Erträge, so sicher wie das Gold in Fort Knox. - NATURSCHECK
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Kunst & Kultur<br />
»Nokan«<br />
Die Kunst des Ausklangs<br />
E<strong>in</strong> Diskurs über den Tod<br />
im allgeme<strong>in</strong>en oder,<br />
schlimmer noch, die Reflexion<br />
über die eigene Vergänglichkeit,<br />
kann sich bisweilen als<br />
komplizierte bis deprimierende<br />
Angelegenheit entpuppen,<br />
denn <strong>wie</strong> jedes Geschehen,<br />
<strong>das</strong> man irgend<strong>wie</strong> beleuchten<br />
und verstehen möchte, bedarf<br />
es auch beim Forschung<strong>so</strong>bjekt<br />
Tod wenigstens e<strong>in</strong>er eigenen<br />
Erfahrung. Doch woher<br />
Erfahrung nehmen, wenn<br />
nicht gleich sterben!? Ironie<br />
des Schicksals: als Mensch<br />
macht man eben nur e<strong>in</strong>mal<br />
Bekanntschaft mit dem<br />
Tod, und meist ist nach diesem<br />
tiefgreifendsten aller Erlebnisse<br />
die Möglichkeit der<br />
konventionellen Berichterstattung<br />
oder des Gedankenaustausches<br />
nicht vorhanden.<br />
Nimmt der Mensch jenes<br />
kostbare Geheimnis h<strong>in</strong>ter<br />
der Schreckensmaske der Vergänglichkeit<br />
al<strong>so</strong> zwangsläu-<br />
76 naturscheck w<strong>in</strong>ter 2010<br />
fig mit sich? Oder kann man<br />
doch schon zu Lebzeiten etwas<br />
über die »Terra <strong>in</strong>cognita«<br />
<strong>in</strong> Erfahrung br<strong>in</strong>gen?<br />
E<strong>in</strong> kühner Blick <strong>in</strong> <strong>das</strong><br />
Wechselspiel der Formen genügt,<br />
um zu erkennen, was<br />
uns Leben und Tod seit Anbeg<strong>in</strong>n<br />
der Zeit entgegenflüstern:<br />
Du bist jenseits dieses<br />
Formenwandels, jenseits der<br />
Ummantelung – erkenne de<strong>in</strong><br />
wahres Wesen! Kette dich<br />
nicht an die Welt des Wandels,<br />
<strong>so</strong>ndern betrachte <strong>das</strong> Werden<br />
und Vergehen lediglich<br />
als Grundmomente der irdischen<br />
Existenz, die dem nach<br />
Bewußtse<strong>in</strong> strebenden Geist<br />
nur als farbenfroh pulsierendes<br />
Lehrstück dienen <strong>so</strong>ll!<br />
Genau betrachtet, ist nämlich<br />
jeder Tag geprägt durch<br />
Kreisläufe, denen Anfang und<br />
Ende <strong>in</strong>newohnen; der Tod<br />
ist dem profunden Blick mitnichten<br />
e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>maliges Phänomen,<br />
<strong>das</strong> se<strong>in</strong> Geheimnis des-<br />
potisch verwahrt, <strong>so</strong>ndern er<br />
geschieht ununterbrochen <strong>in</strong><br />
und um uns herum, hilft uns<br />
<strong>das</strong> Leben verstehen, wenn …<br />
wir aufrichtig zu fragen wagen<br />
und die uns gegebene Zeit<br />
auf Erden mutig <strong>in</strong> diese Endlichkeit<br />
spannen.<br />
Wer die Zeit zwischen<br />
Geburt und Tod als kurze<br />
Teiletappe e<strong>in</strong>es weit umfassenderen<br />
Se<strong>in</strong>s begreifen lernt,<br />
überw<strong>in</strong>det die ihn heute<br />
durch <strong>das</strong> materielle Denken<br />
bedrückenden Limitationen<br />
… »und <strong>so</strong>lang du <strong>das</strong> nicht<br />
hast, dieses: Stirb und werde!<br />
bist du nur e<strong>in</strong> trüber Gast auf<br />
der dunklen Erde«. (Goethe)<br />
Vielleicht kam Regisseur<br />
Yojiro Takita die Idee zu se<strong>in</strong>em<br />
2009 ausgestrahlten und<br />
<strong>in</strong> Folge mit dem Auslands-<br />
Oscar prämierten Film Nokan,<br />
als er, <strong>wie</strong> Millionen anderer<br />
Japaner, an e<strong>in</strong>em der<br />
unzähligen Bahnhöfe des<br />
Landes auf den Zug wartete<br />
und tief versunken im zeitrafferartigen<br />
Kommen und Gehen<br />
der Reisenden plötzlich<br />
e<strong>in</strong>e vielversprechende Analogie<br />
entdeckte: Hier nimmt der<br />
Zug Menschen mit, trennt sie<br />
für e<strong>in</strong> neues Ziel, und dort<br />
führt er sie nach langer Reise<br />
<strong>wie</strong>der zusammen. Ankunft,<br />
Abfahrt und <strong>wie</strong>der Ankunft!<br />
Der Bahnhof als Metapher für<br />
die Gezeiten des Lebens verdeutlicht<br />
schnell, daß nur e<strong>in</strong>es<br />
im steten Wandel dieser<br />
Durchgangsstation von Dauer<br />
ist: die Begegnungen am<br />
Bahngleis!<br />
Darum: Wohl dem, der<br />
auf se<strong>in</strong>en Reisen von Menschen<br />
begleitet wird, die ihn<br />
aufrichtig lieben, denn ohne<br />
diese Begegnungen wäre jener<br />
Transitraum, sprich die irdische<br />
Wirkstätte, nichts weiter<br />
als e<strong>in</strong> karges Niemandsland!<br />
Ganz gleich, <strong>wie</strong> dem<br />
Filmemacher der maßgebliche<br />
Impuls für se<strong>in</strong>en Streifen<br />
zuteil wurde, letztlich gelang<br />
ihm der Kunstgriff, <strong>das</strong> aus<br />
e<strong>in</strong>em lichten Moment geborene<br />
Gleichnis über Werden<br />
und Vergehen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e wundervolle<br />
Geschichte zu übersetzen,<br />
die im Falle von »Nokan«<br />
aus der Warte e<strong>in</strong>es sensiblen<br />
Leichenbestatters erzählt<br />
wird. Um zu wissen,<br />
was der Regisseur damit <strong>in</strong><br />
Angriff nahm, muß man vorausschicken,<br />
daß im Land der<br />
aufgehenden Sonne <strong>das</strong> Sterben<br />
e<strong>in</strong> ab<strong>so</strong>lutes Tabuthema<br />
ist. Selbst Berufsgruppen, die<br />
<strong>in</strong> ihrer Arbeit den Tod nur<br />
leicht tangieren, gelten als unglückbr<strong>in</strong>gendeAußenseiter,<br />
und um <strong>so</strong> mehr die Kaste<br />
der Bestatter. Doch obwohl<br />
der Tätigkeit dieser »Zeremonienmeister<br />
des Ausklangs«,