10/2015 – 01/2016
Fritz + Fränzi
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Psychologie & Gesellschaft<br />
Mehr Platz für Kinder!<br />
Öffentliche Räume zum Spielen werden immer rarer, und die Angst der Eltern<br />
vor Gefahren wird grösser. Dabei ist unbeaufsichtigtes Spielen für eine<br />
gesunde Entwicklung wichtig. Deshalb hat Pro Juventute die Kampagne<br />
«Mehr Platz für Kinder!» lanciert, bei der Kinder als Experten Spielplätze<br />
bewerten können. Text: Susan Edthofer<br />
Hier geht es nicht mehr weiter. Der Weg<br />
führt über die Brücke und nicht durch<br />
den Wald», ruft Karla ihren Freunden<br />
zu. «Wir müssen umkehren.» Umgehend<br />
machen die Kinder kehrt. «Hey,<br />
Leute, aufgepasst, das ist keine gewöhnliche Brücke,<br />
sondern eine Hängebrücke. Es wackelt ziemlich, und<br />
ihr müsst euch festhalten», warnt Jorin. Zögerlich die<br />
einen, wagemutig und unerschrocken die andern, überqueren<br />
die Kinder die Brücke. Auf der anderen Seite<br />
angekommen, bemerkt Mirjam mit leicht besorgter<br />
Miene, wie sich dicke Gewitterwolken zusammenballen.<br />
«Beeilt euch, ein Gewitter ist im Anzug. Hoffentlich<br />
schaffen wir es noch bis zur Hütte, ohne nass zu werden.»<br />
So intensiv und spannend kann das Zusammensein<br />
mit Gleichaltrigen sein.<br />
Doch der neunjährige Timo erlebt dieses Abenteuer<br />
nicht wirklich, sondern zu Hause am Bildschirm. Noch<br />
packender wäre dieser Ausflug, wenn er in der realen<br />
Welt und mit richtigen Freunden stattfinden würde.<br />
Primarschulkinder brauchen Angebote, um in der näheren<br />
Umgebung ihres Zuhauses herumzutollen <strong>–</strong> auch<br />
mal ausser Sichtweite von Erwachsenen.<br />
Öffentlicher Spielraum wird rar<br />
Für viele Kinder ist das Spielen im Freien aus unterschiedlichen<br />
Gründen kaum möglich. Vielleicht ist die<br />
Wohnsituation so, dass es in der näheren Umgebung gar<br />
keine Spielmöglichkeiten gibt. Oder die Eltern haben<br />
Angst um ihr Kind und verbieten das unbeaufsichtigte<br />
Spielen im Freien. Laut einer aktuellen Studie haben in<br />
Deutschland vier von zehn Kindern in ihrem Wohnumfeld<br />
kaum die Möglichkeit, frei und unbeaufsichtigt zu<br />
spielen. Erfahrungswerte aus der Schweiz ergeben ein<br />
ähnliches Bild. Dabei werden beim Rennen, Klettern<br />
oder Purzelbaumschlagen Ausdauer und Beweglichkeit<br />
gefördert, beim Balanceakt über Stämme oder schmale<br />
Mauern wird das Gleichgewicht verbessert.<br />
Im Spiel lernen Kinder, aufeinander einzugehen, sich<br />
in einer Gruppe zu organisieren und allfällige Kon flikte<br />
selbst auszutragen. Eltern, die ihren Kindern solche<br />
Eigenständigkeit zugestehen, helfen das<br />
Selbstvertrauen zu stärken und die Selbständigkeit<br />
zu fördern. Da nicht alle Kinder<br />
das Privileg haben, in einem Haus mit Garten<br />
aufzuwachsen, und öffentliche Spiel orte<br />
zunehmend seltener werden, wurde Pro<br />
Juventute aktiv. Mit der nationalen Kampagne «Mehr<br />
Platz für Kinder!» macht die Stiftung darauf aufmerksam,<br />
dass es auch in der Schweiz immer weniger kinderfreundliche<br />
Räume gibt.<br />
Spielorte mit Aufforderungscharakter<br />
Raum zum Spielen ist nicht bloss eine gutgemeinte, kinderfreundliche<br />
Idee, sondern ein grundlegendes Recht,<br />
das Kindern laut UN-Kinderrechtskonvention zusteht.<br />
Das Recht auf Spiel steht in wechselseitiger Verbindung<br />
mit anderen Kinderrechten wie beispielsweise dem Recht<br />
auf Beteiligung. Dieses bedeutet, Kinderanliegen ernst<br />
zu nehmen und Kindern zu ermöglichen, ihre Meinung<br />
kundzutun. Mit der Kinder-App «Mehr Platz für dich!»<br />
kommt Pro Juventute dieser Forderung nach. Als Spielexpertinnen<br />
und Spielexperten können Kinder öffentliche<br />
Spielplätze auskundschaften und bewerten.<br />
Spielplätze werden oft aus Sicht von Erwachsenen<br />
konzipiert, und bei der Spielplatzgestaltung wird nicht<br />
selten über die Köpfe von Kindern hinweg entschieden.<br />
Damit Spielräume attraktiv und ansprechend sind, müssen<br />
die Bedürfnisse der Kinder besser ausgelotet und<br />
die jungen Akteure direkt miteinbezogen werden.<br />
«Spielplätze werden<br />
oft ohne Kinder<br />
geplant und<br />
umgesetzt.»<br />
Susan Edthofer ist Redaktorin<br />
im Bereich Kommunikation<br />
von Pro Juventute.<br />
Pro Juventute: Kinderkampagne «Mehr Platz für Kinder!»<br />
Die Kampagne macht darauf aufmerksam, dass Kinder Freiraum brauchen,<br />
um gesund aufzuwachsen. Mit der Kinder-App können Kinder ihre<br />
Umgebung erkunden und im Freiraum-Game anzeigen, wo es ihnen gefällt.<br />
Gratis-Download und weitere Informationen und Materialien zum Thema<br />
unter www.projuventute.ch/freiraum. Individuelle Beratung finden Eltern<br />
bei der Pro Juventute Elternberatung, Telefon 058 261 61 61 oder im<br />
Internet unter www.projuventute-elternberatung.ch.<br />
Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />
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