Alpsommer&Viehscheid 2014
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Das Allgäu im Fokus: Thomas<br />
Neumahr genießt die Zeit in der<br />
Natur (oben links). Hier gelingt es<br />
ihm, die ganz besonderen<br />
Momente einzufangen – wie<br />
diesen Regenbogen am Hinanger<br />
Wasserfall (ganz rechts). Nochmal<br />
rauf auf den Grünten zum<br />
Fotografieren, wie damals, als er<br />
noch laufen konnte (Mitte) – das<br />
ist Neumahrs großer Wunsch<br />
fieren darin, auch mal Geduld zu haben und auf den<br />
perfekten Moment zu warten. Gerade in so einer<br />
schnelllebigen Zeit.« Die »schnelllebige Zeit« erwähnt<br />
Thomas Neumahr oft. Er sagt, da sei auch etwas Positives<br />
an seiner Behinderung: Zeit haben. Die meiste<br />
davon verbringt er mit seinem zwölfjährigen Sohn<br />
Lucas. Er war auch der Grund, warum er vor vielen<br />
Jahren angefangen hat, Fotos zu machen.<br />
»Mir geht es um das Festhalten<br />
meiner Erinnerungen und Erlebnisse.<br />
Das Aufwachsen meines Sohnes, aber<br />
auch die Schönheit unserer Region.«<br />
Deshalb stand es für ihn auch nie zur<br />
Debatte, nach seinem Unfall damit aufzuhören.<br />
Eigentlich hätte Thomas Neumahr gar nicht arbeiten<br />
müssen an diesem Tag im Januar 2011. Als Snowboardlehrer<br />
in einem Funpark im Kleinwalsertal vertritt<br />
er kurzfristig einen Kollegen. Seinen Kursteilnehmern<br />
will er den Sprung über eine der Schanzen demonstrieren.<br />
Nichts Ungewöhnliches. Doch dann geht<br />
etwas schief, Neumahr stürzt. Die Schere in seinem<br />
Erste-Hilfe-Set, das er umgebunden hat, wird ihm<br />
letztlich zum Verhängnis. »Es war Schicksal«, sagt er.<br />
»Es werden dir Dinge genommen, aber<br />
gleichzeitig gewinnst du auch welche<br />
dazu. Ich war vorher ein extremer Hektiker.<br />
Jetzt ist das anders, ich nehme alles<br />
bewusster wahr. Es ist ein bisschen wie<br />
ein siebter Sinn.« Die ersten drei Tage in<br />
der Murnauer Klinik waren hart. Neumahr<br />
lag allein in seinem Krankenzimmer. Falsche<br />
Hoffnungen zerschlugen die Ärzte schnell. Laufen<br />
würde er nie mehr können, geschweige denn Snow-<br />
»Seit dem Unfall<br />
nehme ich alles<br />
bewusster wahr«<br />
»Man darf<br />
nie aufhören<br />
zu kämpfen«<br />
board fahren. Vielleicht Rollstuhlsport. »Als würde<br />
man eine Fichte in die Wüste versetzen«, so beschreibt<br />
er sein Gefühl damals. Rausgerissen aus dieser Phase<br />
hat ihn Stephan, in dessen Zimmer Neumahr kurz<br />
darauf verlegt wurde. »Stephan ist komplett gelähmt.<br />
Er konnte zu dem Zeitpunkt nicht mehr essen und<br />
nicht mehr sprechen. Da habe ich gemerkt: Es hätte<br />
alles viel schlimmer kommen können.<br />
Von dem Zeitpunkt an habe ich mich<br />
keine Sekunde mehr bemitleidet.«<br />
Viele seiner Freunde konnten anfangs<br />
nicht mit seiner Situation umgehen,<br />
überschütteten ihn mit Mitleid oder<br />
übertriebener Hilfsbereitschaft. »Das war gut gemeint,<br />
aber manchmal sehr nervig. Es hat irgendwie an meinem<br />
Selbstwertgefühl gekratzt.« Sich sein Selbstwertgefühl<br />
zu bewahren, das ist Thomas Neumahr ganz<br />
wichtig. Und die Selbstständigkeit. Den Treppenlift<br />
vor seiner Haustüre benutzt er nicht, die vier Stufen<br />
schafft er auch so. Gekonnt schwingt er sich aus dem<br />
Rollstuhl, hält sich am Geländer fest und zieht sein<br />
Gefährt hinter sich die Treppe hinauf. Dass er das<br />
kann, hat er seinem starken Willen und hartem Training<br />
zu verdanken. »Man darf nie aufhören<br />
zu kämpfen, und man muss lernen,<br />
sich an Kleinigkeiten zu freuen. So wie<br />
Stephan. Seine Lebensfreude baut mich<br />
enorm auf.« Mit Stephan hat Neumahr<br />
noch immer Kontakt, die beiden wollen<br />
demnächst zusammen ein Konzert der<br />
Sportfreunde Stiller besuchen. »Das Leben geht weiter«,<br />
das weiß Thomas Neumahr. »Stillstand wäre ja<br />
auch Rückschritt.« • Cosima Holl<br />
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&<strong>Viehscheid</strong> <strong>2014</strong>