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2013-04

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in Südwestfalen<br />

Pflege<br />

www.diakonie-sw.de<br />

erstaunliche Tatsache, dass in diesem „katholischen Land“<br />

die Sonntagsarbeit selbstverständlich geworden ist. Eine<br />

neue Tradition ist entstanden: morgens geht man zur Kirche<br />

und danach einkaufen! Wilden Kapitalismus nennt sie das.<br />

Die traditionelle Kirchenfrömmigkeit weicht auf: Die<br />

Kirche ist nicht mehr die mächtige Gegenspielerin des<br />

von den Sowjets verordneten Sozialismus. Sie hat keinen<br />

„Feind“ mehr und muss ihre Rolle neu definieren. Junge<br />

Leute bezeichnen sich heute oft als „Believing, but not<br />

belonging“. Erstaunt erfahren wir auch, dass evangelische<br />

Theologinnen in Polen noch um ihre Ordination kämpfen<br />

müssen!<br />

Das konservativ katholische Polen erleben wir inTschenstochau,<br />

dem größten Wallfahrtsort Polens. Wir „pilgern“<br />

vom Parkplatz aus mit den anderen Menschen zur Wallfahrtskirche.<br />

Der Orden der Pauliner gründete hier ein Kloster.<br />

Die Legende sagt, sie kamen her, um eine Wallfahrtskapelle<br />

für das Gnadenbild der „Schwarzen Madonna“ zu<br />

bauen, das Gnadenbild zu schützen und sich um die Pilger<br />

zu kümmern.Auf unserer Führung erfahren wir viel über die<br />

Geschichte des Ortes und beschmunzeln die Legenden um<br />

den versuchten Raub des Gnadenbildes durch die deutsche<br />

Wehrmacht. Nicole, eine kesse Germanistikstudentin, führt<br />

uns bei laufender Messe mit hunderten von Pilgern durch<br />

die Kapelle ins Museum. Dort sind auch die prachtvollen<br />

Gewänder ausgestellt, die das Gnadenbild trägt. Keine Ahnung,<br />

warum man eine Ikone bekleiden muss. Ursprünglich<br />

waren es zwölf Gewänder, seitdem eines gestohlen wurde,<br />

DiakonieStation<br />

Siegen-Süd<br />

02 71 35 66 44<br />

Siegen-Mitte<br />

02 71 2 44 22<br />

Weidenau<br />

02 71 7 98 02<br />

Geisweid<br />

02 71 4 05 87 83<br />

Wilsndorf<br />

0 27 39 4 77 66 4<br />

Freudenberg<br />

0 27 34 21 11<br />

Betreuungsangebote<br />

sind es nur noch elf. Das Gnadenbild trägt ein Gewand jeweils<br />

für ein Jahr, an Ostern wird es dann gewechselt. Sehr<br />

kostbar, vor allem das berühmte Bernsteingewand! Eine<br />

völlig fremde Welt für nüchterne Protestanten.<br />

Im Kloster haben wir nach der Führung ein Gespräch<br />

mit einem ehemals evangelischen, zur katholischen Kirche<br />

konvertierten Lehrer. In hervorragendem Deutsch berichtet<br />

er Ähnliches über die Situation der katholischen Kirche<br />

im heutigen Polen und die polnischen, Jugend, wie seine<br />

evangelische Kollegin zuvor. Seit der Wende befinden sich<br />

Kirche und Gesellschaft in Polen in einem großen Wandel,<br />

wobei die Kirche ihre Rolle als Identifikationsmerkmal<br />

mehr und mehr verliert.<br />

Zagopane, Partnerstadt von Siegen<br />

Wir erreichen Zagopane nach längerer Fahrt durch den<br />

Nationalpark Hohe Tatra in den Karpaten. Lech unterhält<br />

uns mit Klaviermusik von Chopin und erzählt Geschichten<br />

und Legenden über sein Land.<br />

Die Stadt mit ihren traditionellen, mit Schnitzereien verzierten<br />

Holzhäusern vermittelt sofort ein heimeliges Gefühl.<br />

Selbst die Hotelzimmer haben etwas von gemütlicher<br />

Stube. Was mich nach diesem Tag besonders nachdenklich<br />

macht: Die bisherigen polnischen Referenten, auch Lech,<br />

sprachen immer wieder von „den Kommunisten“, die alles<br />

Übel verursacht haben, als wären es nicht die eigenen Leute<br />

gewesen, sondern eine Invasion von einem anderen Stern,<br />

dem Stern Sowjetunion. Man kann das vielleicht nicht vergleichen,<br />

aber bei uns in Deutschland sind es immer „Die<br />

Nazis“, wenn es um die Ereignisse im Dritten Reich geht<br />

– von welchem Stern? Die Nazis, ein Terminus, den interessanterweise<br />

auch die Polen benutzen, wenn sie mit uns<br />

über die Verbrechen der Deutschen im Krieg und während<br />

der Okkupation Polens sprechen. Es fällt wohl schwer, „die<br />

Nazis“ und „die Kommunisten“ als Teil unserer eigenen<br />

Gesellschaften wahrzunehmen. Wir verdrängen unsere<br />

„Schatten“, unsere dunklen Seiten, wie es der Psychoanalytiker<br />

C.G. Jung wohl einordnen würde.<br />

Im Rahmen der Partnerschaft des Kreises Siegen-<br />

Wittgenstein mit Zakopane treffen wir Renata Polanska.<br />

Sie ist als Beauftragte der Berufs-Oberfachschule und<br />

Berufsschule in Zakopane für den Jugend-Austausch mit<br />

Siegen zuständig. Renata empfängt uns im Zentrum Zakopanes<br />

und führt uns zu ihrer Schule, an der sie – natürlich<br />

– Deutsch unterrichtet. Die Schule ist schon sehr alt und<br />

im traditionellen Baustil errichtet. Innen sind die Räume<br />

zum Teil von den Schülern selbst im Zakopane-Stil renoviert,<br />

alles in naturbelassenem Holz mit den ortsüblichen<br />

Schnitzereien versehen. Wir erfahren in den nächsten zwei<br />

Stunden viel über das Schulsystem allgemein und speziell<br />

über diese Schule in Zakopane. Auch hier spürt man den<br />

demografischen Wandel: Die Schule hat in diesem Jahr nur<br />

460 Schüler aufgenommen, 2012 waren es noch über 800!<br />

Renata begleitet uns später zu einem ganz besonderen<br />

Friedhof, auf dem Menschen beerdigt wurden, die sich um<br />

die Region besonders verdient gemacht haben. Zakopane<br />

war, ähnlich wie Davos in der Schweiz noch heute, Lun-<br />

64 durchblick 4/<strong>2013</strong>

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