Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt, Ausgabe 11/2006
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<strong>Schleswig</strong>-Holstein<br />
38<br />
Expertenhearing in Kiel<br />
Hochschulkliniklandschaft vor<br />
Umbruch<br />
Der Verband der Uniklinika Deutschlands<br />
(VUD) sieht die deutsche Hochschulklinik-<br />
Landschaft vor einem Umbruch. Neben privaten<br />
Beteiligungen stehen Fusionen und ein massiver<br />
Bettenabbau an. Auch <strong>Schleswig</strong>-Holstein<br />
wird davon betroffen sein, wie ein vom Universitätsklinikum<br />
<strong>Schleswig</strong>-Holstein (UK S-H)<br />
veranstaltetes Expertenhearing am 28. September<br />
im Kieler<br />
Schloss deutlich<br />
machte.<br />
„Viele Bundesländer<br />
stellen sich<br />
nicht den Realitäten“,<br />
kritisierte<br />
VUD-Generalsekretär<br />
Rüdiger Strehl.<br />
Der Tübinger lobte<br />
<strong>Schleswig</strong>-Holstein<br />
dafür, dass im Norden<br />
die kritischen<br />
Punkte nicht ver-<br />
Rüdiger Strehl<br />
(Foto: Uniklinik Tübingen)<br />
schwiegen werden. Strehl mahnte bei den Prüfungen<br />
aber die notwendige Sorgfalt an. So vermisst<br />
er etwa bei dem von der Landesregierung<br />
in Auftrag gegebenen Gutachten, das eine Teilprivatisierung<br />
empfiehlt, die „Tiefenschärfe“.<br />
Landesregierungen und Gutachter hätten in der<br />
Diskussion um eine Privatisierung die Pflicht,<br />
alle Fragen zu beantworten: Wie viel Mittel<br />
können zum Abbau des Investitionsstaus zur<br />
Verfügung gestellt werden, welche Angebote<br />
werden an welchen Standorten noch gebraucht,<br />
welche Einrichtung kann einen positiven Deckungsbeitrag<br />
leisten und welche nicht?<br />
Das Thema Fusion, wie in <strong>Schleswig</strong>-Holstein<br />
mit Kiel und Lübeck realisiert, ist für den VUD-<br />
Vorsitzenden Prof. J. Rüdiger Siewert aus München<br />
oft nur eine Scheinlösung: „Da passiert inhaltlich<br />
nichts.“ Wichtiger ist für den VUD,<br />
dass Angebote aufeinander abgestimmt werden.<br />
„Es gibt Institute, die man in <strong>Schleswig</strong>-Holstein<br />
nur einmal braucht.“ Auch eine Zusam-<br />
<strong>Schleswig</strong>-<strong>Holsteinisches</strong> <strong>Ärzteblatt</strong> <strong>11</strong>/<strong>2006</strong><br />
menarbeit<br />
mit der Hamburger<br />
Universitätsklinik hält er für sinnvoll.<br />
Unabhängig vom Standort im Norden äußerte<br />
Siewert Bedenken über die Vielzahl von Uniklinik-Standorten<br />
in Deutschland. Die Zahl von<br />
derzeit 38 Unikliniken mit zusammen 48 000<br />
Betten in Deutschland wird nach seiner Ansicht<br />
in den kommenden Jahren deutlich<br />
schrumpfen. Siewert erwartet einen Abbau von<br />
rund 20 Prozent der Betten. Grund für seine<br />
Annahme ist die schwierige wirtschaftliche Situation<br />
der Uniklinika. In <strong>Schleswig</strong>-Holstein<br />
ist diese bekannt: Ein jährliches Minus von 20<br />
Millionen Euro, ein Verlustvortrag von 70 Millionen<br />
Euro und ein Investitionsstau von rund<br />
einer halben Milliarde Euro. Dass die als Ausweg<br />
diskutierte Teilprivatisierung viele Probleme<br />
nach sich zieht, wurde in Kiel deutlich:<br />
�� Unabhängigkeit von Forschung und Lehre:<br />
Für die Hochschulmedizin steht die Lehre an<br />
erster Stelle, dann kommt die Forschung,<br />
dann die Krankenversorgung, so die von Prof.<br />
Dr. Ulrike Beisiegel vom Wissenschaftsrat genannte<br />
Rangfolge. Sie gab zu bedenken, dass<br />
die Krankenversorgung einen Mehraufwand<br />
an Zeit im Vergleich zur Basisversorgung erfordert<br />
- hierfür fehlen nach ihrer Ansicht finanzielle<br />
Lösungen. Sie stellte klar, dass private<br />
Träger kein Mitspracherecht auf Inhalt<br />
und Umfang von Forschung und Lehre bekommen<br />
dürfen. „Das Unternehmen Hochschulmedizin<br />
hat keine gewinnbringenden<br />
Produkte“, sagte Beisiegel. Damit war sie auf<br />
einer Linie mit dem UK S-H-Vorstandsvorsitzenden<br />
Prof. Dr. Bernd Kremer, der sich<br />
nur schwer unabhängige Studien an einer<br />
Uniklinik vorstellen kann, wenn diese etwa<br />
einem Pharma- oder Versicherungskonzern<br />
gehört.<br />
�� Unwirtschaftliche Leistungen: Eingriffe, die<br />
wegen zu geringer Fallpauschalen keinen Gewinn<br />
erwarten lassen, könnten profitorientierte<br />
Unternehmen dazu verleiten, diese Eingriffe<br />
zu reduzieren. Siewert hält diese Erwartung<br />
allerdings nicht für gerechtfertigt. Private<br />
Träger könnten sich solche Rosinenpickerei<br />
schon aus Imagegründen nicht leisten.