2013-04
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Verlorene Heimat<br />
POLEN HEUTE<br />
eine Bildungsreise<br />
Ich sah den Flyer mit dem Angebot einer Studienreise<br />
nach Polen und wusste sofort: Da will ich mitfahren!<br />
Das Ziel der Reise, „Menschen und Landschaften, historische<br />
Belastungen und aktuelle Herausforderungen“, –<br />
keine Erholungs-, sondern eher eine „Fitnessreise“ – reizte<br />
mich sehr: Warschau (Hauptstadt Polens), Zelazowa (Geburtsort<br />
Chopins), Tschenstochau (Schwarze Madonna),<br />
Zakopane (Partnerstadt Siegens), Krakau (die schönste unter<br />
den Städten), Wieliczka (Salzbergwerk) und Auschwitz.<br />
Warschau, die Metropole<br />
Unsere Reise beginnt in Warschau. Uns empfängt der<br />
polnische Reiseführer Leszek Farfulowski: „Sagen Sie einfach<br />
Lech zu mir“. Lech, ein freundlicher, mittelgroßer und<br />
eher unauffälliger Mann, der mich in Sprache und Gestik<br />
an Fritz Muliar in seiner Rolle als braver Soldat Schwejk<br />
erinnert. Lech begleitet uns die ganze Zeit über mit seinem<br />
enormen Wissen, seiner warmen Herzlichkeit und seinem<br />
verschmitzten, manchmal auch melancholischen Humor.<br />
Er verkörpert für uns „polnische Mentalität“!<br />
In der modernen Skyline von Warschau fällt sofort ein<br />
außergewöhnliches Gebäude auf: Der Kulturpalast, ein<br />
Monument aus Sowjetzeiten. Von der rekonstruierten Neuund<br />
Altstadt sind wir tief beeindruckt, man merkt nicht<br />
einmal, dass sie ja eigentlich „neu“ sind. Die Polen gelten<br />
nicht umsonst als Weltmeister in der Rekonstruktion und<br />
Restauration alter Gebäude und Stadtteile.<br />
Wir sind angemeldet für einen Besuch im Sejm, dem<br />
polnischen Parlament. Das ist sogar für Lech eine Premiere.<br />
Vor dem Parlamentsgebäude geraten wir in eine lautstarke<br />
Demonstration mit unterschiedlich uniformierten Menschen:<br />
Polizei, Feuerwehr und andere Gruppen des öffentlichen<br />
Dienstes demonstrieren gegen die erhöhten Steuern!<br />
Der Seitenzugang zum Parlament, ein kleines Törchen, das<br />
leicht zu übersteigen wäre, ist mit einer dicken Kette und<br />
Schloss „gesichert“. Wir müssen warten, bis ein Sicherheitsbeamter<br />
erscheint, um aufzuschließen. Wir sind dann doch<br />
drüber geklettert, weil er leider den Schlüssel nicht finden<br />
konnte! Drinnen dann die üblichen Sicherheitskontrollen,<br />
ehe wir in den Plenarsaal geführt werden. Wir bekommen<br />
das politische System Polens auf charmante Weise erklärt<br />
und dürfen staunen, wer schon alles hier war! Auch Frau<br />
Merkel … Als wir wieder gehen, begegnen uns schon die<br />
ersten Abgeordneten, die wegen der Demo auf Umwegen<br />
zu ihrer Sitzung im Plenarsaal eilen. Demokratisches Polen.<br />
Unser nächstes Ziel ist der Wilanów-Palast, ein kleines<br />
Versailles, mitten in einem traumhaft schönen Park. Wieder<br />
sind wir beeindruckt von der Kunst der polnischen Restauratoren.<br />
Das historische Warschau wurde als Antwort<br />
auf den Warschauer Aufstand in 1944 von der deutschen<br />
Wehrmacht weitgehend zerstört. Schon 1945 bildete die<br />
kommunistische Partei ein Komitee zur Rekonstruktion der<br />
Alt- und Neustadt Warschaus und Krakaus.Als Vorlage hatte<br />
man nur die Gemälde des italienischen Malers Canaletto,<br />
der im 18. Jahrhundert viele Stadtpanoramen gemalt hat<br />
(Wikipedia). Zu Recht sind die Polen heute stolz auf dieses<br />
Weltkulturerbe (1980 UNESCO)!<br />
Ungefähr 50 km von Warschau entfernt liegt Zelazowa<br />
Waladot, der Geburtsort Chopins. Das Geburtshaus ist<br />
Kulturpalast. Mit 231 m lange Zeit höchstes Gebäude Europas<br />
Foto: wikipedia.de<br />
Geburtshaus von Frédérik Chopin<br />
Autorenfoto<br />
62 durchblick 4/<strong>2013</strong>