

wird – leiten sie doch selbst<br />

von ihm die Rechtfertigung<br />

zur Gewalt ab. Das intensiviert<br />

ihre Entschlossenheit, jetzt<br />

erst recht gegen den Westen<br />

mobil zu machen“<br />

Auf die Kehrseite dieser<br />

Medaille wies Heinrich Theilen<br />

in einem Leserbrief im<br />

„Ruhrwort“ hin: „Erst der gewalttätige<br />

Aufruhr in den arabischen<br />

Ländern hat reflexartig<br />

den Gegendruck im Westen<br />

erzeugt und hier die Flagge der<br />

Pressefreiheit hissen lassen.<br />

Die scharfe hiesige Reaktion<br />

findet ihre weitere Erklärung<br />

auch darin, dass der Westen<br />

durch terroristische Taten, die<br />

im Namen des Islam geschehen,<br />

traumatisiert ist.“<br />

Sind Muslime anders?<br />

Auf einen kulturellen<br />

Gegensatz verwies der Vorsitzende<br />

der Organisation Reporter<br />

ohne Grenzen, Robert Menard:<br />

Die arabischen Regierungen<br />

„verstehen nicht, dass<br />

es eine völlige Trennung zwischen<br />

dem geben kann, was eine<br />

Zeitung schreibt, und dem,<br />

was die dänische Regierung<br />

sagt.“ Dazu passt der Hinweis<br />

in der Tagespost, dass der Islam<br />

keine Trennung von Staat<br />

und Religion kennt. Dort sei<br />

auch der Staat als Wächter für<br />

die Religion verantwortlich<br />

und Glaubensfragen somit<br />

auch nicht der Privatsphäre<br />

überlassen. Wer sich vom Islam<br />

löse, mache sich eines<br />

Verbrechens schuldig.<br />

Dass hier mit zweierlei<br />

Maß gemessen werde, meinte<br />

Leserbrief-Schreiber Henning<br />

Freiherr von Vogelsang in der<br />

„Tagespost“: „Wo immer auch<br />

nur ansatzweise ein Grund gegeben<br />

wird, wehren sich Muslims<br />

lautstark, und man reagiert<br />

mit Verständnis und entschuldigt<br />

sich. Und umgekehrt?“,<br />

fragt er und nennt<br />

Beispiele dafür, wie christliche<br />

Symbole und Gefühle<br />

derb angegriffen wurden:<br />

„Was ist darauf geschehen?<br />

Nichts“.<br />

War das nur<br />

der Anfang?<br />

Für Udo Steinbach steht indes<br />

fest, dass sich solche Konflikte<br />

in Zukunft häufen werden.<br />

Mit unabsehbarer Brisanz,<br />

wie auch die Ermordung<br />

des niederländischen Regisseurs<br />

Theo van Gogh und die<br />

Forum<br />

Todesdrohungen gegen Salman<br />

Rushdie zeigen. Bei der<br />

Gratwanderung zwischen<br />

Meinungsfreiheit und der Achtung<br />

religiöser Gefühle plädiert<br />

Steinbach eher für eine<br />

vorsichtige Linie des Abwägens:<br />

„Wir müssen unsere<br />

Prinzipien nicht bis zum Exzess<br />

ausreizen“, meint er.<br />

Auswege<br />

Steinbach fordert beide Seiten<br />

zu mehr Selbstkritik auf. Die islamische<br />

Welt müsse davon absehen,<br />

neue Tabus zu errichten<br />

und dem Westen alles Negative<br />

zuzuschreiben. Der Westen<br />

wiederum habe den religiösen<br />

und kulturellen Kontext der muslimischen<br />

Staaten zu tolerieren.<br />

Dass auch diese in der<br />

Pflicht sind, betonte die FAZ:<br />

„Der Anspruch auf Toleranz<br />

und Respekt ist von der Bereitschaft<br />

dazu schwer zu trennen.<br />

Wie es darum im Islam von<br />

heute wirklich steht, kann man<br />

nicht etwa in Dänemark oder<br />

anderen europäischen Ländern<br />

studieren. Dazu muss man<br />

schon den Blick in jene Länder<br />

richten, in denen Muslime das<br />

Maß der Toleranz im öffentlichen<br />

Leben bestimmen.“<br />

Der Beauftragte des Auswärtigen<br />

Amtes für den Dialog<br />

mit der islamischen Welt,<br />

Hans-Günter Gnodkte, sieht im<br />

Karikaturen-Streit einen positiven<br />

Nebeneffekt. Die Ereignisse<br />

hätten wie ein „Kickstart“<br />

für den friedlichen Dialog gewirkt,<br />

sagte Gnodtke in Rom.<br />

Dass keine Seite die Gespräche<br />

abgebrochen habe, sei ein Beleg<br />

für die gewachsenen, guten<br />

Beziehungen zwischen westlicher<br />

und arabischer Welt. Der<br />

Streit habe sich nicht zu einem<br />

Kampf der Kulturen ausgeweitet.<br />

Der Islam-Beauftragte rief<br />

dazu auf, die islamischen Einwanderer<br />

stärker in den Dialog<br />

einzubinden. Sie hätten eine<br />

kulturelle Brückenfunktion und<br />

könnten helfen, Feindbilder auf<br />

beiden Seiten abzubauen. ■<br />

<strong>BKU</strong>-Journal 1_06 25

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