UNIon - Europa-Universität Viadrina Frankfurt
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Diskussionen 21<br />
[<strong>UNIon</strong>]<br />
Neue Arbeitsgruppe<br />
zum Medienrecht<br />
gegründet<br />
Die Diskussionen während der 9. <strong>Frankfurt</strong>er<br />
Medienrechtstageam 24./25. November 2010 in<br />
der <strong>Europa</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Viadrina</strong> <strong>Frankfurt</strong> (Oder)<br />
sowie der 4. SEEMO-Konferenz am 2./3. Dezember<br />
2010 in Budapest belegten eindrucksvoll,<br />
dass in zahlreichen Ländern Ost- und Südosteuropas<br />
unverändert erhebliche Defizite bei den<br />
gesetzlichen Bestimmungen zur Regelung und<br />
Sicherung der Medienfreiheit sowie deren administrativer<br />
Umsetzung und – falls erforderlich –<br />
deren gerichtlicher Durchsetzung bzw. Verteidigung<br />
vorhanden sind. Die Rechtsprechung des<br />
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte<br />
(EGMR) hat sich zwar als wirksames Instrument<br />
zum Schutz der in Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention<br />
(EMRK) garantierten allgemeinen<br />
Meinungs- und Medienfreiheit in<br />
<strong>Europa</strong> erwiesen. Allerdings dauert das Verfahren<br />
bis zum und beim EGMR zu lange, um aktuelle<br />
Entwicklungen beeinflussen zu können.<br />
Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des<br />
EGMR zu Art. 10 EMRK wird aber in den Ländern<br />
Ost- und Südosteuropa durchaus kompetente<br />
öffentliche Kritik aus anderen Ländern gehört,<br />
insbesondere wenn sie gemeinsam von Medienrechtlern,<br />
Medienmachern und Medienunternehmern<br />
vorgebracht wird. Erfahrungen und<br />
Entwicklungen sowie Beispiele aus anderen Ländern<br />
<strong>Europa</strong>s können inländische Diskussionen<br />
zur Verbesserung oder Sicherung der Medienfreiheiten<br />
erheblich unterstützen.<br />
Um einen Beitrag zur nachhaltigen Verbesserung<br />
dieser Situation zu leisten, haben Medienrechtler<br />
der <strong>Europa</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Viadrina</strong> <strong>Frankfurt</strong><br />
(Oder), der <strong>Universität</strong> Pecs (Fünfkirchen),<br />
der „St. Kliment Ohridski <strong>Universität</strong>” Sofia und<br />
der <strong>Universität</strong> Belgrad zusammen mit Journalisten,<br />
Justitiaren, Medienunternehmern und seriösen<br />
Medienpolitikern dieser Länder die transnationale<br />
interdisziplinäre „Art. 10 EMRK-Arbeitsgruppe”<br />
gegründet. Ziel der Arbeit der für<br />
weitere Partner und Länder offenen „Art. 10<br />
EMRK-Arbeitsgruppe” ist die umfassende Gewährleistung<br />
der Medienfreiheit gemäß Art. 10<br />
EMRK insbesondere in den Ländern Ost- und<br />
Südosteuropas.<br />
Das konstituierende Symposium der„Art. 10<br />
EMRK-Arbeitsgruppe” fand in Zusammenarbeit<br />
mit dem Medienprogramm Südosteuropa der<br />
Konrad-Adenauer-Stiftung und der „St. Kliment<br />
Ohridski <strong>Universität</strong> Sofia” am 29. April 2011 in<br />
der Sofioter <strong>Universität</strong> „St. Kliment Ohridski“<br />
zum Thema „Gewährleistung und Durchsetzung<br />
der Medienfreiheit in <strong>Europa</strong>“ statt.<br />
Die Art. 10 EMRK-Arbeitsgruppe veranstaltet<br />
halbjährlich an den Teilnehmeruniversitäten Arbeitstagungen<br />
zu jeweils aktuellen Themen, insbesondere<br />
des Ausrichterlandes unter Einbeziehung<br />
der jeweiligen Erfahrungen anderer Länder.<br />
Die zweite Arbeitstagung der „Art. 10 EMRK-Arbeitsgruppe”<br />
findet am 15./16. November 2011<br />
an der <strong>Europa</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Viadrina</strong> <strong>Frankfurt</strong><br />
(Oder) statt.<br />
www.presserecht.de<br />
FOTO: MARIO QUAST<br />
Vortrag zu „Demokratie und Lobbying“<br />
„Demokratie und Lobbying“, zu diesem Thema<br />
referierte Dr. Wolf-Dieter Zumpfort, stellvertretender<br />
Vorstandsvorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung<br />
für die Freiheit und Leiter der Repräsentanz<br />
der TUI AG in Berlin, an der <strong>Europa</strong>-<br />
<strong>Universität</strong> <strong>Viadrina</strong>. Sein Vortrag widmete sich<br />
den wechselseitigen Beziehungen von Demokratie<br />
