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Gärtnern in der City

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Zu Hause fühlen<br />

Bessere Chancen haben wir auf e<strong>in</strong>e<br />

an<strong>der</strong>e Form von Glück: Wohlige, heimelige<br />

Zufriedenheitsgefühle, Geborgenheit,<br />

Sicherheit, Stärke. Dazu müssen ganz verschiedene<br />

Hormone an den Schnittstellen<br />

unserer Nervenzellen, den Synapsen, Reaktionen<br />

auslösen. Seroton<strong>in</strong> und Oxytoc<strong>in</strong><br />

s<strong>in</strong>d zwei <strong>der</strong> prom<strong>in</strong>entesten Beispiele,<br />

wenn es um Zuversicht und Vertrauen geht.<br />

E<strong>in</strong>e gute Investition kann demnach das<br />

Traumhaus se<strong>in</strong>. Nicht unbed<strong>in</strong>gt, wenn<br />

wir es vom teuersten In-Architekten mit<br />

dem modischsten Hightech am angesagtesten<br />

„Place to be“ des Jahres bauen lassen.<br />

Son<strong>der</strong>n genau so, wie es unserer Seele<br />

e<strong>in</strong> Zuhause gibt, weil wir uns dar<strong>in</strong> wohl<br />

und sicher fühlen; e<strong>in</strong>es, wo wir viel Platz<br />

haben, um je<strong>der</strong>zeit all die Menschen zu<br />

beherbergen, die wir lieben.<br />

Überhaupt, die Liebe. Sie ist <strong>der</strong> Glücksquell<br />

überhaupt. Das kl<strong>in</strong>gt nur deshalb so<br />

banal, weil sie selten <strong>in</strong> all ihren Dimensionen<br />

geschätzt und gepflegt wird. Schon die<br />

Liebe zu Familie, Freunden, „dem e<strong>in</strong>en“<br />

o<strong>der</strong> „<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en“ vernachlässigen wir im<br />

Alltag viel zu oft. Noch weniger Wertschätzung<br />

erfahren aber Erlebnisse, <strong>in</strong> denen wir<br />

ganz aufgehen können. Mit soviel Liebe,<br />

dass wir alles um uns vergessen. Das kann<br />

das S<strong>in</strong>gen im Chor se<strong>in</strong>, Theaterspielen,<br />

das Lernen e<strong>in</strong>er neuen Sprache ... Wenn<br />

nur das, was wir da tun, uns wirklich <strong>in</strong><br />

unserem Innersten berührt, uns ganz <strong>in</strong><br />

uns selbst zu Hause und so angstfrei se<strong>in</strong><br />

lässt, dass wir ganz von alle<strong>in</strong>e alle Masken<br />

fallen lassen. Nicht nur K<strong>in</strong><strong>der</strong> sehen<br />

<strong>in</strong> Momenten <strong>der</strong> „selbstvergessenen“<br />

H<strong>in</strong>gabe ans Hier und Jetzt am schönsten<br />

aus, son<strong>der</strong>n je<strong>der</strong> von uns. Weil wir unser<br />

Selbst dabei gar nicht vergessen, son<strong>der</strong>n es<br />

e<strong>in</strong>fach leben. Was wir vergessen, s<strong>in</strong>d die<br />

Konstrukte – gesellschaftliche wie <strong>in</strong>dividuelle<br />

– <strong>in</strong> unseren Köpfen, wie wir selbst<br />

und unsere Umwelt se<strong>in</strong> sollten.<br />

Dabei hat jedes dieser Erlebnisse noch ganz<br />

eigene Glückspotenziale. Regelmäßiges<br />

S<strong>in</strong>gen im Chor zum Beispiel för<strong>der</strong>t nachweislich<br />

e<strong>in</strong>e positive Gestimmtheit sowohl<br />

im eigenen Körper als auch <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong><br />

Geme<strong>in</strong>schaft. Folge: Über den Speichel<br />

lassen sich bei regelmäßigen wöchentlichen<br />

Treffen schon nach wenigen Monaten e<strong>in</strong><br />

stärkeres Immunsystem, weniger Stress<br />

und e<strong>in</strong> höherer Oxytoc<strong>in</strong>spiegel nachweisen.<br />

Letzterer zeugt von stärkeren sozialen<br />

B<strong>in</strong>dungen und Geborgenheitsgefühlen.<br />

Sucht, die glücklich macht<br />

Wenn wir uns als Schauspieler auf die<br />

Bühne wagen, haben wir wahrsche<strong>in</strong>lich<br />

wochenlang viel Text gelernt, uns <strong>in</strong>tensiv<br />

mit menschlichen Eigenschaften und<br />

Ausdrucksformen beschäftigt, dabei ganz<br />

neue Gefühle bei uns selbst und an<strong>der</strong>en<br />

wahrgenommen … und mit all dem stehen<br />

wir schließlich h<strong>in</strong>ter e<strong>in</strong>er Bühne, auf <strong>der</strong>en<br />

an<strong>der</strong>en Seite immer mehr Menschen<br />

den Zuschauerraum betreten. Wir spüren<br />

unsere Unruhe im Magen, müssen dr<strong>in</strong>gend<br />

noch mal auf Toilette, s<strong>in</strong>d leicht zittrig<br />

und haben schweißnasse Hände. E<strong>in</strong>e<br />

große Herausfor<strong>der</strong>ung wartet auf uns,<br />

wir s<strong>in</strong>d entsprechend aufgeregt, aber an<strong>der</strong>erseits<br />

