Wirtschaftszeitung_04122017
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14 BRANCHEN &BETRIEBE<br />
Rustikale Entdeckung<br />
In Havixbeck gibt Tischlermeister Christian Voss ausrangiertem Bauholz eine zweite Chance.<br />
Seinen Möbeln ist im Münsterland<br />
fast jeder schon einmal begegnet.<br />
Christian Voss ist der Tischlermeister,<br />
der aus dem Laufsteg der Bauarbeiter<br />
Designertische macht. Jetzt<br />
hat er nach langer Suche für seine<br />
Bauholzmöbel mit dem Label „Charakterstück“<br />
eine neue Werkstatt in<br />
Havixbeck gefunden.<br />
Christian Voss kneift ein Auge<br />
zusammen, die Hand am<br />
Joystick, und zielt mit den<br />
Gabelstaplerarmen auf die<br />
Lücke inden Paletten. Hier<br />
verlädt der Chef die Ware persönlich.<br />
Unter der Verpackungsfolie stecken seine<br />
maßgefertigten Bauholzmöbel.<br />
Der Tischlermeister<br />
kauft seit sieben Jahren<br />
gebrauchte Gerüstbohlen<br />
auf und arbeitet sie<br />
um in massive und klar<br />
geformte Holzmöbel.<br />
Was früher die Tritte<br />
der Bauarbeiterstiefel<br />
ertragen musste, bekommt<br />
ein zweites Leben<br />
in Wohn-, Badeoder<br />
Esszimmer, in<br />
Küchen oder auf Messeständen.<br />
Sein Kundenstamm<br />
verteilt sich zwischen<br />
der Insel Norderney<br />
und den Schweizer<br />
Alpen. Das Geschäft<br />
läuft so gut, dass Voss<br />
schon lange nach<br />
einer größeren Werkstatt suchte. Die hat<br />
er nun gefunden. Passenderweise ist das<br />
die ehemalige Werkshalle und das<br />
Außen-Lagergelände des Furnierwerks<br />
Wehmeyer in Havixbeck.<br />
„Als Berufsschüler war ich zur Betriebsbesichtigung<br />
hier“, erzählt der heute 40-<br />
jährigeTischlermeister Voss vondem Zufall.<br />
Er kann sich noch genau an die<br />
„Kochbecken“ erinnern, welche heutevor<br />
seinem Unternehmenseingang liegen.<br />
Die Leute vom Furnierwerk badeten das<br />
Holz in 60 bis 70 Grad heißem Wasser.<br />
Eine starke Kombination für<br />
einenstarken Wirtschaftsraum<br />
Mit der Wirtschaftskombi<br />
auf direktem Weg zu<br />
Ihrer Zielgruppe in<br />
Nordwestdeutschland<br />
Bis zu<br />
179.000 Exemplare<br />
(Gesamtauflage)<br />
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Tel. 0251/690-916161<br />
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Tel. 0251/690-916162<br />
Nordhorn<br />
Coesfeld<br />
Papenburg<br />
Meppen<br />
Lingen<br />
Rheine<br />
MÜNSTER<br />
Wangerooge<br />
NORDRHEIN-<br />
WESTFALEN<br />
OLDENBURG<br />
OSNABRÜCK<br />
Delmenhorst<br />
BREMERHAVEN<br />
FLENSBURG<br />
BREMEN<br />
Minden<br />
BIELEFELD<br />
Verden<br />
Bitte Platz nehmen: Möbel mit Charakter verleihen auch Gastronomiebetrieben ein ganz besonderes Flair.<br />
SCHLESWIG-<br />
HOLSTEIN<br />
HAMBURG<br />
NIEDERSACHSEN<br />
Hameln<br />
HANNOVER<br />
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SCHWERIN<br />
Ohne Streuverluste ·Überregional ·Vorteilhafte Konditionen<br />
„Die Bäume standen ein bis zwei Wochen<br />
im Wasser,bis die Fasern weich genug für<br />
die Maschinenbearbeitung waren“, erinnert<br />
sich Voss an den Berufsschulbesuch.<br />
Heute geht man unter der Laufk<br />
atze<br />
durch, die früher die tonnenschweren<br />
Baumstämme ins Becken gehievt hat.<br />
Hinter der grauen Schiebetür ist nun die<br />
Werkstatt für die Charakterstücke.<br />
Voss verarbeitet großteils Bauholz aus<br />
europäischem Nadelholz. Neben einheimischen<br />
Nadelhölzern hat er auchetwas<br />
Exotisches im Programm: „Australisches<br />
Bauholz, das eigentlich unter Artenschutz<br />
steht, aber in dem Fall vonabgerissenen<br />
Häusern Australiens kommt.“ Das<br />
Holz ist rötlich und sehr schwer. Eben<br />
Tropenholz. Jarrah-Holz. Oft kleben auf<br />
dem Holz,obaus Australien oder Europa,<br />
Farbreste oder Zement. Das säubern die<br />
Mitarbeiter vonVoss, aber abhobeln dürfen<br />
sie keinen Millimeter. „Sonst ist die<br />
