2013-04
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Stabkirche Wang<br />
den Zaun zu und fragte uns in Deutsch, ob wir etwas suchten. Wir<br />
erzähltem ihm, dass wir einmal hier gewohnt hatten und dass Deine<br />
Oma und auch ich hier geboren waren. Er lud uns freundlich ein,<br />
mit in seine Wohnung zu kommen und servierte uns dort einen Kaffee,<br />
obwohl Bohnenkaffee und auch Zucker zur damaligen Zeit in<br />
Polen schier unerschwinglich waren. Während Deine Oma und<br />
auch Tante Trudl mit dem netten alten Herrn redeten, träumte ich<br />
von der Vergangenheit, von dem Park, von der dicken stachligen<br />
Fichte, die mir als Kletterbaum diente und von der ich Oma oft<br />
erschreckte. Ich dachte an die kleinen Töpfe und Pfannen aus<br />
dem Puppenhaus, die ich neben der Fichte vergraben hatte, genauso<br />
wie das auch die Erwachsenen machten, weil sie vieles<br />
auf der Flucht nicht mitnehmen konnten. Ob sie noch dort lagen?<br />
Zu graben traute ich mich nicht.<br />
Inzwischen war ich aus meinen Gedanken zurückgekehrt.<br />
Auf dem runden Tisch lag eine Spitzendecke. Darunter<br />
konnte ich den Mahagoni-Tisch und im Raum ein paar andere<br />
Möbelstücke erkennen, die vor 40 Jahren einmal einer anderen Familie gehört<br />
hatten, deren Söhne Horst und Hansi etwa gleichaltrig waren. Wir hatten immer miteinander gespielt.<br />
Wohin mag es sie wohl verschlagen haben? Was war aus ihnen geworden?<br />
Später gingen wir durch das ganze Dorf. Oma und Tante Trudl erinnerten sich an viele Bewohner der einzelnen<br />
Häuser. Einen kleinen Teil der Dorfbewohner hat es nach Siegen verschlagen. Im Dorfmittelpunkt war<br />
immer noch die alte Mühle in Betrieb, über deren Antrieb auch eine Sägemühle betrieben wurde. Gegenüber<br />
stand einmal der Gasthof „Zum Reichmacher“ mit seinen dicken Kastanien im Garten, wo so ziemlich alle Feiern<br />
und Feste stattgefunden hatten. Nach Kriegsende wurde eine russische Kommandantur daraus. Jetzt war<br />
der Gasthof abgerissen, geblieben sind nur die gewaltigen Kastanien. Zwischen Mühle und „Reichmacher“<br />
führte ein Weg hinauf zum Großbauern Wittwer. Unterhalb stand einmal das Elternhaus von Trudl.<br />
Nun gingen wir durch eine mir noch von früher her vertraute Allee in das 5000-Einwohner-Städtchen<br />
Friedland, (heute Mieroszów) direkt an der tschechischen Grenze. Hier lebte damals Dein Opa<br />
mit Familie. Deine Oma und Tante Trudl strebten nun dem „Ring“ zu. So heißt der Stadt-Mittelpunkt,<br />
der wie eine italienische Piazza aussieht, mit Geschäftshäusern und Kolonnaden, in der Mitte einen<br />
Brunnen. Dort fand immer der Wochenmarkt statt, wie auch einmal im Jahr die große Kirmes.<br />
Unsere kleine Truppe stand neben dem Brunnen, von dem wir den besten Rundblick hatten. Deine<br />
Oma deutete nun etwas atemlos auf ein Lokal an einer Ausfallstraße und sagte: „Guck´mal Trudl, dort<br />
ist ja ‚Die Burg‘. Weißt du noch, unser Tanzlokal von damals. Mein Gott, wie oft waren wir dort. Ich<br />
habe immer nur eine heiße Zitrone getrunken. Na ja, unsere Männer haben wir da ja auch kennen gelernt.“<br />
Die beiden Frauen beschlossen nun, ein Taxi zu rufen und ins Hotel zurückzukehren. Zuvor aber<br />
fragte Tante Trudl den Taxifahrer, ob er so nett wäre, mal in der 2. Etage eines Hauses auf dem Ring bei<br />
den jetzigen Bewohnern nachzufragen, ob sie sich ihre frühere Wohnung mal ansehen dürfte, sie habe<br />
nämlich mit ihrem Mann einmal dort gewohnt. Und tatsächlich, diese netten Leute waren so freundlich.<br />
Allerdings ging damals (1986) immer noch das Gerücht, besonders bei den älteren Leuten, dass die<br />
Deutschen ja doch wieder zurückkommen! Auch die polnische Bevölkerung konnte sich noch immer<br />
nicht mit ihrer neuen Heimat identifizieren, denn auch sie hatten Ostpolen zwangsweise verlassen müssen.<br />
Die Russen okkupierten ihre Heimat nach dem Krieg. Aus diesem Grund zeigten sie auch erstaunlich<br />
viel Verständnis für die ehemaligen deutschen Bewohner. Weil die neue polnische Bevölkerung sich damals<br />
nicht mit ihrer neuen Heimat identifizierten konnte und auch weil sie bitter arm waren, hatten sie<br />
kein Interesse daran, etwas zu renovieren. Es war viel wichtiger, zu überleben und etwas zu essen zu haben.<br />
Daher kam es, dass Menschen in Stadthäusern zuweilen auf Balkonen Schweine fütterten. Da in Po-