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2013-04

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für<br />

ü<br />

mich ein Problem: Das ist ER, mein geliebter<br />

Ehemann!<br />

We<br />

nn alles um mich herum dem Fest entgegenfiebert,<br />

t,<br />

he<br />

rrscht in meinem Kopf intensivster Mangel an Geschenk-<br />

ideen.<br />

Einen Reinfall wie letztes Jahr darf ich mir nicht leisten.<br />

Irge<br />

ndwie ist ER besonders anspruchsvoll, zumindest was<br />

se<br />

ine Weihnachtswünsche angeht. ER verbittet sich langweilige,<br />

geschmacklose Geschenke sowie ästhetische Irrita-<br />

ti<br />

on<br />

en. Auch das Internet hilft mir da wenig, da die meisten<br />

en<br />

Vo<br />

rschläge nicht meinen finanziellen Verhältnissen entspre-<br />

chen. So bin ich mal wieder auf der Suche nach etwas, was<br />

ER<br />

vielleicht „originell“ findet. ER erwartet eine ganz be-<br />

so<br />

ndere Idee, die aber nicht zwangsläufig teuer sein muss.<br />

s.<br />

Do<br />

ch leider sagt ER mir auch nicht, wo es so etwas vielleicht<br />

zu<br />

finden gibt. Bei meinem Besuch in der Einkaufspassage<br />

be<br />

merkte ich die vielen Personen, die als Weihnachtsmännner<br />

verkleidet, herumlaufen. Und plötzlich drängt mir so ein<br />

Weihnachtsmann einen Flyer auf. Dieser ist von einer Partei,<br />

de<br />

ren Grundsätze ich vor vielen Jahren mal vertreten hatte.<br />

Ich wiederhole: Hatte! Mein beruflicher Werdegang war mir<br />

da sehr hilfreich, so dass ich mit meiner jugendlichen Sozi-<br />

alromantik abschloss. Doch das ist ein ganz anderes Thema.<br />

Der Weihnachtsmann verfolgte mich ein Stück und wollte<br />

unbedingt mit mir diskutieren. Ich rettete mich schnellen<br />

Schrittes durch die Drehtüre der Passage und entsorgte den<br />

Fl<br />

yer in einem Papiermülleimer. Ein Angestellter des Si-<br />

ch<br />

erheitspersonals, der neben der Drehtüre seinen Dienst<br />

sc<br />

hob, nickte mir anerkennend zu. Dann verlief mein Ein-<br />

ka<br />

ufsbummel recht ruhig und erfolgreich. Einige Stunden<br />

später deponierte ich meine vielen Einkaufstüten bei dem<br />

fr<br />

eundlichen Ablageservice im Erdgeschoss. Obwohl es<br />

sc<br />

hon kurz nach fünf war, hatte ich das Glück, einen Fen-<br />

st<br />

erplatz im stadtbekannten Cafe im 3. Obergeschoss zu<br />

er<br />

gattern. Bei der besonderen Aussicht auf die festlich gesc<br />

hmückte Stadt wollte ich nun endlich darüber nachdenken, n,<br />

we<br />

lches Geschenk für IHN in Frage käme. Meine Einfälle<br />

le<br />

ha<br />

tten ja bisher nur für meine eigene Ausstattung gereicht:<br />

ei<br />

ne eigentlich viel zu teure Wildlederjacke, die neueste CD<br />

vo<br />

n meinem Lieblingssänger und eine Flasche vom edelsten<br />

Se<br />

kt. Nachdem ich meine bestellte Schokolade mit Sahne<br />

se<br />

rviert bekam, trat eine Person mit rotem Mantel, Zipfel-<br />

mü<br />

tze und weißem Bart neben den Tisch. Eine Hand fuhr<br />

zärtlich um mein Kinn und drehte meinen Kopf. Ich war<br />

zunächst sprachlos. War ER das etwa? „Du“, stammelte ich<br />

er<br />

staunt. Mit einem leichten Kopfschütteln setzte sich der<br />

We<br />

ihnachtsmann auf den mir gegenüberliegenden Platz. Er<br />

ze<br />

ichnete mit meinem Kakaolöffel ein Bild auf die Tischde-<br />

ck<br />

e, ein Sternbild. Mir war diese Konstellation nur zu gut<br />

be<br />

kannt. Es handelte sich um Leberflecke, die sich in dieser<br />

er<br />

An<br />

ordnung bei IHM, meinem ge<br />

liebten Ehemann, auf einer<br />

Kö<br />

rper<br />

erre<br />

