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Calluna Winter18 mit Heidja

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HAUSGESCHICHTEN<br />

Ein altes Haus voller Geschichte(n)<br />

und Geheimnisse<br />

DÖRTE HIRSCHFELD STELLT IN HISTORISCHEM AMBIENTE IN CELLE KRÄUTERLIKÖR<br />

NACH EINEM WOHLGEHÜTETEN APOTHEKERREZEPT VON 1910 HER<br />

CHRISTINE KOHNKE-LÖBERT / Text / Fotos<br />

Als das schmale Fachwerkhaus Nr. 12 in der heutigen Celler<br />

Bergstraße im Jahr 1640 errichtet wurde, gehörte diese<br />

Ecke von Celle noch gar nicht lange zur damaligen Residenzstadt:<br />

De olde Blomelaghe, heute Blumlage genannt, war<br />

nämlich die älteste Vorstadt Celles, und die zugehörige Bergstraße<br />

trug im 15. Jahrhundert den schönen Namen Blomenstrate. Hier<br />

lebten die kleinen Leute Celles, Hörige, die ihren Lebensunterhalt<br />

als Handwerker und Tagelöhner verdienten. Sie hatten keine Bürgerrechte,<br />

mussten bis 1848 schwere Dienste für den Herzog leisten<br />

und waren zudem <strong>mit</strong> der Einquartierung von Soldaten<br />

belastet. Der Celler Heimatforscher Clemens Cassel schreibt dazu<br />

um 1900:<br />

»So lange die Blumlage der einzige Vorort gewesen war,<br />

waren dort die Zustände noch einigermaßen erträglich gewesen,<br />

da ab und zu wohlhabende Bürger und Hofbeamte,<br />

denen das Leben hinter dem hohen Walle und dem<br />

Pestluft ausdünstenden Stadtgraben nicht zusagte, in dem<br />

Vororte Grundbesitz erwarben und sich dort anbauten…<br />

Bürger und Handwerker, die wegen Nachlässigkeit und<br />

Ungeschicklichkeit ihr Gewerbe in der Stadt nicht fortsetzen<br />

konnten, gingen in die Vorstadt, weil sie dort, wo der<br />

Wert der Häuser und die Mietpreise gering waren, leichteres<br />

Durchkommen zu finden hofften.«<br />

Kinderleben auf der Bergstraße im Jahre 1916. In Blickrichtung liegt der<br />

Große Plan.<br />

Foto: Sammlung Justus Steinböhmer<br />

Das Leben in Blumlage war also für die meisten Menschen kein<br />

leichtes und der Heimatforscher merkt zudem an:<br />

»Unheilvoll war der Einfluss, den die vielen Branntweinschenken<br />

ausübten…«<br />

Erst im Rahmen der Stadterweiterungspläne zur Zeit Ernst des<br />

Bekenners um 1530 wurde die Blumlage in das Stadtgebiet einbezogen.<br />

Ihre Bewohner siedelte man kurzerhand um, sie mussten<br />

an die Landstraße nach Braunschweig ziehen. Ob dort auch<br />

bunte Blumen blühten? Den alten Namen ihres Viertes nahmen<br />

sie jedenfalls <strong>mit</strong> und es entstand ein neuer Vorort, dessen Name<br />

als Straße Blumlage bis heute überdauert hat.<br />

Ein Grund für die Stadterweiterung war der wirtschaftliche Aufschwung<br />

Celles im 16. Jahrhundert, der zu einer starken Erhöhung<br />

der Einwohnerzahlen geführt hatte. Zwischen 1526 und 1545<br />

stieg die Einwohnerzahl von 1200 auf etwa 2000 Menschen. Die<br />

Bergstraße legte man besonders breit an, sodass sie Platz für die<br />

vielen Fuhrwerke, die täglich nach Celle reisten, bot. Kein Wunder,<br />

dass sich in dieser Straße jede Menge Ausspannwirtschaften<br />

ansiedelten. Sie liegt zudem nicht weit von der Stechbahn und<br />

gehört zu den gerade angelegten Straßen, die auf das markante<br />

Schloss zulaufen. Heute ist sie Teil des Altstadtkerns von Celle.<br />

Eines der Schmuckstücke in der Bergstraße ist das Handwerkerhäuschen<br />

in der Bergstraße 12. Dörte Hirschfeld hat es im Jahr<br />

2014 erworben und seither liebevoll restauriert. Alter Provisor ist<br />

auf dem straßenseitigen Ausleger zu lesen, und irgendwie hat man<br />

als unbedarfter Leser das Gefühl, hierbei könne es sich doch eigentlich<br />

nur entweder um eine Gaststube oder eine Apotheke<br />

handeln. Eine von Cassels Branntweinstuben womöglich? Stimmt<br />

nicht oder wenn ja, dann nur ein ganz klein bisschen. Branntwein<br />

gibt es hier nämlich nicht, dafür aber einen alten Celler Traditionslikör.<br />

»Ein Provisor war früher der erste Gehilfe eines Apothekers.<br />

Wurde er nicht selbst Apotheker, dann blieb er ein Provisor.<br />

Seit 1980 ist es der Name unseres Likörs«, erläutert Dörte Hirschfeld.<br />

Sie hat das schmale alte Handwerkerhaus, in dem früher ein<br />

Schneider wohnte und auch seine Werkstatt hatte, wiederhergestellt<br />

und zudem die alte Likör-Rezeptur des Apothekers Jost Greve<br />

aus der ehemaligen Rats-Apotheke an den neuen Standort <strong>mit</strong>genommen.<br />

»Als wir das Haus kauften, war eine Menge zu tun. Wir<br />

haben es komplett zurückgebaut und auch die Remise im rückwärtigen<br />

Grundstück wieder hergerichtet«, erzählt sie. Dass sie<br />

dabei <strong>mit</strong> viel Fingerspitzengefühl zu Werk gegangen ist, beweisen<br />

zahlreiche Kleinigkeiten. Hier wurde nicht allein eine<br />

44 <strong>Calluna</strong>

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