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PS 06/2016

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Sir Tobi, der junge Wilde der <strong>PS</strong>-<br />

Redaktion, bekam einen sonderbar<br />

fahlen Teint und stammelte:<br />

„Was, wie, nein, also echt jetzt?<br />

Du hast die Panigale gekillt?!“ Ich nickte.<br />

Leider kein Scherz. Die rote Diva war bereits<br />

vor dem Test beim lockeren Einfahren<br />

zu Boden gegangen (siehe Kasten)<br />

und stand nicht mehr zur Verfügung. Für<br />

Jo „Hollywood“ Bauer, den schrecklichen<br />

Sven und meine Wenigkeit war der Vergleich<br />

zwischen KTM 1290 Super Duke GT,<br />

BMW S 1000 XR und Kawasaki ZZR 1400<br />

immer noch äußerst reizvoll, aber Münchingers<br />

Tobi tobte: „Auf der Rennstrecke<br />

hätte die Panigale allen gezeigt, was<br />

Casalla bedeutet. Und am Berg wäre sie<br />

auch eine Macht gewesen. Arrrrgh! Ich<br />

steh auf diese italienische Ikone der Kraft<br />

und Herrlichkeit. Sie fehlt mir sehr.““<br />

Flexibilität war gefragt<br />

Der geplante Vierer-Test war also nur<br />

noch ein Dreier. Das war aber nicht die<br />

einzige Modifikation, die wir vornehmen<br />

mussten. Ursprünglich wollten wir zuerst<br />

in den niederösterreichischen Alpen<br />

Feuer geben und dann am Pannoniaring<br />

das Letzte aus den Raketen holen. Da dem<br />

Wettergott aber unser Plan offensichtlich<br />

überhaupt nicht gefiel, ließ er es am ersten<br />

Tag in Österreich regnen und in der<br />

pannonischen Tiefebene nicht. Wir richteten<br />

uns danach und begannen mit hochwissenschaftlichen<br />

Untersuchungen auf<br />

der Rennstrecke. Wir jagten also gleich<br />

am ersten Tag die Kombattanten in den<br />

Grenzbereich, genossen am nächsten Tag<br />

die Bergstraßen in der Region um das im<br />

Osten Österreichs berühmt-berüchtigte<br />

Motorrad-Gasthaus „Kalte Kuchl“ und warfen<br />

das Einser-Menü ein: Bauernschmaus<br />

und Topfenstrudel.<br />

Speedsurfing mit der ZZR 1400<br />

Leicht hatte es die Kawasaki-Rakete mit<br />

dem Mördermotor in diesem Test nicht.<br />

Am Prüfstand degradierte sie die beiden<br />

Kontrahenten zwar fürchterlich (203 <strong>PS</strong><br />

und unvorstellbare 161 Nm an der Kupplung),<br />

aber in der Praxis blieb von dieser<br />

Dominanz nicht viel übrig. 267 Kilo mit<br />

vollem Tank sind kein Fliegengewicht.<br />

Das schiebt dermaßen forsch in die<br />

Bremszone, dass man sehr große Augen<br />

bekommt. Wow! Als ich das erste Mal nach<br />

Start/Ziel den Anker warf, erfasste mich<br />

ein kurzer Panikschub. Das Umlegen in<br />

die Rechtskurve ging dann noch gut, aber<br />

locker und entspannt war anders. Dabei<br />

war das Einlenkverhalten nicht schlecht.<br />

Die Kombination aus 1480 mm Radstand<br />

und 67 Grad Lenkkopfwinkel zeigte eindeutig<br />

in die gutmütige Richtung, und die<br />

Sitzposition war ohnehin die am meisten<br />

vorderradorientierte in diesem Vergleich.<br />

Allerdings verlangte die Pannoniaring-<br />

Performance der Kawasaki ein hohes Maß<br />

an Nervenstärke. Einerseits, weil man den<br />

wahnsinnig starken Motor mit dem irren<br />

