09.09.2016 Aufrufe

2013-04

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

len das Brot subventioniert wurde und billig war, wurden<br />

die Schweine natürlich mit Brot gefüttert.<br />

Am nächsten Tag besuchten wir das Schloss Fürstenstein<br />

mit seinem großen Park, unweit der Kreisstadt<br />

Waldenburg. Hier waren einmal die Fürsten von Pleß zu<br />

Hause gewesen. Dieses Schloss war so gut es ging, fein<br />

herausgeputzt für die Touristen. In den Innenräumen<br />

hatten allerdings die russischen Soldaten direkt nach<br />

dem Zusammenbruch gewütet. Die antiken Möbel waren<br />

alle fortgeschleppt oder zerschlagen worden.<br />

Einen Tag später machten wir einen Ausflug nach<br />

Gottesberg. Kein besonders attraktiver Ort, mit vielen Bergschäden. Und besonders<br />

hoch gelegen. Der Panorama-Blick zum Riesengebirge war besonders beeindruckend. In Gottesberg<br />

war einmal Gold gefördert worden. Später ging es weiter nach Hirschberg, einem malerischen Städtchen<br />

mit einem sogenannten „Ring“ als Stadtmittelpunkt. Diesen Ort hatten die Polen sehr schön restauriert,<br />

hierin waren sie Meister. Unter den Kolonnaden gab es kleine, aber feine Restaurants, deren<br />

Speisekarte auch in Deutsch geschrieben war.<br />

Der letzte Tag führte uns nach Krummhübel (Karpacz), einem hoch gelegenen Wintersportort im<br />

Riesengebirge. Dort steht auch die hölzerne Stabkirche Wang, eine Wehrkirche wie in Norwegen. Diese<br />

hatte die norwegische Regierung einmal dem deutschen Kaiser geschenkt. Dann fuhren wir mit dem<br />

Sessellift in die Schlesierbaude, direkt unterhalb der Schneekoppe. Deine Oma und Tante Trudl kehrten<br />

ein, um dort „Flaczki“ zu essen. Das ist der polnische Name für Schampe. Ich wanderte über einen<br />

steilen Geröllweg zwischen Felsen hindurch auf die Spitze der Schneekoppe. Von oben hatte ich einen<br />

wunderschönen Panoramablick in die Gebirgslandschaft der Sudeten, hinüber nach Tschechien. Ob der<br />

Berggeist Rübezahl heute noch seinen Schabernack treibt? Begegnet bin ich ihm jedenfalls nicht.<br />

Auf dem Rückweg holte ich die beiden Freundinnen, die inzwischen bei Kaffee und Kuchen angelangt<br />

waren, wieder ab. Sie konnten nicht mehr so hoch klettern. Auf dem Rückweg besuchten wir<br />

in Agnetendorf noch das Wohnhaus von Gerhardt Hauptmann, der im Sommer in seinem Haus auf<br />

Hiddensee lebte.<br />

Es war Zeit, wieder nach Siegen zurückzukehren. Am nächsten Morgen verließen wir das Hotel in<br />

Richtung Westen. Unterwegs kamen wir dann noch an Bunzlau vorbei. Dieser Ort war früher einmal<br />

für seine braune Bunzlauer Keramik bekannt, ganz besonders für die dicken braunen Gurken- und<br />

Sauerkraut-Töpfe, „Punzeltöppe“ genannt. Viele Menschen aus dem Ort haben später im Kannebäckerland<br />

eine neue Heimat gefunden und dort ihr Handwerk weiter ausgeübt. In Bunzlau ist auch<br />

der Kabarettist Dieter Hildebrandt geboren und aufgewachsen.<br />

Wir überquerten nun in Görlitz wieder die Grenze zur DDR. In unserer alten Heimat sagten die<br />

Leute immer „Lebgesund“ oder „Leben Sie gesund“, wenn sie „Auf Wiedersehen“ sagen wollten.<br />

Nach Hause zurückgekehrt, freuten wir uns, dass die Landschaft im Siegerland genauso mittelgebirgig<br />

war, wie in unserer früheren Heimat, ausgenommen natürlich das Riesengebirge.<br />

Es gibt noch eine weitere Gemeinsamkeit: Auch in unserer alten Heimat gab es Fördertürme. Dort<br />

wurde Kohle gefördert. Als ich als Kind nach Siegen kam, standen hier auch noch Fördertürme auf<br />

den Hügeln, die hochwertiges Eisenerz zu Tage holten.<br />

Während unserer Reise explodierte der Atomreaktor in Tschernobyl. Wir konnten zurückreisen.<br />

Immer noch muss ich daran denken, wie nahe die Ukraine bei Polen liegt, und daran, dass die Menschen,<br />

denen wir auf unserer Reise begegnet sind, nicht einfach ihr Land verlassen konnten. Offiziell<br />

sind damals keine Messergebnisse bekannt geworden.<br />

Ich freue mich, wenn ich Dein Interesse an der alten Heimat ein wenig wecken konnte.<br />

Liebe Grüße von<br />

Deiner Tante<br />

Schlesierbaude an der Schneekoppe

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!