stahlmarkt 9.2016 (September)
Aus dem Inhalt: Steel International / Stahlstandort Deutschland / Stahl & Automobil / Fahrzeuge / Baden-Württemberg / Anarbeitung / Stahlhandel & Stahl-Service-Center
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30 Stahlstandort Deutschland<br />
Projektstart Carbon2Chem<br />
Aus Hüttengasen Rohstoffe gewinnen<br />
Duisburg. Stahlerzeugung am Standort Deutschland soll es auch in<br />
10 Jahren noch geben. Aus diesem Grunde wurde Ende Juni das<br />
Verbundprojekt Carbon2Chem gestartet, eine Initiative, an der insgesamt<br />
17 Partner aus Industrie und Wissenschaft beteiligt sind. Ziel ist es, den<br />
CO 2<br />
-Ausstoß aus Stahlwerken wirtschaftlich zu nutzen.<br />
Aktiv beteiligt an dem Projekt sind mehrere<br />
international agierende Unternehmen<br />
wie thyssenkrupp, BASF, Covestro, Linde<br />
und Siemens, außerdem führende Wissenschaftsorganisationen<br />
und Universitäten,<br />
z. B. das Fraunhofer-Institut für Umwelt-,<br />
Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT<br />
und das Max-Planck-Institut für Chemische<br />
Energiekonversion (MPI CEC) in Mülheim.<br />
»Erstmals wollen wir die bei der Stahlherstellung<br />
anfallenden Gase nicht nur in Strom<br />
und Wärme umwandeln, wie das seit Jahrzehnten<br />
in unserer Industrie üblich ist, sondern<br />
wir wollen diese sogenannten Hüttengase<br />
als Rohstoff für die chemische Industrie<br />
nutzen«, erklärte Dr. Heinrich Hiesinger,<br />
Vorstandsvorsitzender der thyssenkrupp<br />
AG. Svenja Schulze, Ministerin für Innovation,<br />
Wissenschaft und Forschung in Nordrhein-Westfalen<br />
unterstrich: »Als erstes<br />
Bundesland haben wir bereits 2013 ein eigenes<br />
Klimaschutzgesetz verabschiedet. Wir<br />
wollen die CO 2<br />
-Emissionen bis 2050 um<br />
80 % reduzieren.« Jedoch gehe es nicht nur<br />
um CO 2<br />
-Vermeidung oder -Reduktion. Auch<br />
die Nutzung dieses Gases sei ein großes Forschungsfeld.<br />
Denn Hüttengase können fossile Rohstoffe<br />
ersetzen. Aus dem Abgas der Hochöfen<br />
entstehen dann Vorprodukte für Kraftstoffe,<br />
Kunststoffe oder Düngemittel. »Eine zu -<br />
kunftsfähige Industrieproduktion und engagierter<br />
Klimaschutz gehören zusammen. Mit<br />
Carbon2Chem zeigen wir dies glaubwürdig«,<br />
sagte Bundesforschungsministerin<br />
Prof. Dr. Johanna Wanka.<br />
Der benötigte Wasserstoff wird mit Überschussstrom<br />
aus erneuerbaren Energien<br />
produziert. Mit dem »Carbon2Chem«-Ansatz<br />
sollen 20 Mill. t des jährlichen deutschen<br />
CO 2<br />
-Ausstoßes der Stahlbranche<br />
künftig wirtschaftlich nutzbar gemacht werden.<br />
Dies entspricht 10 % der jährlichen<br />
CO 2<br />
-Emissionen der deutschen Industrieprozesse<br />
und des verarbeitenden Gewerbes.<br />
»Wir leisten außerdem einen wertvollen<br />
Beitrag zum Gelingen der Energiewende«,<br />
so Hiesinger, »Der Prozess kann die Schwankungen<br />
bei Erneuerbaren Energien ausgleichen.«<br />
Sobald überschüssiger Strom vorhanden<br />
ist, sollen die Gasströme so aufgeteilt<br />
werden, dass ein Teil als Rohstoff für die<br />
Chemieproduktion zur Verfügung steht.<br />
Das Bundesministerium für Bildung und<br />
Forschung fördert das Projekt mit über<br />
60 Mill. €. Die beteiligten Partner planen<br />
Investitionen von über 100 Mill. € bis 2025.<br />
Für die kommerzielle Realisierung haben sie<br />
mehr als 1 Mrd. € vorgesehen. Unter anderem<br />
wird thyssenkrupp Steel Europe in diesem<br />
Herbst noch mit einem Budget von<br />
30 Mill. € den Bau eines Technikums in Duisburg<br />
beginnen. Dort sollen die Carbon2-<br />
Chem-Prozesse im Pilotmaßstab erprobt<br />
werden.<br />
»Carbon2Chem ist ein gutes Beispiel<br />
dafür, dass Grundlagenforschung effektiv in<br />
die Anwendung überführt werden kann«,<br />
unterstrich Prof. Robert Schlögl, geschäftsführender<br />
Direktor des Max-Planck-Instituts<br />
MPI CEC in Mülheim und des Fritz-Haber-<br />
Instituts in Berlin. Von dem Projekt profitieren<br />
auch andere: Chemieunternehmen<br />
erschließen eine neue, saubere Rohstoffquelle:<br />
»Innovationssprünge entstehen heute<br />
an den Grenzen zwischen den Branchen«,<br />
betonte thyssenkrupp-Chef Hiesinger. »Carbon2Chem<br />
bringt Akteure aus allen Bereichen<br />
des Innovationsgeschehens zusammen:<br />
Grundlagenforschung, Anwendungsforschung<br />
und industrielle Praxis – aus<br />
unterschiedlichen Sektoren.«<br />
Für die Marktreife des Verfahrens in großindustriellen<br />
Anlagen werden mindestens<br />
10 Jahre Entwicklungsarbeit veranschlagt.<br />
Die Erfolgsaussichten seien jedenfalls gut,<br />
hieß es, denn die grundlegenden chemischen<br />
Abläufe und die benötigten Technologien<br />
seien weitestgehend bekannt. Aufgrund<br />
des modularen Ansatzes könnte die<br />
Technologie an mehr als 50 vergleichbaren<br />
Stahlproduktionsstätten weltweit und in<br />
verwandten emissionsintensiven Industriezweigen<br />
zum Einsatz kommen. Carbon2-<br />
Chem habe somit das Potenzial, zu einer<br />
bedeutenden Schlüsseltechnologie beim<br />
globalen Klimaschutz zu werden.<br />
K<br />
(sm 160904045)<br />
(Foto: bmbf/Ute Grabowsky)<br />
Sie haben das Carbon2Chem-Projekt<br />
vorgestellt (von links): Wissenschaftler<br />
Prof. Dr. Robert Schlögl, Bundesministerin<br />
Prof. Dr. Johanna Wanka, thyssenkrupp-Chef<br />
Dr. Heinrich Hiesinger und NRW-Ministerin<br />
Svenja Schulze<br />
<strong>stahlmarkt</strong> <strong>9.2016</strong>