UNIon - Europa-Universität Viadrina Frankfurt
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Am 28. und 29. März 2011 traf sich an der<br />
<strong>Europa</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Viadrina</strong> auf Einladung von<br />
Prof. Dr. Cornelia Müller das internationale Forschungsnetzwerk<br />
„Dynamic Multimodal Communication”.<br />
25 Sprachwissenschaftler, Politologen,<br />
Wirtschaftswissenschaftler, Juristen und<br />
Medienwissenschaftler aus Poznań, Amsterdam<br />
und <strong>Frankfurt</strong> (Oder) diskutierten über gemeinsame<br />
Forschungsperspektiven und Möglichkeiten<br />
der koordinierten Drittmitteleinwerbung.<br />
Gemeinsamer Gegenstand des Forschungsnetzwerks<br />
ist das neue transdisziplinäre Feld der dynamischen<br />
multimodalen Kommunikation<br />
(DMC). Dabei wird Kommunikation nicht reduziert<br />
auf ihren rein verbalen Anteil analysiert,<br />
sondern grundsätzlich als dynamisches Zusammenspiel<br />
verschiedener Ausdrucksmodalitäten<br />
aufgefasst. Methodisch verbindet die Arbeit des<br />
Netzwerks kognitiv-linguistische Ansätze zur<br />
Analyse von Sprachgebrauch und Gesten mit medienwissenschaftlichen<br />
Ansätzen zur Analyse bewegter<br />
Bilder und eröffnet so einen innovativen,<br />
fächerübergreifenden Zugriff auf ein Forschungsfeld,<br />
das face-to-face-Kommunikation ebenso<br />
umfasst wie medial vermittelte Kommunikationsformen.<br />
Die Beiträge zur Arbeitstagung illustrieren die<br />
große Vielfalt der interdisziplinären Fragestellungen<br />
und Verwendungskontexte von Kommunikation,<br />
die im Rahmen von DMC untersucht werden<br />
können. So stellte Prof. Dr. Cornelia Müller, Inhaberin<br />
des Lehrstuhls für Angewandte Sprachwissenschaft<br />
und Vizepräsidentin für Forschung<br />
und wissenschaftlichen Nachwuchs an der <strong>Viadrina</strong>,<br />
Ergebnisse eines empirischen Projekts zu<br />
multimodal hervorgebrachten Metaphern vor.<br />
Solche Metaphern können z.B. durch das Zusammenspiel<br />
von Sprache und Gesten erzeugt werden,<br />
aber auch durch die Kombination von Sprache<br />
und Film.<br />
Dazu analysierte Prof. Müller einen Bericht über<br />
die Finanzkrise in der „Tagesschau”, der durch<br />
filmische Sequenzen unterlegt war, in denen ein<br />
großes, schwerfällig manövrierendes Schiff gezeigt<br />
wurde. Audiovisuelle Images und verbale<br />
Äußerungen erzeugen dabei in dynamischer<br />
Wechselwirkung eine multimodale Metapher,<br />
durch die die Wirtschaft als schwer navigierbares<br />
Schiff präsentiert wird, das von einer unter<br />
Druck stehenden Regierung gesteuert wird.<br />
Multimodale Metaphern bildeten auch einen<br />
zentralen Bezugspunkt im Beitrag von Prof. Dr.<br />
Małgorzata Fabiszak von der Adam-Mickiewicz-<br />
<strong>Universität</strong> Poznań. Prof. Fabiszak untersucht<br />
multimodale Darstellungen des Holocausts in<br />
Gedenkstätten in Polen. Sie geht der Frage nach,<br />
inwieweit die Repräsentationen des Holocausts,<br />
die in den Gedenkstätten durch das Zusammenwirken<br />
von Bildern, Objekten, Gebäuden, Filmen<br />
und unterschiedlichen Texten erzeugt werden,<br />
zu den sich ändernden Repräsentationen<br />
des Holocausts im kollektiven Gedächtnis junger<br />
Polen passt.<br />
Daraus sollen neue, zeitgemäße und auf jünge-<br />
