2013-04
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
ie j edes<br />
es<br />
J ahr<br />
vor<br />
W ei<br />
hnac<br />
acht<br />
hten<br />
erg<br />
rgib<br />
ibt<br />
si<br />
ch<br />
für<br />
ü<br />
mich ein Problem: Das ist ER, mein geliebter<br />
Ehemann!<br />
We<br />
nn alles um mich herum dem Fest entgegenfiebert,<br />
t,<br />
he<br />
rrscht in meinem Kopf intensivster Mangel an Geschenk-<br />
ideen.<br />
Einen Reinfall wie letztes Jahr darf ich mir nicht leisten.<br />
Irge<br />
ndwie ist ER besonders anspruchsvoll, zumindest was<br />
se<br />
ine Weihnachtswünsche angeht. ER verbittet sich langweilige,<br />
geschmacklose Geschenke sowie ästhetische Irrita-<br />
ti<br />
on<br />
en. Auch das Internet hilft mir da wenig, da die meisten<br />
en<br />
Vo<br />
rschläge nicht meinen finanziellen Verhältnissen entspre-<br />
chen. So bin ich mal wieder auf der Suche nach etwas, was<br />
ER<br />
vielleicht „originell“ findet. ER erwartet eine ganz be-<br />
so<br />
ndere Idee, die aber nicht zwangsläufig teuer sein muss.<br />
s.<br />
Do<br />
ch leider sagt ER mir auch nicht, wo es so etwas vielleicht<br />
zu<br />
finden gibt. Bei meinem Besuch in der Einkaufspassage<br />
be<br />
merkte ich die vielen Personen, die als Weihnachtsmännner<br />
verkleidet, herumlaufen. Und plötzlich drängt mir so ein<br />
Weihnachtsmann einen Flyer auf. Dieser ist von einer Partei,<br />
de<br />
ren Grundsätze ich vor vielen Jahren mal vertreten hatte.<br />
Ich wiederhole: Hatte! Mein beruflicher Werdegang war mir<br />
da sehr hilfreich, so dass ich mit meiner jugendlichen Sozi-<br />
alromantik abschloss. Doch das ist ein ganz anderes Thema.<br />
Der Weihnachtsmann verfolgte mich ein Stück und wollte<br />
unbedingt mit mir diskutieren. Ich rettete mich schnellen<br />
Schrittes durch die Drehtüre der Passage und entsorgte den<br />
Fl<br />
yer in einem Papiermülleimer. Ein Angestellter des Si-<br />
ch<br />
erheitspersonals, der neben der Drehtüre seinen Dienst<br />
sc<br />
hob, nickte mir anerkennend zu. Dann verlief mein Ein-<br />
ka<br />
ufsbummel recht ruhig und erfolgreich. Einige Stunden<br />
später deponierte ich meine vielen Einkaufstüten bei dem<br />
fr<br />
eundlichen Ablageservice im Erdgeschoss. Obwohl es<br />
sc<br />
hon kurz nach fünf war, hatte ich das Glück, einen Fen-<br />
st<br />
erplatz im stadtbekannten Cafe im 3. Obergeschoss zu<br />
er<br />
gattern. Bei der besonderen Aussicht auf die festlich gesc<br />
hmückte Stadt wollte ich nun endlich darüber nachdenken, n,<br />
we<br />
lches Geschenk für IHN in Frage käme. Meine Einfälle<br />
le<br />
ha<br />
tten ja bisher nur für meine eigene Ausstattung gereicht:<br />
ei<br />
ne eigentlich viel zu teure Wildlederjacke, die neueste CD<br />
vo<br />
n meinem Lieblingssänger und eine Flasche vom edelsten<br />
Se<br />
kt. Nachdem ich meine bestellte Schokolade mit Sahne<br />
se<br />
rviert bekam, trat eine Person mit rotem Mantel, Zipfel-<br />
mü<br />
tze und weißem Bart neben den Tisch. Eine Hand fuhr<br />
zärtlich um mein Kinn und drehte meinen Kopf. Ich war<br />
zunächst sprachlos. War ER das etwa? „Du“, stammelte ich<br />
er<br />
staunt. Mit einem leichten Kopfschütteln setzte sich der<br />
We<br />
ihnachtsmann auf den mir gegenüberliegenden Platz. Er<br />
ze<br />
ichnete mit meinem Kakaolöffel ein Bild auf die Tischde-<br />
ck<br />
e, ein Sternbild. Mir war diese Konstellation nur zu gut<br />
be<br />
kannt. Es handelte sich um Leberflecke, die sich in dieser<br />
er<br />
An<br />
ordnung bei IHM, meinem ge<br />
liebten Ehemann, auf einer<br />
Kö<br />
rper<br />
erre<br />
re gi<br />
on b efin<br />