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en ER und sein<br />

Bru<br />

rude<br />

der<br />

si<br />

ch eben nur durch diese Leberflecke. Aber schon nahmen<br />

di<br />

e Dinge ihren Lauf. Zu spät erkannte ich den Irrtum, der<br />

mi<br />

ch bis heute verfolgt.<br />

Treten wir bei sternenklarem Himmel vor unsere Haustü<br />

re, so befindet sich der „Große Wagen“ immer irgendwo<br />

üb<br />

er mir. ER geht dann meistens eine Runde spazieren und<br />

er<br />

freut sich an den Gestirnen.<br />

Und nun sitze ich in dieser Stadt, in dieser Einkaufspassage<br />

, in diesem Cafe und traue meinen Ohren nicht. Der Weihna<br />

chtsmann spricht davon, dass es ihm zur Zeit gar nicht<br />

gu<br />

t geht und ich ihm seine leicht depressiven Gedanken, so<br />

al<br />

s ganz persönliche Weihnachtsfrau, zerstreuen könnte. Er<br />

lä<br />

chelte mich immer wieder charmant an und zog seine Stirn<br />

kr<br />

aus, genau wie ER es auch immer tut. Glauben Sie mir:<br />

Ic<br />

h wollte nicht! Ich wollte wirklich nicht!<br />

Dann nahm er meine Hand, zog mich aus dem Cafe<br />

un<br />

d wir verbrachten die nächsten Stunden ausgesprochen<br />

ha<br />

rmonisch. Als die Passage ihre Tore schloss, versicherte<br />

de<br />

r vermeintliche Weihnachtsmann mir, dass unser Zusamme<br />

nsein wie ein vorweihnachtlicher Zauber auf ihn gewirkt<br />

hätte. Alle leicht depressiven Gedanken seien einfach<br />

ve<br />

rschwunden. Als wir in den späten Abend hinaustraten,<br />

ve<br />

rabschiedete er sich mit der Frage, was denn sein Bruder<br />

au<br />

f dem Gabentisch vorfinden würde. Mir blieb nur ein<br />

hi<br />

lfloses Achselzucken. Ausgelassen hüpfte er davon und<br />

de<br />

utete einige Tanzschritte an. Von seinem Gesang erreichte<br />

n mich nur noch wenige Wortfetzen....doch ich begriff,<br />

f,<br />

wa<br />

s er mir sagen wollte.<br />

Einige Tage später fühlte ich mich nach dem Besuch des<br />

We<br />

ihnachtsgottesdienstes zunächst ziemlich angespannt.<br />

Es<br />

ging in der Predigt wie jedes Jahr um den römischen<br />

He<br />

rrscher, der eine Pigmentstörung auf seiner Haut als<br />

hi<br />

mmlisches Zeichen wertete. Zum Glück war er ja als<br />

fr<br />

iedliebender Kaiser in die Geschichte eingegangen. Das<br />

wi<br />

rkte letztlich tröstlich auf mich, da ich im Moment ein<br />

zi<br />

emlich gestörtes Verhältnis zu Körperflecken habe. Doch<br />

im<br />

Laufe des Abends lockerte ich auf. ER war begeistert<br />

üb<br />

er mein Weihnachtsgeschenk. Schon bald würden wir<br />

be<br />

ide den ersten gemeinsamen Abend bei unserem persönli<br />

chen Tanztrainer verbringen.<br />

ER fragte mich mehrmals, wie ich nur auf so eine groß-<br />

ar<br />

tige Idee gekommen wäre. Ich schwadronierte ein wenig<br />

üb<br />

er die Schwierigkeit, etwas Originelles zu finden. Als<br />

da<br />

s klingelnde Telefon mich unterbrach, war ich heilfroh.<br />

ER<br />

tänzelte grinsend mit seinem Weinglas in Richtung des<br />

Ap<br />

parates. Der Abend war bis jetzt richtig positiv gelaufen<br />

un<br />

d würde sicher noch himmlisch enden. Ich ging zum Luft<br />

ho<br />

len vor die Türe, während die Zwillingsbrüder sich lebha<br />

ft über ihre Geschenke austauschten. Der Sternenhimmel<br />

wa<br />

r wunderschön und glauben Sie mir, der „Große Wagen“<br />

st<br />

rahlte heute besonders hell.<br />

Ulla<br />

la D‘Ami<br />

mico<br />

co, Freu<br />

eude<br />

nber<br />

erg<br />

4/<strong>2013</strong> durchblick 21

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