Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
47.1. LEBEN 173<br />
klassischen Vorbil<strong>der</strong>, nahm aber bald auch Aufträge an 47.1.3 Zurück in Berlin<br />
und modellierte eine Reihe von Porträts, darunter die<br />
Büste Alexan<strong>der</strong> von Humboldts, <strong>der</strong> gerade aus Amerika<br />
zurückgekehrt war. Im Frühjahr 1809 gelangte er<br />
über die Schweiz nach München, wo seine Geschwister<br />
sich aufhielten, und arbeitete auch dort an verschiedenen<br />
Porträtplastiken. Eines seiner Modelle war <strong>der</strong> Philosoph<br />
Friedrich Schelling, dessen Frau Caroline, inzwischen<br />
von Schlegel geschieden und mit Schelling verheiratet,<br />
nun in einem Brief vom 1. März 1809 mitteilte:<br />
„Von dorther erwartet man noch den <strong>Bildhauer</strong> Tieck,<br />
den ich sonst für den leichtfüßigsten von den Geschwistern<br />
gehalten, mir nun aber als <strong>der</strong> solideste vorkommt,<br />
denn er lebt doch von dem, was er erwirbt und borgt nur<br />
Relief am Grabmal des Generals Gerhard von Scharnhorst<br />
für seine Schwester. Seine erste Arbeit wird Schelling’s<br />
Büste sein, die er schon lange auf eigene Hand hat machen<br />
wollen, nun wünschte sie aber <strong>der</strong> Kronprinz für<br />
seine Sammlung …“. [4] Ein für Tieck wichtiges Ereignis<br />
in München war <strong>der</strong> Großauftrag über eine Anzahl<br />
von Marmorbüsten für die so genannte „Walhalla“, ein zu<br />
diesem Zeitpunkt nur geplantes, tempelartiges Bauwerk<br />
in <strong>der</strong> Nähe von Regensburg, in dem herausragende Persönlichkeiten<br />
für ihre Verdienste um Deutschland geehrt<br />
werden sollten.<br />
1811 kehrte Tieck nach Rom zurück. Dort lernte er<br />
den Berliner <strong>Bildhauer</strong> Christian Daniel Rauch kennen,<br />
<strong>der</strong> einige Jahre nach ihm bei Schadow gelernt hatte.<br />
Tieck und Rauch unterhielten eine gemeinsame Werkstatt<br />
in Rom und eine zweite bei den Marmorsteinbrüchen<br />
von Carrara. In dieser zweiten Werkstatt begann<br />
Tieck mit <strong>der</strong> Arbeit an den Walhalla-Porträts, half aber<br />
auch seinem Kollegen Rauch dabei, dessen berühmten<br />
Sarkophag für die Königin Luise fertigzustellen. Rauch<br />
verließ Italien im Jahre 1813. Zwei Jahre später setzte<br />
er sich dafür ein, dass man Tieck den Posten des Direktors<br />
<strong>der</strong> <strong>Bildhauer</strong>abteilung an <strong>der</strong> Kunstakademie im<br />
damals preußischen Düsseldorf anbot. Tieck lehnte jedoch<br />
ab und schrieb an Rauch: „Sie wissen, wie ich alle<br />
Professoren hasse, doppelt die einer Provinzialakademie.<br />
Dahin gehen hieße ja, niemals wie<strong>der</strong> etwas machen<br />
wollen“. [5] Der Hauptgrund für die Ablehnung einer<br />
so ehrenvollen Anstellung war allerdings, dass Tieck<br />
hoffte, er könne in Italien mehr Geld verdienen. Weil er<br />
seit 1804 den Lebensunterhalt für seine geschiedene, mittellose<br />
Schwester bestritt und sie sein Entgegenkommen<br />
bedenkenlos ausnutzte, war er ständig verschuldet. Tieck<br />
blieb also in Italien, hielt aber engen brieflichen Kontakt<br />
mit Rauch, <strong>der</strong> in Berlin als <strong>Bildhauer</strong> sehr gefragt war.<br />
Eine konkrete berufliche Perspektive ergab sich im Jahre<br />
1818. National-Theater am Gendarmenmarkt in Berlin,<br />
erst 1802 eröffnet, war 1817 bis auf die Außenmauern<br />
ausgebrannt. Karl Friedrich Schinkel bekam den Auftrag,<br />
es auf dem alten Grundriss neu zu errichten und wünschte<br />
sich Tieck als Mitarbeiter. Rauch schrieb daraufhin nach<br />
Italien: „Schinkel trägt Ihnen auf, schöne Ideen zu sammeln,<br />
einen Musiksaal mit mehreren Statuen und vielen Tieck<br />
Friedrichswer<strong>der</strong>sche Kirche, Statue Karl Friedrich Schinkels von<br />
unzusammenhängenden Basreliefs zu verzieren …“. [2]<br />
Am 29. April 1819 traf Tieck in Berlin ein, vier erfah-