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Erträge, so sicher wie das Gold in Fort Knox. - NATURSCHECK

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<strong>das</strong> Buch e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>dischen Yogis<br />

<strong>in</strong> die Hand gab, der sie<br />

vom E<strong>in</strong>band aus im Lendenschurz<br />

entrückt anlächelte,<br />

hatte ich, <strong>wie</strong> es <strong>das</strong> unübersehbare<br />

Unbehagen auf ihrem<br />

Gesicht verriet, wohl den Bogen<br />

überspannt. Um es abzukürzen:<br />

die Visionen für unsere<br />

geme<strong>in</strong>same Zukunft bestanden<br />

damals entweder aus<br />

Programm e<strong>in</strong>s:<br />

Heirat, Heim und Vorgarten,<br />

K<strong>in</strong>der und allmähliches<br />

Ausbleichen im Glanze<br />

e<strong>in</strong>er schalen Alltags<strong>so</strong>nne<br />

– oder Programm zwo: e<strong>in</strong>e<br />

lendenbeschürzte Zukunft <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er kalten Höhle im tibetischen<br />

Hochland mit der wenig<br />

attraktiven Vorstellung,<br />

jedes s<strong>in</strong>nlose Alltagsstreben<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Roßkur Tag für Tag<br />

zu enttarnen, um endlich irgendwann<br />

<strong>das</strong> Leben ungeschm<strong>in</strong>kt<br />

und ehrlich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

ganzen Pracht zu erblicken<br />

…<br />

All diese Epi<strong>so</strong>den waren<br />

Jahre her, waren <strong>in</strong> der<br />

schweren Zeit nach der Trennung<br />

verarbeitet worden –<br />

und doch: kurz vor der Tür<br />

<strong>in</strong> <strong>das</strong> Zimmer der Patient<strong>in</strong><br />

überkam mich e<strong>in</strong>e Beklemmung,<br />

die sich <strong>in</strong> der <strong>so</strong>eben<br />

nachempfundenen Qu<strong>in</strong>tessenz<br />

dieser Beziehung manifestierte<br />

und sich erneut an<br />

dem Wort „Sicherheit“ festbiß.<br />

Am Ende war der Besuch<br />

wider Erwarten doch<br />

sehr schön. Wir redeten über<br />

alte und über neue Zeiten und<br />

freuten uns, daß wir nach den<br />

turbulenten Tagen unserer<br />

Zweisamkeit ganz entspannt<br />

mite<strong>in</strong>ander reden konnten,<br />

ohne Emotionsstürme zu entfachten.<br />

Auf dem Nachhauseweg<br />

stieß es mir dann aber<br />

doch noch e<strong>in</strong>mal auf, dieses<br />

Reizwort „Sicherheit“.<br />

Offensichtlich as<strong>so</strong>ziierte<br />

ich mit dem Begriff<br />

ganz unweigerlich e<strong>in</strong>e Trennung<br />

von den Fluten des Lebens,<br />

fühlte mich durch diesen<br />

„Schwimmflügelzwang<br />

im Männerbecken“ der Lächerlichkeit<br />

ausgesetzt. Das<br />

Sicherheitsbestreben me<strong>in</strong>er<br />

ehemaligen Partner<strong>in</strong> erschien<br />

mir als blockierender Schutzwall,<br />

der sich hemmend vor<br />

die e<strong>in</strong>zigartige Schönheit e<strong>in</strong>er<br />

unmittelbaren und konzeptlosen<br />

Erfahrung zu stellen<br />

drohte und me<strong>in</strong>en Vorwärtsdrang<br />

hemmte … „Was<br />

nutzt es dir, daß die Welt groß<br />

ist, wenn dir de<strong>in</strong>e Pantoffeln<br />

zu kle<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d?“ fragt e<strong>in</strong> türkisches<br />