Patina weg, die mühevoll von den Bauarbeitern<br />
über die Jahre aufgetreten wurde“,<br />
scherzt der angestellteTischlermeisterEikeSiebels.<br />
Er deutetauf kleine Risse<br />
in einem Tisch und erklärt: „Das Massivholz<br />
arbeitet noch, wenn wir Feierabend<br />
machen.“ Trocknungsrisse gehören zum<br />
Style dazu. Wie aufw<br />
endig es ist, Tischplatten<br />
herzustellen, rechnet Siebel vor:<br />
„Wir hatten zum Beispiel eine Produktion<br />
von 120 Tischplatten. Dafür brauchten<br />
wir außer knapp 400 Bauholzbohlen<br />
noch 360 Stück T-Stahlprofile, etwa 50<br />
Liter Ölund um die 4500 Schrauben.“<br />
Christian Voss fing Anfang der 1990er<br />
Jahre mit Präsentationsmöbeln aus Bauholz<br />
an, damals noch als Angestellter der<br />
Bauholz design a.r.t. GmbH. „Der Boom<br />
kam dann in den 2000er Jahren“, sagt<br />
Christian Voss. Damals wurden die Möbel<br />
als rustikale Entdeckung gefeiert, die<br />
mächtig und gleichzeitig puristisch wirken,<br />
aber auchzeitlos sind.Heuteist eher<br />
ein Materialmix angesagt, glaubt Voss:<br />
„Holz und Stahl zum Beispiel, und zwar<br />
vom Bett über den Büroarbeitsplatz bis<br />
zur Küche.“ Auch Glas, Beton, Kunststoffe<br />
lassen sich mit Holz kombinieren<br />
„Die Kunden wissen, worauf sie sich einlassen:<br />
Da ist eben mal ein Astloch dabei,<br />
auf dem der Suppenteller kippelt. Unsere<br />
Tischplatten sind keine aalglatten Spanplatten“.<br />
Für Voss und seine zehn Mitarbeiter<br />
inklusive zweier Lehrlinge ist<br />
dieses Holz ein Stück Luxus im Arbeitsalltag:<br />
„Das macht es für uns interessant,<br />
weil wir kreativ arbeiten zu können“ Für<br />
Tischler keine Selbstverständlichkeit<br />
mehr.<br />
EikeSiebel schleift ein Holzbrett mit dem<br />
Bandschleifer und erklärt: „Hinter jeder<br />
Holzbohle steckt eine Geschichte,<br />
schließlich lag unser Bauholz zehn bis<br />
fünfzehn Jahre auf den Gerüsten. Es ist,<br />
ähnlich wie Holz aus altem Fachwerk, ein<br />
flüsterndes Holz.“<br />
Fotos: Johanna Reinhart<br />
Chef Voss verschwindet in seinem Büro.<br />
Hier sitzt er am Computer, zeigt stolz<br />
neuestes Spielzeug: Der Zeigefinger<br />
klickt so langeauf derMaus, bis man auf<br />
dem Bildschirm eine virtuelle Küchenbesichtigung<br />
in 3D machen kann. Von der<br />
Holzanlieferung über die Bildschirmpräsentation<br />
zum fertigen Möbel dauert es<br />
sechs bis acht Wochen.<br />
Die Gabe für das Handwerkliche hat<br />
Christian Voss vonseinem Vater. Er wollte<br />
immer wissen und begreifen. So wares<br />
klar, dass ererst ein Schülerpraktikum,<br />
dann eine Tischlerlehre in Ostbevern<br />
machte und die Meisterprüfung ablegte.<br />
Wo andere ein Stück Brett sehen, hat er<br />
In seinem Element: Christian Voss<br />
schon die halbe Einrichtung vor seinen<br />
Augen. Ein Pedant sei er, gibt Voss zu:<br />
„Ich krieg die Krise, wenn ich in eine<br />
Wohnung komme und ein Bild hängt<br />
schief“. Weil er am liebsten in großen Zusammenhängen<br />
denkt, ist er auch Mitglied<br />
in einem Einkaufsverband für<br />
Tischler. Aus allen Bereichen sind Produkte,<br />
Einzelteile oder Elemente zulieferbar<br />
und bestellbar.„Damit kann ichalles<br />
mit unserem Bauholz kombinieren.“<br />
Er findet, Handwerkskunst kann für jeden<br />
bezahlbar sein: „Es muss nicht gleich<br />
die ganze Küche sein. Zwei, drei maßgefertigte<br />
Details machen aus einer Standardküche<br />
schon etwas Besonderes.“<br />
Sein Lieblingsstück aus den Charakterstück-Produktionen?<br />
„Der doppelteHundenapf,<br />
den ich auf der Insel Juist aus<br />
Resten gebaut habe“, verrät Voss. Hunde<br />
liebt er nämlich, hat selbst zwei Rhodesian<br />
Ridgebacks. „Es muss eben alles eine<br />
gewisse Ästhetik haben“ –das ist sein<br />
Credo. Werjetzt den Mann in eine exklusive<br />
Schublade stecken möchte, sollte<br />
wissen: Es ist Christian Voss, der macht<br />
seine eigenen Schubladen.<br />
Cornelia Höchstetter