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10/2015 – 01/2016

Fritz + Fränzi

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Dossier<br />

Hier antwortet Psychologin<br />

Nadine Zimet auf die sieben häufigsten<br />

Vorbehalte gegen straflose Erziehung<br />

1. Eltern haben weder die Zeit noch die Nerven,<br />

jedes Fehlverhalten ihres Kindes ausführlich zu<br />

bereden.<br />

Tausendmal das Gleiche zu sagen (wie etwa: «Wasch<br />

die Hände!», «Sei nicht so grob!», «Stell den PC ab!»),<br />

kostet auch viel Nerven, Ärger und Zeit. Fehlverhalten<br />

entsteht immer aus einem Bedürfniskonflikt zwischen<br />

Eltern und Kind. Das Gespräch über Bedürfnisse und<br />

Strategien bringt Verständnis, Verbundenheit und<br />

die Bereitschaft, andere Strategien zu entwickeln,<br />

die für alle akzeptabel sind und somit nicht mehr zu<br />

Fehlverhalten führen. Die Zeit, die es braucht, um<br />

dies zu lernen, ist eine schöne Zeit. Wir entschleunigen<br />

und vereinfachen die Kommunikation. Denn für<br />

Kinder sprechen wir immer zu schnell, zu viel und am<br />

Thema vorbei. Teilen wir ihnen unsere Bedürfnisse<br />

nicht mit, bleiben wir für sie wie ein versiegeltes Buch.<br />

Zwar spüren sie unsere Wut, aber sie verstehen nicht,<br />

welche Bedürfnisse hinter unserer Wut schlummern<br />

und nicht respektiert worden sind. Dieses Verständnis<br />

ist der erste Schritt, um Konflikte langfristig zu lösen,<br />

Fehlverhalten zu vermeiden oder nachhaltig zu<br />

ändern.<br />

2. Eine Konfliktlösung in wenigen Schritten ist<br />

nicht praktikabel, weil sich im Alltag mit Kindern<br />

laufend neue Konflikte ergeben, die nach einer<br />

raschen Lösung verlangen.<br />

Die Schritte sind leicht verständlich und mit etwas<br />

Übung schnell durchgeführt, während sich Machtkämpfe<br />

jedoch wiederholen, Sieg und Niederlage<br />

entzweien und die Stimmung verderben.<br />

3. Gerade weil Kinder ihre Bedürfnisse oft nicht<br />

kennen, brauchen sie klare Ansagen von Erwachsenen.<br />

Es lohnt sich, die Zeit aufzubringen, um Kinder in<br />

Kontakt mit ihren Gefühlen und Bedürfnissen zu<br />

bringen und ihnen Wege zu zeigen, wie sie diese<br />

erfüllen und gleichzeitig auch die Bedürfnisse anderer<br />

respektieren können. Das macht Kinder empathisch,<br />

autonom und stark.<br />

4. Spätestens dann, wenn Kinder, die ohne<br />

Bestrafung aufwachsen, in einer Konfliktsituation<br />

auf Kinder treffen, die «herkömmlich» erzogen<br />

wurden, funktioniert die Methode nicht.<br />

Kinder lernen schneller als Erwachsene. Sie werden<br />

zu Experten im Lösen von Konflikten. Sie sagen, was<br />

sie fühlen und brauchen, ohne die anderen anzuklagen,<br />

und wissen, wie sie für sich Verantwortung<br />

übernehmen können.<br />

5. Es wird Eltern niemals gelingen, das Umfeld ihres<br />

Kindes (Schule, Nachbarschaft) in ihre straflose<br />

Erziehungsmethode einzubeziehen.<br />

Familien, die gelassen reagieren, sind beliebt und<br />

inspirieren durch ihre besonnene Art Nachbarschaft<br />

und Schule.<br />

6. Kinder sind auf authentische Reaktionen von<br />

Erwachsenen angewiesen. Diese dürfen auch<br />

einmal wütend ausfallen. Echte, authentische<br />

Interaktion geht verloren, wenn Eltern jedes Mal<br />

versuchen, ein Problem vernünftig mit dem Kind<br />

zu reflektieren.<br />

Wenn Vater oder Mutter wütend sind, fühlt sich das<br />

Kind schuldig, weil es denkt, dass es etwas falsch<br />

gemacht hat und sich ändern muss. Diese Schuldgefühle<br />

überfordern das Kind. Authentisch wäre es,<br />

zu sagen: «Ich bin wütend, weil ich jetzt dringend Ruhe<br />

brauche», und mit dem Kind darüber zu sprechen<br />

und ihm Zeit zu geben, dies zu verstehen.<br />

7. Nicht jeder Konfliktsituation mit Kindern liegt<br />

ein tieferes kindliches Bedürfnis zugrunde.<br />

Manchmal wollen Kinder einfach nur Grenzen austesten,<br />

eine Reaktion provozieren, ausprobieren,<br />

wie weit sie gehen können.<br />

An dem Punkt ist der Machtkampf, wer der Stärkere<br />

ist und wer recht behält, bereits in vollem Gange …<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>623

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