10/2015 – 01/2016
Fritz + Fränzi
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Elterncoaching<br />
Wenn Kinder<br />
ständig jammern<br />
«Die Frau Weber ist so ungerecht! Weisst du, was die heute gemacht<br />
hat?» Frau Klein weiss es nicht <strong>–</strong> und sie würde es eigentlich gerne dabei<br />
belassen. Stattdessen setzt sie sich hin und sagt: «Nein, was war denn?»<br />
Fabian Grolimund<br />
ist Psychologe und Autor («Mit<br />
Kindern lernen»). In der Rubrik<br />
«Elterncoaching» beantwortet<br />
er Fragen aus dem Familienalltag.<br />
Der 36-Jährige ist verheiratet<br />
und Vater eines Sohnes, 3, und<br />
einer Tochter, 9 Monate. Er lebt<br />
mit seiner Familie in Freiburg.<br />
www.mit-kindern-lernen.ch<br />
www.biber-blog.com<br />
Manche Kinder sind<br />
richtige kleine<br />
Pessimisten. Sie<br />
sehen jedes Problem,<br />
jede Ungerechtigkeit,<br />
alles, was falsch läuft.<br />
Und sie reden darüber <strong>–</strong> fast pau <br />
senlos. Die Eltern können sich teilweise<br />
gar nicht vorstellen, woher das<br />
kommt, und helfen, so gut sie können:<br />
durch Zuhören, mit Verständnis,<br />
Beschwichtigen, Tipps und Vorschlägen.<br />
Jammern hat oft verdeckte Gründe<br />
Bei Kindern, die sehr oft jammern,<br />
hat man als Eltern das Gefühl, gegen<br />
Windmühlen zu kämpfen. Kaum ist<br />
ein Problem gelöst, taucht schon ein<br />
neues auf. Es scheint den Kindern<br />
eher darum zu gehen, ein Problem<br />
zu haben, als es zu lösen. Dieser<br />
Gedanke führt auf die richtige Spur.<br />
Oft erfüllt das Jammern einen<br />
Zweck, der Kind und Eltern verborgen<br />
bleibt: Es befriedigt wichtige<br />
Bedürfnisse. Die Frage ist dann nur:<br />
welche?<br />
Erzählt ein Kind von einem<br />
Problem, hat es sofort die<br />
ungeteilte Aufmerksamkeit<br />
der Eltern.<br />
Für Kinder ist das Jammern eine<br />
Möglichkeit, fast sofort das Interesse<br />
und die Aufmerksamkeit der Eltern<br />
zu erlangen. Fast nie hören Eltern so<br />
intensiv zu, wie wenn ihr Kind von<br />
einem Problem erzählt. Sofort sind<br />
wir hellwach und ganz Ohr. Manche<br />
Kinder registrieren diesen Zusammenhang<br />
zwischen einer intensiven<br />
Beziehungserfahrung und dem Jammern<br />
unbewusst. Sie haben gelernt:<br />
Auf diese Weise kann ich Nähe und<br />
Intimität herstellen und bekomme<br />
das Gefühl, dass sich jemand um<br />
mich kümmert.<br />
Auch für Eltern ist diese Situation<br />
zunächst oft mit positiven Gefühlen<br />
verbunden. Sie hören zu, zeigen Verständnis,<br />
helfen und dürfen erleben,<br />
wie sich die Miene des Kindes aufhellt,<br />
da sie ihm haben helfen können,<br />
ein Problem zu lösen oder eine<br />
Situation anders zu sehen. Auch für<br />
die Eltern stellt dies eine schöne<br />
Beziehungserfahrung dar. Zudem<br />
fühlen sie sich kompetent und anerkannt.<br />
Sie machen die Erfahrung:<br />
Ich bin wichtig für mein Kind!<br />
Dies zeigt sich manchmal darin,<br />
dass ein Elternteil stolz darauf ist,<br />
dass das Kind mit Problemen zu ihm<br />
kommt <strong>–</strong> dem verständnisvollen<br />
Elternteil, der sich auf das Kind einlässt.<br />
Manchmal entwickelt sich aus<br />
diesen Prozessen heraus ein Teufels<br />
52 Dezember <strong>2<strong>01</strong>5</strong> / Januar 2<strong>01</strong>6 Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi