Sophias vegane Welt
Kolumne: Sophias vegane Welt Besser Balkon als gar ke<strong>in</strong> Garten. Seit ich vor fünf Jahren <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Wohnung mit Balkon gezogen b<strong>in</strong>, kann ich mir e<strong>in</strong> Leben ohne Natur-Erweiterung zur Grundwohnfläche gar nicht mehr vorstellen. Ob als zum H<strong>in</strong>terhof gelegene Ruhe-Oase <strong>in</strong> <strong>der</strong> lauten Großstadt o<strong>der</strong> als kle<strong>in</strong>e, aber fe<strong>in</strong>e Produktionsstätte für Gemüse & Co. Denn regionaler geht’s gar nicht. Auf die Freuden des Balcony Garden<strong>in</strong>gs! Ich hatte wirklich wenig Ahnung vom <strong>Gärtnern</strong>, als ich nach me<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>zug das erste Mal vor <strong>der</strong> Entscheidung stand, etwas auf me<strong>in</strong>em neu ermieteten Balkon anzubauen. E<strong>in</strong> paar Kräutertöpfe, hie und da mal e<strong>in</strong>e Tomatenpflanze und mit viel Glück e<strong>in</strong> blühen<strong>der</strong> Olean<strong>der</strong>, das waren me<strong>in</strong>e Erfahrungswerte. Voller Ehrfurcht blickte ich auf me<strong>in</strong>e Mutter – die Frau, die mit e<strong>in</strong>em grünen Daumen geboren schien und sich stets auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Großstadt mit e<strong>in</strong>em wahren Dschungel umgab. Die Pflanzenflüster<strong>in</strong>, die ihren Passionsblumen zärtlichen Zuspruch gab, noch bevor sie mir morgens das Pausenbrot schmierte. Die dem Kompost geweihte Grünlilien rettet und zu neuem Leben erweckt. Die Kräuterhexe, die Tees trocknet, Beerenernten e<strong>in</strong>weckt und aus Holun<strong>der</strong> süßen Sirup kocht. E<strong>in</strong>es Tages fragte ich sie: „Mama, bitte verrate mir das Geheimnis de<strong>in</strong>es grünen Daumens! Was machst du, dass alles so toll gedeiht bei dir?“ Und sie sprach: „K<strong>in</strong>d, kauf dir e<strong>in</strong>fach e<strong>in</strong>en ordentlichen Dünger, dann wird das schon!“ Alle<strong>in</strong>gelassen mit dieser nüchternen Ansage und ausgestattet mit fe<strong>in</strong>stem, veganem Pflanzendünger stürzte ich mich <strong>in</strong>s Vergnügen. Ich säte, zog eigene Tomatenpflanzen, geizte sie aus, kicherte dabei über diesen komischen Begriff, düngte und goss, was das Zeug hielt. Kaum hatte ich gesät, fielen geme<strong>in</strong>e Elstern und gelangweilte Tauben über me<strong>in</strong> Saatgut her und pickten es gierig aus den Blumenkästen. Ich baute Barrieren aus hölzernen Schaschlik- Spießen und erschreckte die Räuber mit e<strong>in</strong>em unerwarteten „Buh!“. Auch merkte ich schnell: Zu viel des Guten br<strong>in</strong>gt genau gar nichts. So hatte ich die Pflanzen im ersten Jahr viel zu eng gesetzt und sie hatten gar ke<strong>in</strong>en Platz sich auszubreiten. Vorsichtig grub ich zögerlich gedeihende, violette Baby- Möhrchen aus <strong>der</strong> Erde, um sie sachte <strong>in</strong> größere Kästen umzupflanzen. Doch auch das Wetter machte mir so manchen Strich durch die Rechnung. Zwar ist me<strong>in</strong> Balkon sehr sonnig, aber lei<strong>der</strong> auch fürchterlich w<strong>in</strong>dig. Und <strong>in</strong> diesem ersten Sommer gab es enorm viele Sommergewitter mit teilweise ordentlichen Böen. Langstielige Sonnenblumen an ungeschützten Ecken knickten so reihenweise ab, noch bevor sie Kerne bilden konnten. Im zweiten Jahr pflanzte ich weniger und mit mehr Bedacht. Im Bioladen me<strong>in</strong>es Vertrauens erwarb ich Kohlrabi-Pflanzen und erlebte bald me<strong>in</strong> blaues Großstadt-Wun<strong>der</strong>. Als erste Fruchtstände an den Stängeln sichtbar wurden, realisierte ich, dass ich bis dato geglaubt hatte, Kohlrabi würde IN <strong>der</strong> Erde wachsen. Später ließen immer mehr großstädtisch geprägte Besucher me<strong>in</strong>es Balkons ähnliches Erstaunen verlautbaren, und ich entgegnete mit wissendem Blick: „Ach, das hast du nicht gewusst?“ Im Jahr drei me<strong>in</strong>er Balkonzeitalter-Rechnung verbrachte ich ganze zwei Monate im Ausland, was dazu führte, dass ich zwar am Ende des Sommers e<strong>in</strong>en Dschungel an Unkraut vorfand, aber e<strong>in</strong>e kaum nennenswerte Ernte. Alle<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Tomatenpflanze hatte <strong>der</strong> groben Vernachlässigung getrotzt und trug unzählige leuchtend rote M<strong>in</strong>i-Früchte. Diese Geschmacksbomben reichte ich bei e<strong>in</strong>em me<strong>in</strong>er D<strong>in</strong>ner als deliziösen Zwischengang. Jene Tomaten, die es bis zum Herbste<strong>in</strong>bruch noch nicht schafften zu erröten, erntete ich grün und gab sie zusammen mit e<strong>in</strong>em Apfel <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Schüssel <strong>in</strong> me<strong>in</strong>en Küchenschrank. Dort reiften sie hervorragend nach. Im Jahr darauf erweiterte ich auf e<strong>in</strong> umfangreiches Sortiment an Wildkräutern und Salaten. Unglaublich, wie <strong>in</strong>tensiv selbst angebauter Rucola schmecken kann! Ich zog viererlei Basilikumsorten, Sauerampfer, Thymian, Rosmar<strong>in</strong>, Petersilie, bunten Mangold, Kopfsalat und dreierlei M<strong>in</strong>ze. Ob als Salat, im Smoothie o<strong>der</strong> als Topp<strong>in</strong>g für leichtes Sommergemüse – herrlich! Die nicht w<strong>in</strong>terfesten Kräuter erntete ich ab und trocknete sie, genauso wie me<strong>in</strong>e homegrown Chilischoten. Langsam hatte ich den Dreh raus. Als e<strong>in</strong> weiterer Sommer nahte, hatte ich mich bereits im Voraus mit allerhand extravagantem Saatgut e<strong>in</strong>gedeckt – <strong>in</strong> <strong>der</strong> Arche Noah Schiltern <strong>in</strong> Nie<strong>der</strong>österreich, e<strong>in</strong>er Organisation mit Schaugarten, die sich für den Erhalt alten Saatguts e<strong>in</strong>setzt. Und bei Rosendals Trädgård – e<strong>in</strong>er idyllischen Gewächshaus-Gärtnerei auf <strong>der</strong> Stockholmer Djurgården-Insel. Weiße Möhren, orange M<strong>in</strong>itomaten und gestreifte Bete sollten es werden. Wurden es auch, aber nach wie vor aufgrund begrenzter Ausbreitungsmöglichkeiten eben sehr kle<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>i-Gemüse. Davon <strong>in</strong>spiriert veranstaltete ich e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>i-D<strong>in</strong>ni, nannte es das kle<strong>in</strong>ste (vegane) D<strong>in</strong>ner <strong>der</strong> Welt und kredenzte die Köstlichkeiten me<strong>in</strong>en mit Lupen ausgestatteten Gästen. Ke<strong>in</strong>e Angst, es gab so viel Kle<strong>in</strong>es, dass am Ende alle satt wurden. Mal schauen, was nächstes Jahr auf me<strong>in</strong>em Balkon passiert. Es bleibt spannend. Und abgesehen davon, dass e<strong>in</strong>em das Bepflanzen e<strong>in</strong>en unmittelbaren, lehrreichen und leckeren Dialog mit <strong>der</strong> Natur bietet, ist Gartenarbeit auch ungeme<strong>in</strong> beruhigend für die Nerven. Kim Wilde, ihres Zeichens Pop-Sänger<strong>in</strong> und Sexsymbol <strong>der</strong> 1980er im Ruhestand, ist mittlerweile passionierte Gärtner<strong>in</strong>. Sie sagt heute, die Gartenarbeit habe ihr das Leben gerettet und sie geerdet (hihi). Machen Sie es wie Kim, pflanzen und ruhen Sie <strong>in</strong> sich! Und wenn Sie fleißig waren, können Sie dieses leckere Rezept genießen (funktioniert auch mit gekauftem Sauerampfer): Sauerampfer- Kürbiskern-Pesto : 50 g Kürbiskerne 25 g frischer Sauerampfer 1 große Knoblauchzehe, geschält 4 EL Olivenöl 1 EL Kürbiskernöl 1 EL Zitronensaft Alle Zutaten zu e<strong>in</strong>em sämigen Pesto pürieren. Mit Salz und Pfeffer abschmecken. Für mehr Rezepte besuchen Sie mich auf www.oh-sophia.net o<strong>der</strong> www.youtube.com/c/Sophiasveganewelt Bei Fragen, Anregungen und an<strong>der</strong>en Anliegen schreiben Sie uns: veganworld@wellmedia.net 37 VEGAN World N O 05