Der Kaffee - Philosoph
Firmenporträt: Murnauer Kaffeerösterei Von <strong>der</strong> Plantage <strong>in</strong> die Tasse – Thomas Eckel, Geschäftsführer <strong>der</strong> Murnauer Kaffeerösterei, setzt auf direkten Austausch und Handel. Denn neben se<strong>in</strong>en geliebten Bohnen liegen ihm auch die Menschen am Herzen. Die fernen Erntehelfer ebenso wie die Kaffeegenießer zu Hause. Von: Carmen Schnitzer Selbst durchs Telefon ist se<strong>in</strong>e Rührung spürbar. Thomas Eckels Stimme bebt, als er von se<strong>in</strong>em Treffen mit e<strong>in</strong>em costaricanischen Vorarbeiter erzählt. Dem hatte er bei e<strong>in</strong>em Besuch auf <strong>der</strong> dortigen Plantage e<strong>in</strong> Päckchen Kaffee mitgebracht – „von ihm geerntet, von mir geröstet“ – und sich herzlich bedankt. „Für die harte Arbeit und die gute Qualität, die er liefert. Dieser vielleicht 55-jährige Mann hat sich so gefreut! Vermutlich hat er noch nie e<strong>in</strong> solches Feedback aus e<strong>in</strong>em Endverbraucherland bekommen. Das war e<strong>in</strong> wirklich emotionaler Moment.“ Begegnungen wie diese s<strong>in</strong>d dem Geschäftsführer <strong>der</strong> Murnauer Kaffeerösterei (www.murnauer-kaffeeroesterei.de) wichtig. Denn er setzt bereits seit Jahren auf e<strong>in</strong> System, das anfangs noch gar ke<strong>in</strong>en Namen hatte und heute unter dem Begriff „Direct Trade“ bekannt ist: den Bezug des Rohstoffs direkt von <strong>der</strong> Plantage. „Echter Direct Trade“, wie Eckel im Gespräch betont. Das heißt: Die Geschäftsbeziehungen gehen weit über Telefonkontakt sowie Onl<strong>in</strong>e-Austausch von Bil<strong>der</strong>n und Informationen h<strong>in</strong>aus. Es gibt Ansprechpartner vor Ort, die nach dem Rechten sehen, mit Mitarbeitern sprechen, für Verbesserungen sorgen und ausbilden. Gerade Letzteres ist e<strong>in</strong> wichtiger Punkt: „Wir wollen das Wissen vermitteln, das die Bauern für die Qualitätsentwicklung brauchen – mit dem Ziel, dass sie ihre eigene Situation verbessern können. Wenn man e<strong>in</strong>fach nur aus Mitleid mehr Geld zahlt, dann ist das Ganze eher e<strong>in</strong> soziales Projekt. Mit Mitleid verän<strong>der</strong>t man die Welt nicht.“ Geme<strong>in</strong>sam gew<strong>in</strong>nen Kann man das, <strong>in</strong>dem man als Europäer daherkommt und den late<strong>in</strong>amerikanischen o<strong>der</strong> afrikanischen Bauern erzählt, was sie zu tun und zu lassen haben? Thomas Eckel lacht. Klar gäbe es dabei auch mal kulturelle Herausfor<strong>der</strong>ungen und Verständigungsschwierigkeiten, die es zu überw<strong>in</strong>den gelte. Und klar rufe mal die e<strong>in</strong>e Hälfte des Dorfes: „Was hat uns dieser Gr<strong>in</strong>go zu sagen?“ Die an<strong>der</strong>e Hälfte aber entgegne: „Dieser Gr<strong>in</strong>go hat uns letztes Jahr den doppelten Kaffeepreis bezahlt. Vielleicht sollten wir ihm mal zuhören.“ Beide Seiten müssen aufe<strong>in</strong>an<strong>der</strong> zugehen – um letztlich beide zu gew<strong>in</strong>nen. Thomas Eckel, <strong>in</strong>dem er für se<strong>in</strong> Unternehmen Kaffee von bester Qualität erhält, die Bauern, <strong>in</strong>dem sie mehr Geld bekommen und darüber h<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong>e verbesserte Infrastruktur sowie gute Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen, im E<strong>in</strong>klang mit <strong>der</strong> sie umgebenden Natur. „Wenn wir merken, dass e<strong>in</strong> Plantagenmanager se<strong>in</strong>e Leute ausbeutet, dann handeln wir nicht mit ihm. Den Fall gab es z.B. e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> Ruanda. Der Kaffee war top, wir hätten ihn gerne gekauft, aber die Philosophie passte nicht.“ Zu dieser gehört, dass auf den Plantagen soziale und ökologische Projekte umgesetzt sowie faire, feste Löhne gezahlt werden. Dass dies alles gewährleistet wird, davon überzeugen sich Thomas Eckel und se<strong>in</strong> Team regelmäßig vor Ort. „Das Geld, das mich z.B. e<strong>in</strong>e Fairtrade- Zertifizierung kosten würde, stecke ich lieber <strong>in</strong> solche Reisen, spreche mit den Leuten, drehe e<strong>in</strong>en Film und stelle diesen auf die Website, damit sich me<strong>in</strong>e Kunden selbst e<strong>in</strong> Bild machen können.“ Fragen gibt es natürlich trotzdem, und das ist Eckel nur recht. Er schätzt kritische Kundschaft und setzt auf hun<strong>der</strong>tprozentige Transparenz: „Sie bekommen immer Antworten. Selbst bei D<strong>in</strong>gen wie me<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>kaufspreisen, me<strong>in</strong>er Kalkulation. Und natürlich bei <strong>der</strong> Rezeptur. Wissen Sie, dass es noch vor zehn Jahren kaum sortenre<strong>in</strong>e Kaffees auf dem deutschen Markt gab? Da verkauften Hun<strong>der</strong>te Bauern ihre Ernte an e<strong>in</strong>en Aufkäufer, <strong>der</strong> wie<strong>der</strong>um an e<strong>in</strong>e Kooperative, die an e<strong>in</strong>e Schälmühle, <strong>der</strong> europäische Importeur mixte wie<strong>der</strong> … Und wenn Sie dann nach <strong>der</strong> Rezeptur für e<strong>in</strong>e bestimmte Crema-Mischung fragten, hieß es: Die ist beim Chef im Safe. So was gibt es bei mir nicht, ich verrate Ihnen alles.“ Nicht nur das: In eigenen Sem<strong>in</strong>aren <strong>der</strong> Murnauer Kaffeeschule geben Eckel und se<strong>in</strong> Team, darunter se<strong>in</strong> Bru<strong>der</strong> Michael, ihr Expertenwissen an Fachleute und Endverbraucher weiter. Kaffeebraune Schlüsselmomente Die Liebe zum Menschen sche<strong>in</strong>t Thomas Eckel <strong>in</strong> die Wiege gelegt zu se<strong>in</strong> – die Liebe zum Kaffee dagegen ist das Ergebnis e<strong>in</strong>es Erweckungserlebnisses. Es war Ende <strong>der</strong> 90er Jahre auf Hawaii, woh<strong>in</strong> Eckel mit se<strong>in</strong>em Vater gereist war. Bei e<strong>in</strong>er Tour über die Inseln entdeckten die beiden e<strong>in</strong>en Strauch, <strong>der</strong> Blüten und Früchte gleichzeitig trug. „Das kennt man nicht wenn man aus Bayern kommt – da gibt’s die Blüte im Frühjahr und die Frucht im Herbst“, berichtet Eckel. „Also guckten wir uns das mal an, auch mit den Händen – bis e<strong>in</strong> älterer Mann anstürmte: ,Don‘t touch my coffee tree!‘ Daraufh<strong>in</strong> war ich total geflasht: Kaffee war für mich Pulver. Über den Zusammenhang Natur-Lebensmittel hatte ich mir zuvor nie Gedanken gemacht. Nun zeigte uns dieser Mann die Plantage, die Sträucher, die Kaffeekirschen ... Als er uns schließlich e<strong>in</strong> Tässchen anbot, setzten wir erst mal regelrecht respektlos an – und dann das: Woah! ,Wenn das Kaffee ist‘, dachte ich, ,was tr<strong>in</strong>ken wir dann eigentlich zu Hause?‘“ E<strong>in</strong> Schlüsselmoment. Thomas Eckel kaufte dem hawaiianischen Kaffee-Bauern e<strong>in</strong> Kilo ab, genoss das fe<strong>in</strong>e Getränk <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Studentenbude und wurde, als es verbraucht war, erst e<strong>in</strong>mal leidenschaftlicher Teetr<strong>in</strong>ker. Denn er konnte <strong>in</strong> Deutschland schlicht ke<strong>in</strong> vergleichbares Produkt f<strong>in</strong>den. Der zweite Schlüsselmoment folgte e<strong>in</strong>ige Jahre später: Eckel lernte im Flugzeug e<strong>in</strong>e Dame kennen, die e<strong>in</strong>em kolumbianischen Bauern beim Handel mit Europa half – und dessen Kaffee so großartig schmeckte wie <strong>der</strong> hawaiianische, an den sich Eckel nun wie<strong>der</strong> er<strong>in</strong>nerte. Von da an war <strong>der</strong> weitere Weg des Qualitätsfans vorgezeichnet und er widmete sich ganz se<strong>in</strong>er Leidenschaft für das braune Gold. Nach <strong>der</strong> Ausbildung zum Röstmeister und dem Abschluss als Chef-Diplom-Kaffeesommelier gründete er 2008 se<strong>in</strong>e eigene Rösterei und absolvierte e<strong>in</strong> Jahr später als erster Deutscher überhaupt die anspruchsvollen Prüfungen zum Q-Gra<strong>der</strong>, zum offiziellen Kaffeegutachter. Als solcher wie<strong>der</strong>um wurde er Jurymitglied beim <strong>in</strong>ternationalen Kaffee-Award Cup of Excellence, was ihm zu wichtigen Kontakten <strong>in</strong> kaffeeanbauenden Län<strong>der</strong>n wie Guatemala, Peru o<strong>der</strong> das e<strong>in</strong>gangs genannte Costa Rica verhalf. Kontakte, die er bis heute pflegt und ausbaut, da er weiß: Am e<strong>in</strong>en wie an<strong>der</strong>en Ende <strong>der</strong> Produktionskette geht es um Menschen. Menschen, die es verdienen, wertgeschätzt zu werden. Und guten Kaffee zu tr<strong>in</strong>ken. 25 VEGAN World N O 05