inde<br />
den,<br />
übe<br />
ber die ich<br />
ni cht<br />
nä<br />
ä<br />
her spre<br />
chen<br />
mö<br />
chte<br />
te. Meines<br />
Wis<br />
isse<br />
sens<br />
u nter<br />
ersc<br />
schi<br />
eden<br />
en ER und sein<br />
Bru<br />
rude<br />
der<br />
si<br />
ch eben nur durch diese Leberflecke. Aber schon nahmen<br />
di<br />
e Dinge ihren Lauf. Zu spät erkannte ich den Irrtum, der<br />
mi<br />
ch bis heute verfolgt.<br />
Treten wir bei sternenklarem Himmel vor unsere Haustü<br />
re, so befindet sich der „Große Wagen“ immer irgendwo<br />
üb<br />
er mir. ER geht dann meistens eine Runde spazieren und<br />
er<br />
freut sich an den Gestirnen.<br />
Und nun sitze ich in dieser Stadt, in dieser Einkaufspassage<br />
, in diesem Cafe und traue meinen Ohren nicht. Der Weihna<br />
chtsmann spricht davon, dass es ihm zur Zeit gar nicht<br />
gu<br />
t geht und ich ihm seine leicht depressiven Gedanken, so<br />
al<br />
s ganz persönliche Weihnachtsfrau, zerstreuen könnte. Er<br />
lä<br />
chelte mich immer wieder charmant an und zog seine Stirn<br />
kr<br />
aus, genau wie ER es auch immer tut. Glauben Sie mir:<br />
Ic<br />
h wollte nicht! Ich wollte wirklich nicht!<br />
Dann nahm er meine Hand, zog mich aus dem Cafe<br />
un<br />
d wir verbrachten die nächsten Stunden ausgesprochen<br />
ha<br />
rmonisch. Als die Passage ihre Tore schloss, versicherte<br />
de<br />
r vermeintliche Weihnachtsmann mir, dass unser Zusamme<br />
nsein wie ein vorweihnachtlicher Zauber auf ihn gewirkt<br />
hätte. Alle leicht depressiven Gedanken seien einfach<br />
ve<br />
rschwunden. Als wir in den späten Abend hinaustraten,<br />
ve<br />
rabschiedete er sich mit der Frage, was denn sein Bruder<br />
au<br />
f dem Gabentisch vorfinden würde. Mir blieb nur ein<br />
hi<br />
lfloses Achselzucken. Ausgelassen hüpfte er davon und<br />
de<br />
utete einige Tanzschritte an. Von seinem Gesang erreichte<br />
n mich nur noch wenige Wortfetzen....doch ich begriff,<br />
f,<br />
wa<br />
s er mir sagen wollte.<br />
Einige Tage später fühlte ich mich nach dem Besuch des<br />
We<br />
ihnachtsgottesdienstes zunächst ziemlich angespannt.<br />
Es<br />
ging in der Predigt wie jedes Jahr um den römischen<br />
He<br />
rrscher, der eine Pigmentstörung auf seiner Haut als<br />
hi<br />
mmlisches Zeichen wertete. Zum Glück war er ja als<br />
fr<br />
iedliebender Kaiser in die Geschichte eingegangen. Das<br />
wi<br />
rkte letztlich tröstlich auf mich, da ich im Moment ein<br />
zi<br />
emlich gestörtes Verhältnis zu Körperflecken habe. Doch<br />
im<br />
Laufe des Abends lockerte ich auf. ER war begeistert<br />
üb<br />
er mein Weihnachtsgeschenk. Schon bald würden wir<br />
be<br />
ide den ersten gemeinsamen Abend bei unserem persönli<br />
chen Tanztrainer verbringen.<br />
ER fragte mich mehrmals, wie ich nur auf so eine groß-<br />
ar<br />
tige Idee gekommen wäre. Ich schwadronierte ein wenig<br />
üb<br />
er die Schwierigkeit, etwas Originelles zu finden. Als<br />
da<br />
s klingelnde Telefon mich unterbrach, war ich heilfroh.<br />
ER<br />
tänzelte grinsend mit seinem Weinglas in Richtung des<br />
Ap<br />
parates. Der Abend war bis jetzt richtig positiv gelaufen<br />
un<br />
d würde sicher noch himmlisch enden. Ich ging zum Luft<br />
ho<br />
len vor die Türe, während die Zwillingsbrüder sich lebha<br />
ft über ihre Geschenke austauschten. Der Sternenhimmel<br />
wa<br />
r wunderschön und glauben Sie mir, der „Große Wagen“<br />
st<br />
rahlte heute besonders hell.<br />
Ulla<br />
la D‘Ami<br />
mico<br />
co, Freu<br />
eude<br />
nber<br />
erg<br />
4/<strong>2013</strong> durchblick 21