PS 06/2016
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Sir Tobi, der junge Wilde der <strong>PS</strong>-<br />
Redaktion, bekam einen sonderbar<br />
fahlen Teint und stammelte:<br />
„Was, wie, nein, also echt jetzt?<br />
Du hast die Panigale gekillt?!“ Ich nickte.<br />
Leider kein Scherz. Die rote Diva war bereits<br />
vor dem Test beim lockeren Einfahren<br />
zu Boden gegangen (siehe Kasten)<br />
und stand nicht mehr zur Verfügung. Für<br />
Jo „Hollywood“ Bauer, den schrecklichen<br />
Sven und meine Wenigkeit war der Vergleich<br />
zwischen KTM 1290 Super Duke GT,<br />
BMW S 1000 XR und Kawasaki ZZR 1400<br />
immer noch äußerst reizvoll, aber Münchingers<br />
Tobi tobte: „Auf der Rennstrecke<br />
hätte die Panigale allen gezeigt, was<br />
Casalla bedeutet. Und am Berg wäre sie<br />
auch eine Macht gewesen. Arrrrgh! Ich<br />
steh auf diese italienische Ikone der Kraft<br />
und Herrlichkeit. Sie fehlt mir sehr.““<br />
Flexibilität war gefragt<br />
Der geplante Vierer-Test war also nur<br />
noch ein Dreier. Das war aber nicht die<br />
einzige Modifikation, die wir vornehmen<br />
mussten. Ursprünglich wollten wir zuerst<br />
in den niederösterreichischen Alpen<br />
Feuer geben und dann am Pannoniaring<br />
das Letzte aus den Raketen holen. Da dem<br />
Wettergott aber unser Plan offensichtlich<br />
überhaupt nicht gefiel, ließ er es am ersten<br />
Tag in Österreich regnen und in der<br />
pannonischen Tiefebene nicht. Wir richteten<br />
uns danach und begannen mit hochwissenschaftlichen<br />
Untersuchungen auf<br />
der Rennstrecke. Wir jagten also gleich<br />
am ersten Tag die Kombattanten in den<br />
Grenzbereich, genossen am nächsten Tag<br />
die Bergstraßen in der Region um das im<br />
Osten Österreichs berühmt-berüchtigte<br />
Motorrad-Gasthaus „Kalte Kuchl“ und warfen<br />
das Einser-Menü ein: Bauernschmaus<br />
und Topfenstrudel.<br />
Speedsurfing mit der ZZR 1400<br />
Leicht hatte es die Kawasaki-Rakete mit<br />
dem Mördermotor in diesem Test nicht.<br />
Am Prüfstand degradierte sie die beiden<br />
Kontrahenten zwar fürchterlich (203 <strong>PS</strong><br />
und unvorstellbare 161 Nm an der Kupplung),<br />
aber in der Praxis blieb von dieser<br />
Dominanz nicht viel übrig. 267 Kilo mit<br />
vollem Tank sind kein Fliegengewicht.<br />
Das schiebt dermaßen forsch in die<br />
Bremszone, dass man sehr große Augen<br />
bekommt. Wow! Als ich das erste Mal nach<br />
Start/Ziel den Anker warf, erfasste mich<br />
ein kurzer Panikschub. Das Umlegen in<br />
die Rechtskurve ging dann noch gut, aber<br />
locker und entspannt war anders. Dabei<br />
war das Einlenkverhalten nicht schlecht.<br />
Die Kombination aus 1480 mm Radstand<br />
und 67 Grad Lenkkopfwinkel zeigte eindeutig<br />
in die gutmütige Richtung, und die<br />
Sitzposition war ohnehin die am meisten<br />
vorderradorientierte in diesem Vergleich.<br />
Allerdings verlangte die Pannoniaring-<br />
Performance der Kawasaki ein hohes Maß<br />
an Nervenstärke. Einerseits, weil man den<br />
wahnsinnig starken Motor mit dem irren<br />
