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2013-04

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wichtig ist“, und dass es darauf ankomme, „die Städte und<br />

Träger für die neue Zielgruppe zu sensibilisieren“, ist dies<br />

eine Wortblase ohne inhaltliches Gewicht.<br />

Frank Laubenburg, der Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft<br />

queer der NRW-Linken, setzt dem entgegen:<br />

„Die im Koalitionsvertrag angekündigte Stärkung von ‚effektiver<br />

Akzeptanzarbeit und hilfreicher Selbstorganisation‘<br />

gerade im ‚ländlichen Raum‘ kollidiert mit dem sogenannten<br />

‚Stärkungspakt‘ für verschuldete Kommunen. Diese erhalten<br />

‚Landeshilfen‘ nur dann, wenn sie ihre ‚freiwilligen Leistungen‘<br />

vor Ort dramatisch kürzen, zum Beispiel im Kultur- und<br />

Sozialbereich. Davon dürften in den nächsten Jahren auch<br />

schwule und lesbische Projekte betroffen sein.“<br />

Wie also kann die Stadt Siegen angesichts dieses Befunds<br />

„die Situation gleichgeschlechtlich liebender älterer<br />

Menschen stärker berücksichtigen“?<br />

Sie müsste zunächst tatsächlich mit Geduld und Fantasie<br />

diejenigen Bürger und Bürgerinnen ausfindig machen, die<br />

unter dem Homosexuellenparagraphen zu leiden hatten. Dazu<br />

gehören Forschungen in Gerichts- und anderen Archiven.<br />

Dazu gehören Aktivitäten im Rahmen der „Geschichte von<br />

unten“, Befragungen von Alten durch die Enkelgeneration,<br />

Suchen in Familiendokumenten u.ä. Dazu gehört das konkrete<br />

Angebot von schnellen und unbürokratischen Hilfestellungen<br />

finanzieller und institutioneller Art, die zwar nicht die<br />

Bedeutung einer Entschädigung haben können, aber doch den<br />

Willen zur kommunalen Rehabilitation symbolisieren. Dazu<br />

gehören schließlich aktive Initiativen in Richtung Landesregierung,<br />

die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen zur<br />

Rehabilitation und Entschädigung zu schaffen.<br />

Frank Laubenburg kritisiert in seiner Stellungnahme<br />

zum Koalitionsvertrag auch die Aussage, dass die Anliegen<br />

der Schwulen- und Lesbenbewegung auch „Eingang<br />

in die Lehrpläne finden und in den Lehr- und Lernmaterialien<br />

berücksichtigt werden“ sollen, als unkonkret. Und er<br />

stellt fest, dass die Landesregierung „noch nicht einmal die<br />

Schulbücher in NRW aus dem Verkehr gezogen“ hat, „die<br />

offen homophobe Passagen enthielten.“<br />

Diese Kritik kann dazu anregen, auch auf kommunaler<br />

Ebene Lehr- und Lernmaterialien für die schulische und<br />

außerschulische Aufklärungsarbeit zu entwickeln, in denen<br />

die Situation der Schwulen und Lesben nach 1945 deutlicher<br />

herausgestellt wird und Hilfen zur eigenen Suche nach und<br />

Kontaktaufnahme mit solchen Menschen angeboten werden.<br />

Damit könnten nicht nur immer noch vorhandene Vorurteile<br />

gegenüber Homosexuellen und der Homosexualität<br />

abgebaut, sondern auch die gegenseitige Verständigung<br />

zwischen den Generationen gefördert werden.<br />

Dies gilt natürlich auch und vor allem für die Beheimatung<br />

von alten und älteren Schwulen und Lesben in<br />

der alltäglichen Lebenswirklichkeit unserer Gesellschaft:<br />

in Nachbarschaften, Parteien, Vereinen, Bürgerinitiativen,<br />

Interessenverbänden, Selbsthilfegruppen u.ä. Hier scheint<br />

mir der Titel der Experten-Veranstaltung der Stadt Siegen<br />

zumindest missverständlich: „Anders altern“ – ein schönes<br />

Wortspiel, das auf das „Anderssein“ von Schwulen und<br />

Lesben anspielen soll. Aber könnte es nicht vielleicht sein,<br />

dass diese Zielgruppe gar nicht „anders“ altern will, sondern<br />

genauso wie jedermann? Schwule und Lesben sind gerade<br />

im Alter zunächst wie Heterosexuelle mit den gängigen<br />

Problemen des Alterns konfrontiert: mit Krankheiten, mit<br />

zunehmend schwindender Mobilität, mit dem Nachlassen<br />

sexueller Fähigkeiten und Bedürfnisse, mit dem Verlust von<br />

vertrauten, befreundeten Menschen, von Lebenspartnern,<br />

mit zunehmender Einsamkeit und Vereinsamung. Diese Erfahrungen<br />

prägen sie wie jeden alten Menschen, vielleicht<br />

können oder möchten schwule Alte gerade in dieser letzten<br />

Phase ihres Lebens nicht mehr als „andere“ identifiziert,<br />

stigmatisiert werden, sondern suchen in besonderem Maße<br />

nach Kontakt zu anderen, Jüngeren, denen sie etwas von ihren<br />

Lebenserfahrungen weitergeben möchten. „Sensibiltät<br />

für ältere Schwule und Lesben“ hieße unter dieser Perspektive,<br />

sich solcher Kontaktsuche gegenüber zu öffnen, nicht<br />

im verengten Blick auf „schwule Probleme“, sondern auf<br />

die allgemeinen Probleme des Alterns und Altseins.<br />

Die „Schwule Initiative Siegen“ kann den alten Brüdern<br />

und Schwestern sicher Möglichkeiten bieten, einander zu begegnen,<br />

gemeinsame Probleme zu diskutieren, gemeinsame<br />

Unternehmungen zu planen und durchzuführen, ihnen auch<br />

Kontakte zu jüngeren Schwulen und Lesben zu eröffnen –<br />

und sie tut es. Aber sie braucht dazu auch die finanzielle und<br />

ideelle Förderung der Stadt und des Landes. Dann kann sie<br />

auch Initiativen ergreifen, um in anderen Organisationen, Vereinen,<br />

Gruppierungen für einen Klimawandel gegenüber der<br />

Homosexualität zu wirken. Das „Wichtige“ ist eben nicht, wie<br />

Caroline Brauckmann von der Landesinitiative Ältere Schwule<br />

und Lesben in NRW meinte, dass auf Landesebene „einAnfang<br />

gemacht wurde und die Politik eine Ansage gemacht hat“, und<br />

dass „wir“ jetzt „auch die Träger der Region auf den neuen<br />

Markt aufmerksam machen“ müssen. „Ansagen“ kann die Politik<br />

viele machen, wenn sie den „Trägern der Region“ nicht<br />

die notwendigen Mittel zurVerfügung stellt, wird die Experten-<br />

Veranstaltung nicht nur der „Anfang“, sondern das Ende der<br />

„Sensibilisierung für ältere Schwule und Lesben“ sein. Die<br />

Sicht auf schwule Alte als „neuen Markt“ disqualifiziert sich<br />

dabei selbst als menschenverachtend. Wolfgang Popp<br />

VdK Soziale Sicherheit in einer<br />

großen Gemeinscha"<br />

Kreisverband<br />

Siegen-Olpe-Wi!genstein<br />

57072 Siegen Morleystr.15-17<br />

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4/<strong>2013</strong> durchblick 41

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