Sprichwort.<br />

Als ich e<strong>in</strong>es Abends –<br />

Jahre nach der Begegnung<br />

im Krankenhaus – auf dem<br />

Nachhauseweg von e<strong>in</strong>em<br />

Kundenbesuch war, hörte<br />

ich im Radio e<strong>in</strong>e schicksalhafte<br />

Staumeldung, die dieses<br />

e<strong>in</strong>seitige Selbstbildnis um<br />

e<strong>in</strong>e Facette bereichern <strong>so</strong>llte.<br />

Dem Nachrichtensprecher<br />

zufolge würde die momentan<br />

noch flüssige Fahrt auf diesem<br />

Autobahnabschnitt ab<br />

der nächsten Ausfahrt <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

heilloses Stauchaos münden.<br />

Was tun? Natürlich die Umleitung<br />

fahren, die der freundliche<br />

Sprecher aus dem Äther<br />

mir ans Herz legte. Nächste<br />

Ausfahrt: 300 Meter, Bl<strong>in</strong>ker<br />

gesetzt, raus auf die Bundesstraße.<br />

E<strong>in</strong> Mann, e<strong>in</strong> Wort<br />

– dem Schicksal im Stau e<strong>in</strong><br />

Schnäppchen geschlagen!<br />

Die Freude über me<strong>in</strong>e<br />

<strong>in</strong>nere Flexibilität und me<strong>in</strong><br />

geschmeidiges Agieren hielt<br />

jedoch nur knappe drei Kilometer<br />

an, denn natürlich war<br />

auch die empfohlene Umfahrung<br />

hoffnungslos überfüllt.<br />

Langsam schlängelte der<br />

Troß vor sich h<strong>in</strong>, und da wir<br />

uns mitten im Herbst befanden,<br />

wurde es zu allem Überfluß<br />

durch e<strong>in</strong>e plötzlich aufziehende<br />

Gewitterfront noch<br />

sehr ungemütlich. Bald war<br />

alles dunkel um mich herum,<br />

die Lichtkegel der Autos<br />

färbten me<strong>in</strong>e nasse W<strong>in</strong>dschutzscheibe<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong> rotweißes<br />

Aquarell, <strong>in</strong> <strong>das</strong> es immer<br />

<strong>wie</strong>der, im Takt e<strong>in</strong>er mir<br />

unzugänglichen Symphonie,<br />

orangefarben h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>bl<strong>in</strong>kte.<br />