Drehmoment nicht klar spürte, und andererseits,<br />
weil die Transparenz des im Serienzustand<br />
sehr weich abgestimmten Fahrwerks<br />
sehr bescheiden war. Oh là là, das<br />
war schon ein ziemlicher Blindflug mit<br />
brachialem Speed!<br />
Erschwerend kam hinzu, dass die<br />
Reifen (Bridgestone S20R mit Sonderkennung)<br />
beim Kampf mit den Urgewalten auf<br />
der Rennstrecke nicht brillant funktionierten,<br />
sondern diffus rutschten. „Speedsurfing<br />
extrem“ könnte man sagen. Der wahnsinnige<br />
Jo, den ich für ein fahrtechnisches<br />
Genie halte, erkannte meine Schwierigkeiten<br />
und sagte: „Lass uns das Fahrwerk<br />
in die härtere Richtung drehen. Wenn du<br />
noch eine Maschine schrottest, ehe der<br />
Test im Kasten ist, schlägt Graf Seitzmo<br />
aus wie nach dem Beben von Oschersleben.“<br />
Bitte gerne. Jo drehte Gabel und Federbein<br />
(das Fummeln an der Einstellung<br />
von Zug- und Druckstufe am zentralen Öhlinsdämpfer<br />
kann man wie ein Spion über<br />
ein Guckloch im Rahmen beobachten) in<br />
die straffe Richtung und schickte mich<br />
wieder raus.<br />
In der ersten Bremszone freute ich<br />
mich noch über die gewonnene Direktheit,<br />
aber beim Rausfeuern bockte die Maschine<br />
über eine kleine Welle, verlor hinten<br />
den Kontakt zum Asphalt und keilte ungut<br />
aus. Selbstverständlich würde ich jetzt<br />
gerne sagen können, ob mich die Traktionskontrolle<br />
der Kawa oder mein reflexgeschultes<br />
Handgelenk vor dem Zorn Seitzmos<br />
bewahrt hat. Aber ich kann es nicht.<br />
Keine Ahnung. Wirklich nicht. Die Coolness,<br />
in einer derart heiklen Situation den<br />
Fokus auf Beobachtung zu stellen, habe<br />
ich nicht. Sorry. Wohl aber bat ich Jo nach<br />
zwei Runden, das Fahrwerk wieder etwas<br />
abzusoften: „Ist definitiv zu hart für mich.<br />
Die springt jetzt. Hinten und vorne.<br />
Das geht nicht lange gut.“<br />
Mit der zweiten Einstellungsänderung<br />
(siehe Setup im Datenkasten) kam ich<br />
dann sehr gut zurecht. So abgestimmt<br />
macht ein Trackday mit der gigantischen<br />
ZZR 1400 schon Spaß. Aber Chancen auf<br />
den Sieg hat man natürlich keine. Die<br />
Wumme ist dafür nicht nur viel zu wuchtig,<br />
sondern auch die Bremse zu stumpf.<br />
Da wäre ein 19er-Häuptling wohl besser<br />
als der serienmäßige 16er.<br />
Jedenfalls richtete mich Jo mit der<br />
Touren-KTM her wie einen Schulbuben.<br />
Und selbst der schreckliche Sven mit der<br />
S 1000 XR sackte mich ein. Auffällig war,<br />
dass ich Jo mit der sauber vollstreckenden<br />
GT einfach ziehen lassen musste und<br />
nach drei Kurven aus den Augen verlor,<br />
während ich an Sven und der BMW, die<br />
hinten das eine oder andere Mal mächtig<br />
querstand, zwei Runden lang dranbleiben<br />
konnte.<br />
Die S ist nichts für die Renne<br />
Die Stelzen-BMW war am nächsten Tag in<br />
den Bergen eine echte Granate, aber auf<br />
der Rennstrecke brillierte sie nicht. Als<br />
ich sie in Pannonien abfeuerte, verstand<br />
28 <strong>PS</strong> 6/<strong>2016</strong>