2013-04
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den Worten der Großmutter gelauscht und, tief beeindruckt<br />
davon, auch jeden Tag für die Heimkehr des Onkels gebetet,<br />
an manchen Abenden allerdings mit einer kindlich zum<br />
Ausdruck gebrachten Ungeduld die Erwachsenen gefragt:<br />
„Ja, wann kommt der Onkel denn nun endlich? Ich habe<br />
schon so viel gebetet, warum dauert es so lange?“ Geduldig<br />
antwortete man: „Kind, du musst fleißig weiterbeten, eines<br />
Tages wird er bestimmt kommen.“ Unendlich viele Familien<br />
in Deutschland warteten in der damaligen Zeit auf die<br />
Heimkehr eines verschollenen Soldaten - Vater, Sohn, Mann<br />
oder Bruder. - Immer wieder hörte man von einer glücklichen<br />
Fügung, aber auch von unendlich traurigen Nachrichten,<br />
nämlich der Bestätigung eines gefallenen Angehörigen. Die<br />
Großeltern des Mädchens bangten um das Schicksal ihres<br />
jüngsten Sohnes, der imAlter von nur knapp siebzehn Jahren<br />
in den Krieg ziehen musste.<br />
An diesem Morgen war das kleine Mädchen nun besonders<br />
aufgedreht. Heute war doch Nikolaustag! Es hatte<br />
sich auch in letzter Zeit wirklich bemüht, besonders artig zu<br />
sein. Auch hatte es vor ein paar Wochen mit der Hilfe des<br />
Großvaters einen Wunschbrief an den Nikolaus geschrieben.<br />
Vielleicht konnte der ja auch dabei helfen, den Onkel<br />
heimzubringen, und außerdem wünschte es sich so sehr einen<br />
Schlitten, damit es, wie die anderen Kinder im Dorfe,<br />
nach Herzenslust rodeln könnte. Zu allem Überfluss hatte<br />
es in der vergangenen Nacht noch ein wenig geschneit.<br />
Das war ja großartig, und begeistert hüpfte die Kleine im<br />
Zimmer auf und ab und immer wieder zum Fenster, um<br />
den Schnee zu bewundern, so dass die Mutter große Mühe<br />
hatte, sie anzukleiden. Nach einer Weile wurde die Tür des<br />
Kinderzimmers geöffnet und der Vater steckte den Kopf<br />
herein. „Guten Morgen!“ rief er fröhlich, „und nun beeilt<br />
euch mal ein bisschen, alle warten schon auf Euch und wollen<br />
frühstücken!“<br />
Voller Freude rannte das Kind dem Vater in die Arme.<br />
„Papa, Papa, du bist ja noch da und nicht zur Arbeit gegangen?“<br />
„Ja Kind,“ sagte der Vater, „heute bleibe ich bei Euch,<br />
heute ist ein ganz besonderer Tag - Nikolaustag - und so, na,<br />
du wirst schon sehen.“ Mit diesen Worten nahm er das Kind<br />
auf den Arm und trug es die Treppe hinunter. Unten saßen<br />
wenig später endlich alle Hausbewohner, der Großvater, die<br />
Großmutter, der Vater, die Mutter und das kleine Mädchen<br />
in der gemütlich warmen Küche beim Frühstück. Aber, was<br />
war das nur an diesem Morgen? Die Erwachsenen sprachen<br />
heute so leise miteinander. Gab es ein Geheimnis? Es lag eine<br />
gewisse Spannung in der Luft. Vor allem schenkte niemand<br />
dem Kind an diesem Morgen irgendeine besondere Beachtung.<br />
So konnte es denn auch recht bald völlig unbemerkt<br />
vom Tisch entwischen, lange bevor die Anderen mit dem<br />
Frühstück fertig waren. Sehnsüchtig spähte es aus dem Küchenfenster<br />
in den Garten, der sich bereits in eine traumhafte<br />
Schneelandschaft verwandelt hatte, denn die Schneeflocken<br />
waren seit dem Morgen noch viel dichter vom Himmel gefallen.<br />
„Wenn es doch nur schon Abend wäre“, dachte es.<br />
„Ob der Weihnachtsmann wohl den Wunschbrief erhalten<br />
hatte und einen Schlitten bringen würde?“ Die Zeit verging<br />
so entsetzlich langsam, das Warten fiel so unendlich schwer.<br />
Im Hause wurde es nach dem Frühstück plötzlich lebendig.<br />
Alle fingen an, geschäftig hin und her zu rennen.<br />
Der Vater machte sich daran, in der Wohnstube im Ofen ein<br />
Feuer anzuzünden, fast so, als erwarte man Besuch wie an den<br />
Feiertagen. Großvater, der gleich nach dem Frühstück im Garten<br />
verschwunden war, kam kurze Zeit später wieder zurück<br />
mit zwei frisch gerupften Hühnern, die er der Großmutter in<br />
die Küche brachte. Dort hatten die Frauen bereits damit begonnen,<br />
eine Reihe von Speisen vorzubereiten.Alles sah ganz<br />
danach aus, als würde hier heute noch eine große Familienfeier<br />
stattfinden. Es dauerte auch gar nicht lange und aus der Küche<br />
drangen die köstlichsten Bratendüfte durch das ganze Haus.<br />
Sämtliche Versuche des kleinen Mädchens, dieAufmerksamkeit<br />
eines Erwachsenen zu erringen, schlugen an diesem<br />
Tag fehl. Selbst die alte Hündin hatte heute keinerlei Interesse<br />
an den üblichen Spielchen mit dem ausgedienten Tennisball.<br />
Sie lag ausgestreckt, aber mit erhobenem Kopf, vor<br />
dem warmen Küchenherd und beobachtete aufmerksam das<br />
emsige Treiben. Lediglich die Großmutter hatte letztendlich<br />
ein Herz für die Kleine und sang mit ihr ein paar wohlbekannte<br />
Weihnachtslieder, ohne dabei von ihrer Kocharbeit<br />
abzulassen. Großmutter konnte wunderbar, aber auch herzzerreißend,<br />
singen und sie hatte ihrem Enkelkind schon viele<br />
Melodien und Texte beigebracht. Nach einer Weile aber hatte<br />
die Kleine von der Singerei genug und sie machte sich daran,<br />
mit ihrer einzigen und heißgeliebten Puppe zu spielen. Einen<br />
Puppenwagen gab es nicht, dafür aber einen alten Wäschekorb,<br />
ausstaffiert mit Sofakissen, den sie mit unermüdlichem<br />
Eifer durch das Haus zerrte und schob und dabei die !<br />
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4/<strong>2013</strong> durchblick 23