und Lobbying in einem Staat und auf internationaler<br />
Ebene.<br />
Den Ausführungen wurde die Definition von Lobbying<br />
als eine Interessenvertretung gegenüber<br />
den politischen Entscheidungsträgern zugrunde<br />
gelegt. Lobbying wirkt auf Entscheidungsprozesse<br />
von Politik und Verwaltung durch Information<br />
und Kommunikation ein.<br />
Lobbying sei kein Hindernis einer modernen Demokratie.<br />
Im Gegenteil ermöglicht das demokratische<br />
System gerade, eigene Interessen in den<br />
Prozess politischer Entscheidungsfindung einzubringen.<br />
Die Einflussnahme der Vertreter wechselseitiger<br />
und unterschiedlichster Interessen<br />
stelle daher ein notwendiges Element einer funktionierenden<br />
Demokratie dar. Aufbau und Pflege<br />
von Netzwerken zur Informationsbeschaffung<br />
und -wiedergabe sowie ständiger Dialog mit Entscheidungsträgern<br />
stellten tagtägliches Brot der<br />
Lobbyisten und Schwerpunkt ihrer Tätigkeit dar.<br />
Unter Zugrundelegung dieser Definition stellte<br />
Dr. Zumpfort die das Lobbying betreibenden Akteure<br />
sowie ihre Abhängigkeit untereinander vor.<br />
So gehören zu den Akteuren nicht nur Unternehmen,<br />
Verbände und Agenturen (wie Consultants,<br />
Anwälte, Politikberater), sondern auch Kirchen,<br />
Gewerkschaften und NGOs. Allein diese Vielfalt<br />
lässt Rückschlüsse auf eine breite Palette der vorgetragenen<br />
Argumente zu.<br />
Lobbying beruht auf Informationsaustausch und<br />
setzt daher wechselseitige Information und besonders<br />
Vertrauen voraus.<br />
Lobbying beruht jedoch nicht nur auf der Einbringung<br />
des Sachverstandes in die Arbeit der Staatsorgane.<br />
Vielfach arbeitet der Staat mit Unternehmen<br />
bei der Finanzierung für vorteilhafte Projekte<br />
zusammen, so z. B. im Fall der Werbung „Das<br />
ist Deutschland“.<br />
Die Notwendigkeit der Einholung des Sachver-<br />
Dr. Wolf-Dieter Zumpfort im Gespräch mit den Studierenden.<br />
standes aus der Gesellschaft führe hin und wieder<br />
dazu, dass ein Gesetz entgegen der grundgesetzlichen<br />
Vorgabe nicht immer nur von dem Parlament<br />
stammt. Im Einzelfall werden Entwürfe außerhalb<br />
der Politik vorbereitet und den Abgeordneten<br />
wird ein fertiges Gesetz zur Beratung vorgelegt.<br />
Als Beispiel diente hier die Vorbereitung<br />
des Hartz-IV-Gesetzes. Für das Zustandekommen<br />
des Gesetzentwurfs habe kein Minister Verantwortung<br />
übernommen. Hartz war Arbeitsdirektor<br />
bei VW. Zu dem Hartz-Ausschuss gehörten Vertreter<br />
der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände,<br />
der Unterverbände, der Kirchen, öffentlicher Einrichtungen,<br />
Parteien sowie Fraktionen.<br />
Dr. Zumpfort stellte auch die Kritik an der Institution<br />
des Lobbying vor, deren öffentliche Wahrnehmung<br />
durch Intransparenz und Skandale geprägt<br />
wird. Lobbyisten handeln in einem für das demokratische<br />
Wesen sehr empfindlichen Bereich. Um<br />
berechtigte Vorwürfe, aber auch Vorurteile zu<br />
entkräften, wies der Referent auf die Möglichkeiten<br />
der Regulierung und Kontrolle hin. Zur Erhöhung<br />
der geforderten Transparenz gebe es vielerlei<br />
Möglichkeiten. Als Beispiel diente hier das Gesetz<br />
über die Rechtsverhältnisse der Abgeordneten.<br />
Danach muss ein Abgeordneter, der auch ein<br />
Unternehmer ist, seine Einkünfte offenlegen. Er<br />
ist hierzu nicht nach dem geltenden GmbHG verpflichtet,<br />
doch unterliegt er der Offenlegungspflicht<br />
nach dem genannten Gesetz, das für jeden<br />
Abgeordneten gilt.<br />
Als einen weiteren Aspekt seiner Tätigkeit nannte<br />
Zumpfort seine Sachverständigenrolle. Oft wird er<br />
von Verbänden als Sachverständiger zu anderen<br />
Organisationen entsandt, wo er mit seinen<br />
Kenntnissen behilflich ist. Er bereitet Papiere für<br />
die Industrie, für deutsche Verhandlungsführer<br />
auf europäischer Ebene als auch für den zuständigen<br />
Kommissar aus der Europäischen Kommission<br />
sowie auch für die World Trade Organization<br />
vor.<br />
Während der anschließenden Diskussion wurde<br />
vor allem die positive Seite von Lobbying betont,<br />
als Übermittlung notwendigen Wissens von<br />
Menschen aus der Praxis an die Volksvertreter.<br />
MAGDALENA SKOWRON