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Maler Bernd Kummerow trägt die Grundierung auf und bereitet so die Fassade für den ziegelroten Anstrich vor. Die Fenster sollen grau gestrichen werden.<br />
Aber welcher Grauton passt am besten? Die Wahl fällt auf einen dunklen Grauton. Die instandgesetzten und frisch gestrichenen Fenster werden schließlich<br />
von Tischlermeister Helmut Sievert und seinen Mitarbeitern eingebaut.<br />
sehen. Manchen gefällt es, manche hätten es sich anders gewünscht,<br />
manche sagen, sie müssten sich an den neuen Anstrich<br />
erst noch gewöhnen. Die Wahl der Farbigkeit war vielleicht die<br />
schwierigste Entscheidung während der Sanierung, denn die Farbe<br />
sticht zuallererst ins Auge. Während die Instandsetzungen, die Sanierungen<br />
und die statischen Ertüchtigungen eher unbemerkt bleiben<br />
und auch unstrittig waren, machten sich die Verantwortlichen<br />
über das zukünftige farbige Aussehen des Gebäudes lange Zeit<br />
Gedanken. Denn die Entscheidung sollte nicht nur nach ästhetischen<br />
Gesichtspunkten fallen, bei denen jeder seine eigenen Vorstellungen<br />
hat. Hätte es eine Umfrage unter den Gifhornern<br />
gegeben, so wären sicher etliche Vorschläge zusammengekommen.<br />
Und für welchen hätte man es sich entscheiden sollen? Vielen<br />
Bürgern gefiel auch die nicht gestrichene Variante <strong>mit</strong><br />
lehmfarbenen Gefachen und dunklem, holzbraunem Fachwerk.<br />
Ungestrichen war für sie auch eine Option. »Doch Architektur in<br />
der Stadt trägt Kleid«, stellte die Landesdenkmalpflege frühzeitig<br />
klar. Und für die Farbentscheidung wurden statt vielfältiger Geschmäcker<br />
wissenschaftliche Erkenntnisse und die Erfahrung der<br />
Denkmalpfleger zu Rate gezogen. Landes-Restaurator Bernhard<br />
Recker war einige Male auf der Baustelle, um frühere Farbreste<br />
zu suchen und zu untersuchen. Und er wurde fündig. Rot war die<br />
älteste an den Gefachen nachgewiesene Farbe. Ob es die älteste<br />
und ursprüngliche Farbgebung im Baujahr um 1570 war, das ist<br />
nicht sicher. Eventuell könnte es auch Weiß gewesen sein, aber<br />
das ist Spekulation, meinte er. Nachweisbar ist das nicht. Rot war<br />
auch eine der ältesten Spuren auf dem Fachwerk. Und beides zugleich<br />
passt in die Bauphase. Denn Fachwerk war die weit verbreitete<br />
Bauform zu jener Zeit, Steinbauten waren erheblich teurer.<br />
Daher kam so mancher Bauherr in die Versuchung, einen<br />
Steinbau vorzutäuschen, indem er seinen Fachwerkbau monochrom,<br />
also einfarbig, bemalte. Das schräg gegenüberliegende Kavalierhaus<br />
hatte einige Jahre zuvor eine Sandsteinfassade<br />
vorgesetzt bekommen, die den Fachwerkbau verdeckt. Wer das<br />
Geld hatte, wollte es sich eben leisten. Das Höfersche Haus, an<br />
prominenter Stelle gegenüber dem damaligen Rathaus, sollte<br />
ebenfalls etwas hermachen, das lässt sich denken. Da sieht ein<br />
monochromer Anstrich vornehm aus und simuliert zugleich eine<br />
kostbare Steinfassade. Wissenschaftliche Untersuchungen und die<br />
Didaktik, was das Gebäude fürderhin aussagen soll, greifen da<br />
hervorragend ineinander. Als Ergebnis erstrahlt das Haus nun monochrom<br />
in Ziegelrot. Das Gesamtbild <strong>mit</strong> dem gegenüberliegenden<br />
Ratsweinkeller als Eingang zur Fußgängerzone passt.<br />
Das Fachwerk ist ein wenig dunkler gefasst. Die Fenster heben<br />
sich in einem dunkleren Grau von der Fassade ab, und die Anfang<br />
des 19. Jahrhunderts in zwei Etappen aufgesetzte Gaube stellt <strong>mit</strong><br />
ihrem neuen Hellgrau den Übergang zum Himmel dar. Der alte,<br />
dunkelbraune Anstrich wäre zu schwer gewesen, hätte das Gebäude<br />
»erdrückt«, so die einhellige Meinung. Der Psalm 71,<br />
der auf dem Giebel steht, ist ebenfalls in Grau hervorgehoben,<br />
und das war eine der schwierigsten Aufgaben für die Maler. Malermeister<br />
Jan Ryschka, der Chef persönlich, machte sich an die<br />
Arbeit, die feinen Minuskel nachzuzeichnen. Das wurde durch<br />
das verwitterte Holz erschwert, wo die Nagekäfer besonders aktiv<br />
waren. Doch <strong>mit</strong> viel Zeit und ruhiger Hand gelang es. Und<br />
Ryschka schrieb es richtig falsch. Denn die damalige Schreib-<br />
<strong>Calluna</strong> 39