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38.3. WERK 139<br />
Auguste Rodin (Aufnahme von Nadar, 1893)<br />
Akademismus und versuchte sich in neuen Darstellungsformen,<br />
ohne dabei jedoch die Tradition aus den Augen<br />
zu verlieren. Im Gegenteil verstand er sich und seine<br />
Kunst dabei als „Brücke zwischen Gestern und Morgen“.<br />
Zu den wichtigsten Einflüssen zählen wohl die <strong>Bildhauer</strong><br />
<strong>der</strong> griechischen Antike sowie Donatello und vor allem<br />
Michelangelo. Rodins Stil wurde immer wie<strong>der</strong> neu einzuordnen<br />
versucht, unter an<strong>der</strong>em beispielsweise als impressionistisch<br />
(„Kunst <strong>der</strong> Buckel und Höhlungen“, Rodin),<br />
symbolistisch o<strong>der</strong> realistisch. Auch als Vorbereiter<br />
des Expressionismus und des Kubismus wurde er angesehen.<br />
Speziell das Non-finito darf dabei als bedeutendes Stilmerkmal<br />
vieler seiner Werke gelten, das prägend für viele<br />
kommende Künstler werden sollte. Im Gegensatz jedoch<br />
zu beispielsweise Michelangelos unvollendeten Werken,<br />
die meist aus Gründen wie Geldmangel o<strong>der</strong> wegen seiner<br />
starken Zweifel, <strong>der</strong> ursprünglichen Idee in <strong>der</strong> Umsetzung<br />
gerecht werden zu können, in diesem Zustand belassen<br />
wurden, versuchte Rodin, dieses Fragmentarische<br />
in voller Absicht als ausdruckstragendes Stilmittel zu verwenden.<br />
Überaus mo<strong>der</strong>n und seiner Zeit weit voraus sind insbeson<strong>der</strong>e<br />
seine Assemblagen, die durch Neu-Kombination<br />
von Teilen bereits bestehen<strong>der</strong> Werke an<strong>der</strong>e Sinnzusammenhänge<br />
erschließen. Auch seine erst spät entstandenen<br />
eigenständigen Zeichnungen und Aquarelle (im Gegensatz<br />
zu den Werk-Skizzen, Studien und Kopien), die<br />
mit sparsamsten Mitteln über große Ausdruckskraft verfügen,<br />
dürfen als recht kühn angesehen werden.<br />
Eine Handvoll erotischer Zeichnungen, die 1906 in Weimar<br />
ausgestellt wurden, führte sogar zum Rücktritt des<br />
damaligen Direktors des großherzoglichen Museums in<br />
Weimar, Harry Graf Kessler. Dieser Teil seines Schaffens<br />
ist weit weniger bekannt als sein bildnerisches Werk.<br />
Auguste Rodin, 1898<br />
Grabstelle auf dem Gelände des Musée Rodin de Meudon<br />
38.3.2 Der Mann mit <strong>der</strong> gebrochenen Nase<br />
Der Mann mit <strong>der</strong> gebrochenen Nase (L'homme au nez<br />
cassé), 1864: Mit dem markanten Kopf eines seiner ersten<br />
Werke brach Rodin zum ersten Mal mit den glatten,<br />
erstarrten Schönheitsidealen <strong>der</strong> akademischen Salon-<br />
Kunst. Zunächst jedoch war <strong>der</strong> Büste, für die ein Arbeiter<br />
des Pariser Pferdemarktes Modell stand und die<br />
zugleich an die Gesichtszüge von Rodins großem Vorbild<br />
Michelangelo erinnert, kein Erfolg beschieden: sie wurde<br />
von <strong>der</strong> Jury des Pariser Salons abgelehnt. Der künstlerische<br />
und kommerzielle Erfolg Rodins ließ somit noch<br />
einige Jahre auf sich warten. In Deutschland kam <strong>der</strong><br />
Durchbruch für Rodin, als die Staatlichen Kunstsammlungen<br />
in Dresden Anfang des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts die Büste<br />
für ihre Sammlung erwarben.<br />
38.3.3 Die Bürger von Calais<br />
1885 erhielt Auguste Rodin von <strong>der</strong> Stadt Calais den Auftrag<br />
für ein Denkmal, mit dem <strong>der</strong> sechs legendären Edelbürger<br />
<strong>der</strong> Stadt gedacht werden sollte, die bereit waren,<br />
sich 1347 während <strong>der</strong> englischen Belagerung im<br />
Hun<strong>der</strong>tjährigen Krieg für das Wohl <strong>der</strong> Stadt zu opfern.<br />
Rodins Werk Die Bürger von Calais (Les Bourgeois de