freuen wir uns auch wahns<strong>in</strong>nig<br />

darauf, dass sie endlich losgeht, die Aufführung,<br />

auf die wir seit Wochen h<strong>in</strong>arbeiten.<br />

Die typische Reaktion unseres Gehirns:<br />

Lampenfieber. An<strong>der</strong>s ausgedrückt: E<strong>in</strong>e<br />

gehörige Portion Dopam<strong>in</strong>. Gut für uns.<br />

Denn es sorgt erst mal dafür, dass h<strong>in</strong>ter<br />

<strong>der</strong> Stirn alles optimal verschaltet wird<br />

– und macht uns extrem wach und leistungsfähig.<br />

Dabei führen die komplizierten<br />

Wechselwirkungen mit den körpereigenen<br />

Morph<strong>in</strong>en – den Endomorph<strong>in</strong>en – im<br />

Nachh<strong>in</strong>e<strong>in</strong> zum Glücksgefühl. Und ja,<br />

<strong>der</strong> Chemie-Cocktail kann tatsächlich<br />

süchtig machen – aber <strong>in</strong> diesem Fall nach<br />

dem Gang auf die Bühne, nicht nach e<strong>in</strong>er<br />

Spritze.<br />

Der große Unterschied: Die Nebenwirkungen<br />

s<strong>in</strong>d im Allgeme<strong>in</strong>en ausschließlich positiv.<br />

Vor allem neue Vernetzungen <strong>in</strong> unserer<br />

„Schaltzentrale“ werden so beständig aufgebaut.<br />

Das hält geistig jung. Und kann<br />

immer wie<strong>der</strong> neue Lust auslösen. Denn dass<br />

Lernen e<strong>in</strong>e existenziell wichtige Tätigkeit<br />

ist, dieses Wissen ist ganz tief e<strong>in</strong>gebrannt<br />

<strong>in</strong> unseren Genen. Entsprechend hoch ist<br />

<strong>der</strong> Lustgew<strong>in</strong>n, wenn wir zum ersten Mal<br />

erfolgreich unseren Kaffee <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en<br />

Sprache bestellen, mit dem Surfbrett die<br />

perfekte Welle erwischen o<strong>der</strong> die Eskimorolle<br />

im Kajak h<strong>in</strong>bekommen. Und je mehr hart<br />

erarbeitete Erfolgserlebnisse wir gesammelt<br />

haben, desto mehr werden wir beim nächsten<br />

Mal wie<strong>der</strong> belohnt. Beson<strong>der</strong>s, wenn wir uns<br />

an etwas ganz Neues wagen, es uns erkennbar<br />

nicht leicht gemacht haben, und am besten<br />

Koord<strong>in</strong>ation und Muskeln sich dabei auch<br />

entwickeln können. Dann ist von langweiliger<br />

Gewöhnung ke<strong>in</strong>e Spur.<br />

Übrigens funktionieren solche Umbaumaßnahmen<br />

im Gehirn nicht nur im Positiven.<br />

Unser Denkorgan kann sich auch auf Angst<br />

und Abwehr e<strong>in</strong>stellen, wenn es durch h<strong>in</strong>reichend<br />

negative Erlebnisse lernt, allen<br />

Missmut verursachenden Informationen<br />

Vorrang zu geben. Das geschieht e<strong>in</strong>fach<br />

aus Effizienzgründen – die Erfahrungen<br />

<strong>der</strong> Vergangenheit sche<strong>in</strong>en nahezulegen,<br />

dass es grundsätzlich viel Verdruss zu verarbeiten<br />

gibt und man besser gut darauf<br />

vorbereitet se<strong>in</strong> sollte.<br />

„Positives Denken<br />

macht krank“<br />

Der häufig erteilte Rat zum „positiven<br />

Denken“ hat <strong>in</strong>sofern durchaus e<strong>in</strong>e wissenschaftliche<br />

Grundlage. Nur simplifiziert<br />

er die D<strong>in</strong>ge lei<strong>der</strong> so sehr, dass im Extremfall<br />

daraus dann wirklich schwerwiegende<br />

Probleme erwachsen können. „Positives<br />

Denken macht krank“, sagt dazu <strong>der</strong> Psychologe<br />

und Psychotherapeut Günter<br />

Scheich – und hat diese These provokanterweise<br />

gleich zum Buchtitel gemacht.<br />

Er weist damit auf Wesentliches h<strong>in</strong>: die<br />

Auffor<strong>der</strong>ung zum „positiven Denken“ ist<br />

<strong>in</strong> unserer Gesellschaft so omnipräsent und<br />

so verkürzt, dass wir e<strong>in</strong>em starken Druck<br />

ausgesetzt s<strong>in</strong>d, zwanghaft alle negativen<br />

Gedanken im Keim zu ersticken. Wer<br />

diesem Druck dauerhaft nachgibt, wird<br />

krank. Denn er entwickelt e<strong>in</strong>e panische<br />

Angst vor <strong>der</strong> verme<strong>in</strong>tlich ach so dunklen<br />

Seite se<strong>in</strong>er Seele. Dabei handelt es sich um<br />

Affekte, Gedanken und Gefühle, die Teil<br />

e<strong>in</strong>er jeden Persönlichkeit s<strong>in</strong>d – und <strong>in</strong><br />

VEGAN World N O 05<br />

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