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Urban Garden<strong>in</strong>g<br />
Komm, wir essen<br />
unsere Stadt!<br />
Grau war gestern. Die Stadt <strong>der</strong> Zukunft ist grün. Aus lange<br />
vernachlässigten Plätzen s<strong>in</strong>d blühende Orte <strong>der</strong> Begegnung geworden: Dank<br />
Urban Garden<strong>in</strong>g können Großstädter ihr Bio-Gemüse mitten im e<strong>in</strong>stigen<br />
Beton-Dschungel ernten, kle<strong>in</strong>er Nachbarschafts-Plausch <strong>in</strong>klusive.<br />
Von: Carmen Schnitzer<br />
Essbare Städte, fahrende Gärten, vertikale Blumenwiesen.<br />
Lange prägten Glas, Beton und Leuchtreklamen mo<strong>der</strong>ne<br />
Stadtbil<strong>der</strong>, doch seit e<strong>in</strong>igen Jahren erobert sich<br />
die Natur ihren Lebensraum zurück – engagierten Städtern<br />
sei Dank. Da werden mitten <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-Kreuzberg<br />
Kartoffeln geerntet. Da rollen durch Barcelona Gärten,<br />
die auf Bus- und Truckdächern wachsen. Da tauschen<br />
allerorten städtische Hobbygärtner die besten Anbautipps<br />
aus. Und <strong>in</strong> <strong>der</strong> „essbaren Stadt“ An<strong>der</strong>nach am<br />
Mittelrhe<strong>in</strong> freuen sich die Bewohner an <strong>der</strong> Schönheit<br />
von buntstieligem Mangold, den sie, wie viele weitere<br />
Gemüse- und Obstsorten e<strong>in</strong>fach aus den städtischen<br />
Parks und Anlagen mit nach Hause nehmen dürfen.<br />
„Urban Garden<strong>in</strong>g“ heißt <strong>der</strong> Trend, <strong>der</strong> nicht mehr<br />
aufzuhalten sche<strong>in</strong>t, „Städtisches <strong>Gärtnern</strong>“ also.<br />
Grundsätzlich gab es das auch schon zu Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Industrialisierung,<br />
als <strong>der</strong> schnelle Transport ver<strong>der</strong>blicher<br />
Lebensmittel <strong>in</strong> die <strong>City</strong>s noch nicht gewährleistet und<br />
man daher auf Gärten <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Stadtgrenzen angewiesen<br />
war. Die mo<strong>der</strong>ne Variante des Ganzen jedoch<br />
hat an<strong>der</strong>e H<strong>in</strong>tergründe, die ihre Anfänge <strong>in</strong> den 1970er-<br />
Jahren nahmen. Se<strong>in</strong>erzeit entwickelte sich <strong>in</strong> westlichen<br />
Großstädten, vor allem <strong>in</strong> London und New York, e<strong>in</strong>e politische<br />
Protest-Bewegung namens „Guerilla Garden<strong>in</strong>g“.<br />
Darunter verstand und versteht man das heimliche und<br />
<strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel illegale Bepflanzen städtischer Flächen. E<strong>in</strong><br />
friedliches Zeichen gegen die Monokulturen <strong>der</strong> Agrar-<br />
Industrie und die „Betreten verboten!“-Politik <strong>der</strong> Städte.<br />
Beliebtes Hilfsmittel: Sogenannte „Samenbomben“,<br />
handliche Kugeln aus Kompost und Tonerde, <strong>in</strong> die e<strong>in</strong><br />
Mix aus Pflanzensamen gemischt wird. Diese Bällchen<br />
werden an geeigneten Plätzen mit Erde ausgesetzt und<br />
quellen nach den ersten Regengüssen auf, sodass die Samen<br />
zu treiben beg<strong>in</strong>nen. Woraufh<strong>in</strong> auf bis dah<strong>in</strong> öden<br />
Flächen grüne Lichtblicke entstehen.<br />
Geme<strong>in</strong>sam gegen Sorten-E<strong>in</strong>erlei<br />
Mittlerweile werden zwar h<strong>in</strong> und wie<strong>der</strong> noch „Samenbomben“<br />
geworfen, doch gängiger als das heimliche ist<br />
heutzutage das offene <strong>Gärtnern</strong>, für das viele Städte<br />
ihren Bewohnern unbenutzte Freiflächen offiziell zur<br />
Verfügung stellen bzw. die Nutzung stillschweigend<br />
h<strong>in</strong>nehmen. Zu den bekanntesten Projekten urbaner<br />
Landwirtschaft gehört <strong>der</strong> Pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong>nengarten am<br />
Berl<strong>in</strong>er Moritzplatz, <strong>der</strong> jahrzehntelang brach gelegen<br />
hatte, bis ihn 2009 gut 100 Freiwillige vom Müll befreit<br />
und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e Kreuzberger Oase verwandelt haben.<br />
Tausende von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n und Erwachsenen, Künstlern<br />
und Nachbarn, Laien und Profi-<strong>Gärtnern</strong> sorgen seitdem<br />
dafür, dass hier weiter wächst, blüht und gedeiht,<br />
was die Natur <strong>in</strong> unseren Breitengraden zulässt.<br />
Denn das ist e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> zentralen Punkte, die beim Urban<br />
Garden<strong>in</strong>g im Vor<strong>der</strong>grund stehen und es als Teil<br />
e<strong>in</strong>es gesamtgesellschaftlichen Trends erkennen lassen:<br />
die H<strong>in</strong>wendung zum Regionalen, das Wie<strong>der</strong>entdecken<br />
fast vergessener Pflanzen wie die Kartoffelsorte „Blauer<br />
Schwede“ o<strong>der</strong> <strong>der</strong> e<strong>in</strong>gangs erwähnte buntstielige<br />
Mangold. H<strong>in</strong>ter dem Anbau dieser alten Gemüse<br />
steckt mehr als bloße Nostalgie: Er ist auch e<strong>in</strong> Protest<br />
gegen die Sortenarmut <strong>in</strong> den Supermärkten, gegen die<br />
von Konzernen wie Monsanto erstrebte gentechnische<br />
Vere<strong>in</strong>heitlichung von Saatgut zu Lasten e<strong>in</strong>er freien,<br />
natürlichen Wild- und Kulturpflanzen-Vielfalt. Ebenfalls<br />
typisch für die neue Gartenkultur: <strong>der</strong> Anbau <strong>in</strong><br />
Kisten o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en transportablen Behältnissen, <strong>der</strong><br />
die Mobilität <strong>der</strong> Gärten gewährleistet. Schließlich<br />
ist nicht ausgeschlossen, dass die heute brachliegende<br />
Fläche e<strong>in</strong>es Tages doch bebaut o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>weitig benutzt<br />
werden soll. Gerne werden daher beim urbanen<br />
<strong>Gärtnern</strong> auch mal Tetrapacks aufgeschnitten, um<br />
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