Drehmoment nicht klar spürte, und andererseits,<br />

weil die Transparenz des im Serienzustand<br />

sehr weich abgestimmten Fahrwerks<br />

sehr bescheiden war. Oh là là, das<br />

war schon ein ziemlicher Blindflug mit<br />

brachialem Speed!<br />

Erschwerend kam hinzu, dass die<br />

Reifen (Bridgestone S20R mit Sonderkennung)<br />

beim Kampf mit den Urgewalten auf<br />

der Rennstrecke nicht brillant funktionierten,<br />

sondern diffus rutschten. „Speedsurfing<br />

extrem“ könnte man sagen. Der wahnsinnige<br />

Jo, den ich für ein fahrtechnisches<br />

Genie halte, erkannte meine Schwierigkeiten<br />

und sagte: „Lass uns das Fahrwerk<br />

in die härtere Richtung drehen. Wenn du<br />

noch eine Maschine schrottest, ehe der<br />

Test im Kasten ist, schlägt Graf Seitzmo<br />

aus wie nach dem Beben von Oschersleben.“<br />

Bitte gerne. Jo drehte Gabel und Federbein<br />

(das Fummeln an der Einstellung<br />

von Zug- und Druckstufe am zentralen Öhlinsdämpfer<br />

kann man wie ein Spion über<br />

ein Guckloch im Rahmen beobachten) in<br />

die straffe Richtung und schickte mich<br />

wieder raus.<br />

In der ersten Bremszone freute ich<br />

mich noch über die gewonnene Direktheit,<br />

aber beim Rausfeuern bockte die Maschine<br />

über eine kleine Welle, verlor hinten<br />

den Kontakt zum Asphalt und keilte ungut<br />

aus. Selbstverständlich würde ich jetzt<br />

gerne sagen können, ob mich die Traktionskontrolle<br />

der Kawa oder mein reflexgeschultes<br />

Handgelenk vor dem Zorn Seitzmos<br />

bewahrt hat. Aber ich kann es nicht.<br />

Keine Ahnung. Wirklich nicht. Die Coolness,<br />

in einer derart heiklen Situation den<br />

Fokus auf Beobachtung zu stellen, habe<br />

ich nicht. Sorry. Wohl aber bat ich Jo nach<br />

zwei Runden, das Fahrwerk wieder etwas<br />

abzusoften: „Ist definitiv zu hart für mich.<br />

Die springt jetzt. Hinten und vorne.<br />

Das geht nicht lange gut.“<br />

Mit der zweiten Einstellungsänderung<br />

(siehe Setup im Datenkasten) kam ich<br />

dann sehr gut zurecht. So abgestimmt<br />

macht ein Trackday mit der gigantischen<br />

ZZR 1400 schon Spaß. Aber Chancen auf<br />

den Sieg hat man natürlich keine. Die<br />

Wumme ist dafür nicht nur viel zu wuchtig,<br />

sondern auch die Bremse zu stumpf.<br />

Da wäre ein 19er-Häuptling wohl besser<br />

als der serienmäßige 16er.<br />

Jedenfalls richtete mich Jo mit der<br />

Touren-KTM her wie einen Schulbuben.<br />

Und selbst der schreckliche Sven mit der<br />

S 1000 XR sackte mich ein. Auffällig war,<br />

dass ich Jo mit der sauber vollstreckenden<br />

GT einfach ziehen lassen musste und<br />

nach drei Kurven aus den Augen verlor,<br />

während ich an Sven und der BMW, die<br />

hinten das eine oder andere Mal mächtig<br />

querstand, zwei Runden lang dranbleiben<br />

konnte.<br />

Die S ist nichts für die Renne<br />

Die Stelzen-BMW war am nächsten Tag in<br />

den Bergen eine echte Granate, aber auf<br />

der Rennstrecke brillierte sie nicht. Als<br />

ich sie in Pannonien abfeuerte, verstand<br />

28 <strong>PS</strong> 6/<strong>2016</strong>

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