Ich bewegte mich durch<br />

e<strong>in</strong>e unbekannte Stadt, auf e<strong>in</strong>er<br />

mir unbekannten Straße,<br />

während der Atem des Regens<br />

die Welt um mich herum<br />

vertrübte. Ich fühlte mich abgekämpft<br />

nach der langen Arbeit<br />

und wollte nur noch nach<br />

Hause – <strong>in</strong>s traute Heim,<br />

sehnte mich nach e<strong>in</strong>er warmen<br />

Mahlzeit, nach e<strong>in</strong>em<br />

Bad, nach Zeitung, Fernsehen,<br />

Zentralheizung und all<br />

den anderen Nettigkeiten unserer<br />

modernen Zeit. Diese<br />

neue Straße war mir zuwider.<br />

Auf der Autobahn wäre ich<br />

zwar auch im Stau gestanden,<br />

doch kannte ich dort immerh<strong>in</strong><br />

noch me<strong>in</strong>e Route, konnte<br />

die Strecke <strong>in</strong>nerlich vorausplanen,<br />

e<strong>in</strong>teilen und dabei<br />

wenigstens die Illusion haben,<br />

Herr me<strong>in</strong>es Weges zu se<strong>in</strong>.<br />

Angesichts dieser vielen e<strong>in</strong>leuchtenden<br />

Gedanken setzte<br />

ich irgendwann an e<strong>in</strong>er<br />

Kreuzung schnellentschlossen<br />

den Bl<strong>in</strong>ker und kehrte<br />

tatsächlich zum wohlbekannten<br />

Autobahnstau zurück!<br />

Es dauerte e<strong>in</strong>e Weile, bis<br />

mir die Tragweite dieser Entscheidung<br />

klar wurde. Hatte<br />

der „Himmelsstürmer“ nicht<br />

<strong>so</strong>eben den <strong>sicher</strong>en Weg dem<br />

unbekannten und abenteuerreichen<br />

vorgezogen? War<br />

<strong>das</strong> verbriefte Ankommen<br />

im Heim nun plötzlich doch<br />

wichtiger als die packende<br />

Dramatik e<strong>in</strong>es bisher noch<br />

unentdeckten Weges, der <strong>in</strong><br />

sich doch e<strong>in</strong>e – ach <strong>so</strong> kosmische<br />

– Erlebnisfülle barg?<br />

„Du bist <strong>wie</strong> e<strong>in</strong> Mensch,<br />

der vor zwei Türen mit den<br />

Aufschriften ,Vielleicht zum<br />

Glück‘ und ,Sicher <strong>in</strong>s Unglück‘<br />

steht. Du entscheidest<br />

dich, damit ja nichts Neues,<br />

Unberechenbares geschieht,<br />

viel zu oft für die ,<strong>sicher</strong>e‘<br />

Variante – mit allen schrecklichen<br />

Folgen!“ Diese Worte,<br />

die e<strong>in</strong>st auf me<strong>in</strong>e Partner<strong>in</strong><br />

gemünzt waren, klangen<br />

<strong>in</strong> mir nach, während ich zugleich<br />

hoffte, daß diese Weg-<br />

begleiter<strong>in</strong> von e<strong>in</strong>st mir me<strong>in</strong>en<br />

jugendlichen Eifer, me<strong>in</strong>e<br />

Dummheit verzeihen möge.<br />

„Glücklich ist, wer <strong>das</strong>,<br />

was er liebt, auch wagt, mit<br />

Mut zu beschützen …“ Hätte<br />

ich Ovid nur früher verstanden!<br />

Die Inschriften auf den<br />

Schicksalstüren waren mir<br />

nur deshalb als <strong>so</strong> widersprüchlich<br />

erschienen, weil<br />

ich me<strong>in</strong> eigenes Pr<strong>in</strong>zip, me<strong>in</strong>e<br />

Art, auf die Fragen des Lebens<br />

zu antworten, als e<strong>in</strong>zige<br />

„Wahrheit“ über den Weg<br />

und die Wirkweise me<strong>in</strong>er<br />

Partner<strong>in</strong> gestellt hatte. Dabei<br />

ist beides im Menschen verankert<br />

– der Vorwärtsdrang,<br />

die Streitsucht des Entdeckers,<br />

se<strong>in</strong> Wille, Brachland<br />

urbar zu machen und es den<br />

Klauen der unfertigen Dunkelheit<br />

zu entreißen, aber<br />

auch die stille Kraft des Verteidigers,<br />

der se<strong>in</strong> Lager aufrichtet,<br />

es bewahrt und gegen<br />

jede Unbill hält, für Nahrung<br />

und Pflege <strong>so</strong>rgt. Je nach Augenblick<br />

kann <strong>das</strong> e<strong>in</strong>e oder<br />

<strong>das</strong> andere wichtiger se<strong>in</strong>.<br />

E<strong>in</strong>e Rose blüht <strong>in</strong> unbekanntes<br />

Terra<strong>in</strong> h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, erstreitet<br />

sich mit Duft, Form<br />

und Farbe leeres Niemandsland,<br />

doch immer <strong>sicher</strong>t sie<br />

den neuen Lebensraum auch<br />

mit ihren Dornen ab!<br />

Autor<br />

Mehmet Yesilgöz<br />

naturscheck w<strong>in</strong>ter 2010<br />

79<br />

Kunst & Kultur

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