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MOTORRAD Classic 06/2016

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SZENE I<br />

Harley-Davidson Model 11F und Indian Twin Model F<br />

Von der kleinen<br />

Hinterhof-Klitsche<br />

entwickelte sich<br />

Harley zum echten<br />

Indian-Gegner<br />

Sieben PS qualifizierten die<br />

Indian zum prima Langstreckenmotorrad,<br />

und genau deshalb<br />

hatte sie die viel schwächeren<br />

und seit 1901 gebauten Einzylinder<br />

in der Bestsellerliste<br />

weit hinter sich gelassen. Die<br />

Einführung von Kupplung und<br />

Zweiganggetriebe steigerte ab 1910 ihre diesbezüglichen<br />

Fähigkeiten, galt obendrein als Ausdruck<br />

frischen, modernen Ingenieurgeistes. Bahnbrechend<br />

jedoch waren die ab demselben Jahr verbaute vordere<br />

Kurzarmschwinge und noch mehr die ab 1913<br />

wahlweise erhältliche Federung der Hinterradschwinge.<br />

Nur zur Erinnerung: Die meisten Europäer<br />

zogen hinten ungefähr 40 Jahre später nach.<br />

Bereits ein Jahr zuvor zählten Trittbretter und<br />

Kickstarter anstatt der üblichen Tretkurbeln zum<br />

Programm, bei den TT-Sondermodellen gar zum<br />

Serienumfang. Letztere wiederum krönten deshalb<br />

die Modellpalette, weil neben schier unzähligen<br />

Erfolgen auf dem neuen Kontinent im Jahr 1911<br />

auch ein historischer Triumph bei der Senior-TT<br />

geglückt war. Gleich drei Indian-Renner belegten<br />

die ersten Plätze. Bis heute hat nie wieder ein<br />

amerikanisches Motorrad siegen können.<br />

Während in der Irischen See getunte F-Motoren<br />

genügten, mussten es auf den heimischen Board-<br />

und Speedtracks schon Vierventiler sein, um weiter<br />

zu dominieren. Jawohl, Vierventiler, als Ein- und<br />

Zweizylinder. Vorne, das war damals dort, wo Indian<br />

stand. Gewaltig die Verkaufs- und Sporterfolge,<br />

gewaltig die Fabrik, in der rund 3000 Menschen<br />

arbeiteten. Das Wigwam genannt, in Anspielung<br />

natürlich auf den Markennamen und auf die seit<br />

1909 generell zinnoberrote Lackierung. Man war<br />

Marktführer, man wollte es bleiben. Unvergessen<br />

die Schmach, als viele Kunden plötzlich Schleifenrahmen<br />

à la Harley verlangten, das bis 1909 angebotene,<br />

noch vom Fahrrad inspirierte Indian-Rohrdreieck<br />

als altmodisch abkanzelten. Später tanzte<br />

die kleine, aber feine Firma Reading Standard den<br />

Etablierten auf der Nase rum, weil sie mit ihrem reinen<br />

Seitenventiler-V2 deutlich mehr Leistung generierte.<br />

Charles Gustafson wurde vom Konkurrenten<br />

abgeworben, sein Powerplus-V-Twin schrieb ab<br />

1916 Geschichte, bis hin zur Indian Scout und Chief.<br />

Das Model F markiert also den Endpunkt der<br />

frühen Jahre, der Hedstrom-Ära, und genau deshalb<br />

ist es Gert Holmersma so lieb. Mit allen Kratzern<br />

und Rissen im Lack, dem verblassten Schriftzug auf<br />

dem Tank, den Fettresten an sämtlichen Schmiernippeln.<br />

Wer weiß, vielleicht stammen auch die aus<br />

den frühen Jahren. „Nein“, lacht Gert, „die stammen<br />

schon von mir.“ Unter all dieser Patina lebt zwar ein<br />

erstaunlich anspruchsloses mechanisches Fossil,<br />

72 <strong>MOTORRAD</strong> CLASSIC 6/<strong>2016</strong><br />

www.motorrad-classic.de

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