[<strong>UNIon</strong>]<br />
Arbeitstagung des internationalen Forschungsnetzwerks<br />
„Dynamic Multimodal Communication” an der <strong>Viadrina</strong><br />
FOTO: SCHNIEDERS FOTO: PRIVAT<br />
Ein relevantes Forschungsgebiet von DMC ist die<br />
Analyse von Gesten.<br />
re Generationen abgestimmte Ausstellungskonzepte<br />
für diese Gedenkstätten entwickelt werden.<br />
Prof. Dr. Charles Forceville, Medienwissenschaftler<br />
an der <strong>Universität</strong> Amsterdam, untersucht das<br />
dynamische Zusammenspiel von Text und Bild<br />
zum multimodalen Ausdruck von Emotionen in<br />
Comics und Werbung.<br />
Ebenfalls dem Zusammenspiel von Bild und Text<br />
widmet sich ein Projekt über die Verständlichkeit<br />
von Broschüren der Gesundheitsfürsorge, das<br />
Prof. Dr. Wilbert Spooren von der Freien <strong>Universität</strong><br />
Amsterdam vorstellte.<br />
Ausgehend von der umfangreichen wirtschaftswissenschaftlichen<br />
Forschungsliteratur zu Führen<br />
und Führung regte Prof. Dr. Jochen Koch, Inhaber<br />
des Lehrstuhls für Unternehmensführung<br />
und Organisation an der Wirtschaftswissen-<br />
Tagungen<br />
schaftlichen Fakultät der <strong>Viadrina</strong>, Untersuchungen<br />
zur multimodalen Führungskommunikation<br />
an. An einem filmischen Beispiel diskutierte er<br />
den Einsatz von Sprache, Gestik und Körperbewegungen<br />
bei der Vermittlung von direkten, expliziten<br />
und indirekten, versteckten Anweisungen im<br />
Gespräch zwischen Führendem und Geführtem.<br />
Instruktionsdiskurse untersucht auch Prof. Dr.<br />
Maciej Karpiński von der AMU Poznań, der Ergebnisse<br />
einer experimentellen Studie zum Zusammenspiel<br />
von Sprache und Gesten vorstellte.<br />
In weiteren Beiträgen wurden grundsätzliche<br />
theoretische Überlegungen zum Forschungsfeld<br />
DMC vorgetragen.<br />
Prof. Dr. Katarzyna Dziubalska-Kołaczyk, Leiterin<br />
der School of English an der AMU Poznań, positionierte<br />
die Forschungen zu DMC im Kontext<br />
anderer linguistischer Theorien.<br />
Prof. Dr. Alan Cienki von der Freien <strong>Universität</strong><br />
Amsterdam zeichnete die Entwicklung von DMC<br />
und den erreichten Stand der Forschung und<br />
Theoriebildung nach.<br />
Neben der inhaltlichen Arbeit diente die Tagung<br />
auch der Verständigung über gemeinsame Forschungsperspektiven<br />
und der Vorbereitung koordinierter<br />
Förderanträge. Das internationale Forschungsnetzwerk<br />
DMC hatte bereits den Antrag<br />
der <strong>Viadrina</strong> auf Einrichtung einer Graduiertenschule<br />
zu DMC im Rahmen der Exzellenzinitiative<br />
getragen. Davon ausgehend und aufbauend auf<br />
dem an der <strong>Viadrina</strong> bestehenden Graduiertenkolleg<br />
zu DMC (s. <strong>UNIon</strong> vom April 2011, S. 11)<br />
sollen in den anstehenden gemeinsamen Projekten<br />
nun Nachwuchsförderung und internationale<br />
Forschung eng miteinander verzahnt werden.<br />
Um die gemeinsamen Aktivitäten zu koordinieren,<br />
wurde die Gründung eines „International<br />
Centers for DMC” und der Aufbau einer gemeinsamen<br />
Website (www.europa-uni.de/dmc) beschlossen.<br />
DR. GUIDO SCHNIEDERS<br />
Prof. Dr. Alan Cienki während seines Vortrags, dem auch der Präsident der <strong>Viadrina</strong>, Dr. Gunter Pleuger<br />
(4.v.r.), beiwohnte.