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2013-04

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KNUFFIG,<br />

KLEIN<br />

und ungeheuer pfiffig<br />

Autorenfoto<br />

Ich hörte meinen Mann rufen: „Nein, das darf nicht wahr<br />

sein, er hat schon wieder meine Ohrstöpsel geklaut“.<br />

Alles, was wir unbedacht liegen lassen, verschwindet<br />

auf eigenartige Art und Weise, denn seit einigen Monaten<br />

lebt in unserem Haushalt ein kleiner liebenswerter Dieb.<br />

Wir kamen zu ihm wie die Jungfrau zum Kinde.<br />

Irgendwann im letzten Herbst erzählte unser Enkel: „Wir<br />

haben einen kleinen Hund“. Als sie uns ein paar Tage später<br />

besuchten, brachten sie das niedliche kleine Bündel mit.<br />

Ängstlich und aufs Äußerste angespannt, saß das Hundekind<br />

nur bei seinem Frauchen auf dem Schoß und blickte scheuschüchtern<br />

um sich. Doch jeder weitere Besuch ließ das<br />

vierbeinige Bündelchen lebhafter, zutraulicher und vor allem<br />

neugieriger werden. Es dauerte auch nicht lange, bis er sich<br />

ermutigt fühlte, unsere Wohnung ganz intensiv zu erkunden.<br />

Drollig sah es aus, wenn er sich mit seinen kurzen Beinchen<br />

abmühte und anstrengte, die Couch oder einen Sessel<br />

zu erklimmen. Die ersten Versuche schlugen trotz längerer<br />

Anlaufstrecke jedes Mal fehl. Es hinderte ihn nicht, weitere<br />

Versuche zu unternehmen. Zwei Stofftiere auf der Couchlehne<br />

sahen für ihn äußerst verlockend aus und als er es endlich<br />

geschafft hatte, blieb, wie bei unseren kleinen Enkeln,<br />

plötzlich nichts mehr vor ihm sicher. Nach jedem Besuch der<br />

jungen Familie war bei uns das große Suchen angesagt. Wir<br />

mussten die Reste von Gegenständen einsammeln. Kugelschreiber<br />

lagen zerbissen in Einzelteilen auf dem Teppich.<br />

Opa suchte seine Hörgeräte, meine Wollknäuel kullerten<br />

herum. Sogar das Kabel meiner Strickbeleuchtung fiel dem<br />

knabbernden Drang des Vierbeiners zum Opfer. Das letzte<br />

schüchterne Verhalten wurde gebrochen, als Opa begann, die<br />

Gunst des Tieres zu erhaschen. Er war nämlich total gerührt<br />

und „aus dem Häuschen“, wenn das Hundchen vor ihm saß<br />

und ihn treuherzig mit den dunklen Knopfaugen anblickte.<br />

Getreu dem alten Spruch, dass die Liebe durch den Magen<br />

ginge, bestrich er eine Scheibe Brot schön mit Leberwurst,<br />

schnitt mund-, sprich schnauzengerechte Häppchen und hibbelig<br />

freudig wedelte das Schwänzchen des Tieres aufgeregt<br />

dem Gaumenschmaus entgegen. Selbstverständlich war der<br />

kleine Hund nicht dumm. Er verzichtete seitdem auf Frauchens<br />

Schoß und sein Hauptaugenmerk war dann ganz spontan<br />

auf den Opa gerichtet. Der wiederum fühlte sich plötzlich<br />

jugendlich belebt und tobte mit dem Tier frei nach der Devise<br />

„je oller, je doller“. Vier kurze Beinchen rasten durch unsere<br />

Wohnung. Ein regelrechtes Qualifying zwischen Mensch<br />

und Hund. Wie in Formel-I-Manier, in der Pole-Position lag<br />

das Tier auf den Start lauernd vor Opa. Die Vorderpfoten<br />

auf dem Boden angewinkelt, darauf der kleine Kopf mit<br />

den Augen in Blickkontakt, in Lauerstellung auf den Start<br />

wartend. Die Hinterbeine aufgestellt, mit dem Schwanz wedelnd,<br />

zum Sprung bereit, und dann sah man ihn nur noch<br />

um den Küchentisch, über die Stühle, quer durch den Raum,<br />

durch die Tür um den Wohnzimmertisch und Sessel jagen. In<br />

diesenAugenblicken ist es heute noch ratsam, sich selbst und<br />

vor allem Gegenstände rasch in Deckung zu bringen. Wie<br />

selbstverständlich gehörte Eddy, so wurde das Wundertier<br />

von unseren Enkeln getauft, von nun an zur Familie und war<br />

natürlich überall dabei. Meistens hüpfte er als erster aus dem<br />

Auto, zappelte mit seinen kurzen Beinchen vor der Haustür,<br />

sauste ins Haus und wartete gespannt vor dem Kühlschrank.<br />

Mit schräg gestelltem Köpfchen schmachtete er um ein Leckerlie.<br />

Es ist nicht schwer zu erraten, wie Opa reagierte.<br />

Als es dem Frühjahr entgegenging bedauerte ich es sehr,<br />

dass mich wieder niemand auf meinen Waldspaziergängen<br />

begleiten wollte. Immerhin konnte ich ab und zu meinen<br />

Enkel überreden. Wir sahen, wie die Schwarzkittel zunehmend<br />

den Waldboden aufgewühlt hatten. Auf jedes Geräusch<br />

horchend, hatte ich stets eine Heidenangst. „Oma,<br />

du musst keine Angst haben, ich bin doch bei dir. Ich rette<br />

dich, wenn ein Wildschwein kommt“, munterte mich Jona<br />

auf und „Weißt du was? Du kannst ja den Eddy mitnehmen“.<br />

Scheinbar hatte Omas Angst bei meinem Enkel eine<br />

nachhaltige Wirkung hinterlassen.<br />

„Über Ostern könnt ihr Eddy mal probeweise behalten“,<br />

hieß es eines Tages. Darauf hatte ich gehofft, es aber nicht<br />

erwartet. Spontan willigte ich ein. Nicht nur die Oma war<br />

sichtlich beglückt. Auch dem kleinen Hund konnte man die<br />

Freude seiner neuen Freiheit in der Natur anmerken und<br />

Eddy blieb für immer bei uns. Den Garten erkannte er sofort<br />

als sein Reich an. Er behauptet und bewacht seitdem sein<br />

Revier. Als Stammplatz für seine andauernde Neugier fand<br />

38 durchblick 4/<strong>2013</strong>

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