Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt, Ausgabe 11/2006
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<strong>Schleswig</strong>-Holstein<br />
40<br />
Privatversicherungen behandeln psychisch<br />
Kranke wie Aussätzige!“ Doch auch der Rest<br />
der privaten Krankenversicherungen baue hohe<br />
Hürden, um sich schlechte Risiken vom Hals zu<br />
halten. Etwa die Hälfte der PKV-Unternehmen<br />
nehme zwar Personen auf, die bereits einmal<br />
psychisch erkrankt sind. Diese Erkrankung müsse<br />
aber häufig mehr als fünf bis zehn Jahre zurückliegen.<br />
Wer beispielsweise, so die BPtK, in<br />
der Schule mit Ritalin (ADHS) behandelt wurde,<br />
als Mädchen magersüchtig oder als Jugendlicher<br />
aufgrund aggressiven Verhaltens auffällig<br />
war, „gefährdet schon in jungen Jahren seine<br />
Versicherungsfähigkeit bei der PKV“. Dazu<br />
stellt Rainer Richter fest: „Schon bei 20- bis 30-<br />
Jährigen betreibt die PKV massive Risikoselektion.<br />
Wenn die PKV von maßgeschneidertem<br />
Versicherungsschutz spricht, kann sie dabei<br />
nicht ihre eigenen Versicherten im Auge haben.<br />
Wer seinen Versicherungsschutz so drastisch<br />
beschneidet, stellt seine eigene Existenzberechtigung<br />
in Frage.“<br />
Lässt sich dagegen etwas einwenden?<br />
Noch einmal zurück zum Umfrageergebnis:<br />
„Katastrophal sind (sie) für schwer psychisch<br />
Kranke. Wer an Depression, Schizophrenie oder<br />
anderen psychotischen Erkrankungen leidet,<br />
steht meist für immer vor den Türen der PKV.<br />
Depression ist eine psychische Erkrankung, die<br />
jeden treffen kann. Rund vier Millionen Menschen<br />
leiden in Deutschland an einer Depression.<br />
Die PKV sorgt systematisch dafür, dass depressive<br />
Erkrankungen allein das finanzielle Risiko<br />
der Patienten und der gesetzlichen Krankenversicherung<br />
(GKV) bleiben.“ Es ist verständlich,<br />
wenn Rainer Richter fordert: „Die<br />
PKV kann nicht ein Angebot bleiben, dass sich<br />
fast ausschließlich an Gesunde richtet. Die Versicherten<br />
brauchen schützende Vorschriften des<br />
Gesetzgebers.“ Der in den Eckpunkten zur Gesundheitsreform<br />
diskutierte „PKV-Basistarif“ sei<br />
deshalb „dringend erforderlich“. Seine wesentlichen<br />
Elemente: keine individuelle Risikoprüfung<br />
oder Risikozuschläge bei Vorerkrankungen<br />
und ein umfassender Versicherungsschutz wie<br />
in der gesetzlichen Krankenversicherung.<br />
Dr. Oswald Rogner, Präsident der schleswigholsteinischen<br />
Psychotherapeutenkammer in<br />
Kiel, zeigte sich von<br />
dem jetzt Aufsehen<br />
erregenden Umfrageergebnis<br />
nicht<br />
sonderlich erstaunt:<br />
„Wir sind ja alle in<br />
der Situation, dass<br />
wir in der Praxis<br />
stehen, wir kennen<br />
die in der Umfrage<br />
genannten Schwierigkeiten<br />
also schon<br />
geraume Zeit vom<br />
ständigen Umgang<br />
mit unseren Pati-<br />
<strong>Schleswig</strong>-<strong>Holsteinisches</strong> <strong>Ärzteblatt</strong> <strong>11</strong>/<strong>2006</strong><br />
Dr. Oswald Rogner<br />
(Foto: Psychotherapeutenkammer<br />
<strong>Schleswig</strong>-Holstein)<br />
enten her.“ Oswald Rogner nannte einen Aspekt,<br />
der ihm besonders wichtig ist: „Denken<br />
Sie auch an die angehenden Lehrer, überhaupt<br />
an Menschen, die später einmal verbeamtet<br />
werden möchten. Sie leiden unter Stressphasen,<br />
auch unter Prüfungsängsten, und suchen deshalb<br />
vielleicht Hilfe bei einem Psychotherapeuten.<br />
Kommt dies vor ihrer Anstellung heraus,<br />
machen die privaten Versicherer Druck und<br />
Ärger und lehnen etwa Lehramtskandidaten<br />
nur deshalb ab, weil sie diese Hilfe gesucht haben.“<br />
Ob es denn Mittel gebe, um die privaten<br />
Versicherer von diesem für die Patienten unsäglichen<br />
Weg abzubringen? Oswald Rogner erklärte<br />
dazu, die Psychotherapeutenkammer in<br />
<strong>Schleswig</strong>-Holstein begrüße die geplanten Gesetzesänderungen<br />
im Gesundheitswesen: „Damit<br />
können die Versicherer gezwungen werden,<br />
alle diejenigen aufzunehmen, die sich privat absichern<br />
möchten. Egal mit welcher Vorgeschichte<br />
- es gäbe dann für alle Versicherten einen<br />
Versicherungsschutz, also auch für diejenigen,<br />
die irgendwann in ihrem Leben Hilfe bei einem<br />
Psychotherapeuten gesucht haben.“ Dies<br />
gelte selbstverständlich auch für Menschen, die<br />
wegen einer Depression behandelt worden seien:<br />
Auch die würden bislang nicht versichert,<br />
„offenbar vermuten die Versicherungen, dass<br />
ein solcher Patient irgendwann wieder erkrankt.“<br />
Das <strong>Ärzteblatt</strong> merkte an, dafür sei schließlich<br />
eine Versicherung da. Oswald Rogners Antwort:<br />
„Das ist zwar richtig, gerade privaten Versicherern<br />
aber sind gesunde Versicherte lieber<br />
als kranke!“ Eine Möglichkeit, die privaten Ver-