Gsungen&Gspielt 02/2017
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KREIZWEIS<br />
SO WEIT MUSS BIO GEHEN<br />
Text: Reibeisen<br />
Das Reibeisen ist verzweifelt. Es<br />
plant ein gemütliches Essen mit<br />
FreundInnen, allerdings stellt dies eine<br />
große Herausforderung dar: nicht, dass<br />
das Reibeisen nicht kochen könnte,<br />
aber es haben sich nun einmal in den<br />
letzten Jahren die Parameter für einen<br />
gelungenen Abend erheblich verschoben.<br />
Die eine isst kein Fleisch mehr –<br />
nur noch Fisch –, der andere lebt seit<br />
einigen Jahren überhaupt vegan. Ja<br />
und dann wäre noch die Laktoseintoleranz<br />
so mancher Gäste zu beachten.<br />
Ziemlich grotesk<br />
„Was soll‘s, gehn ma‘s an“, denkt<br />
sich das Reibeisen und betritt einen<br />
Biomarkt, von dem es sich erhofft,<br />
die richtigen Zutaten für sein ‚Mission-impossible‘-Vorhaben<br />
zu erhalten.<br />
„Ziemlich grotesk“, sinniert das Reibeisen,<br />
als es so zwischen den Regalen<br />
bummelt, „dass es einen eigenen Bioladen<br />
geben muss, in dem man ausschließlich<br />
natürliche Lebensmittel<br />
erhält, als ob das nicht das Normalste<br />
auf der Welt wäre. Das ist wie ein ‚Ball<br />
ohne Krawall‘, der auch immer extra<br />
als solcher ausgewiesen wird, damit<br />
die Leute Bescheid wissen, dass hier<br />
ein Tanzabend mit unverstärkter Livemusik,<br />
nämlich unverfälschter Volksmusik,<br />
stattfindet. Den BesucherInnen<br />
wird bei solchen Veranstaltungen<br />
neben ausgelassenem Tanzvergnügen<br />
auch die Möglichkeit garantiert, sich<br />
mit seinem Gegenüber unterhalten zu<br />
können. Ach, wie gütig!“<br />
Inzwischen steht das Reibeisen vor einem<br />
Kühlregal mit laktosefreien Produkten<br />
und macht sich so seine Gedanken.<br />
Etwa, ob sich Laktoseintoleranz<br />
ähnlich stark auf den Magen auswirkt,<br />
wie die so genannte „Neue Volksmusik“<br />
bei erzkonservativen VolksmusikantInnen.<br />
Dem Reibeisen tun solche<br />
Leute immer extrem leid, da sie sich<br />
immer so unnötig aufregen müssen.<br />
„Sollten mehr auf ihre Gesundheit<br />
achten!“, brummt das Reibeisen vor<br />
sich hin, gerade als es den veganen<br />
Fleischkäse entdeckt.<br />
Tiroler Jahrling<br />
Das Reibeisen ist nun an der Fleischtheke<br />
angelangt. Sorgenfalten zieren<br />
sein Gesicht, denn die Preise haben es<br />
wirklich in sich. Bio-zertifizierte Ware<br />
hat nun einmal ihren Preis und das ist<br />
auch gut so.<br />
"Hier müsste man<br />
die 'Zuchtbetriebe',<br />
die Musikschulen,<br />
stärker in die<br />
Pflicht nehmen.“<br />
„Das AMA-Gütesiegel könnte man auch<br />
so mancher Tanzlmusig verleihen, denn<br />
da weiß man, woher jeder Ton kommt<br />
und die Kosten für eine fünf- bis achtköpfige<br />
Gruppe sind auch dementsprechend<br />
stolz. Leider besorgen sich auch<br />
deshalb viele Wirte ihr musikalisches<br />
‚Fleisch‘ doch lieber beim Diskonter“,<br />
grübelt das Reibeisen, als es einige Filetteile<br />
in den Warenkorb legt. „Qualitätsfleisch<br />
vom Tiroler Jahrling“ ist auf<br />
den Verpackungen zu lesen. „Das fehlt<br />
uns“, kommt es dem Reibeisen plötzlich<br />
in den Sinn, „die Tiroler Jahrlinge,<br />
sprich junge Tanzlmusiggruppen,<br />
sind in Tirol wahrlich dünn gesät. Hier<br />
müsste man die ‚Zuchtbetriebe‘, die<br />
Musikschulen, stärker in die Pflicht<br />
nehmen. Es wäre wünschenswert, wenn<br />
Foto: Ralph Kapavik<br />
neben den in den letzten Jahren grassierenden<br />
BSEs (Brassband- und Symphonische<br />
Blasorchester Ensembles)<br />
endlich auch ein volksmusikalischer<br />
Virus in den Musikschulen Einzug halten<br />
würde. Zurück zum Ursprung quasi,<br />
denn so weit muss bio gehen. Vor allem<br />
Kinder, die etwa Trompete, Klarinette,<br />
Posaune oder Tuba erlernen, haben in<br />
Musikschulen oft keine Chance, mit<br />
Volksmusik in Berührung zu kommen,<br />
da ein entsprechender Ensembleunterricht<br />
fehlt. Dabei sollte gerade die eigene<br />
Volksmusik einen wesentlichen<br />
Stellenwert im Instrumentalunterricht<br />
einnehmen. Im kleinen Volksmusikensemble<br />
lernen Kinder wesentliche Fertigkeiten<br />
des gemeinsamen Musizierens,<br />
von den sozialen Komponenten<br />
ganz zu schweigen und dann wäre da<br />
ja noch die identitätsstiftende Wirkung.<br />
Dass Kinder dafür zu begeistern sind,<br />
steht jedenfalls außer Frage, das zeigen<br />
Beispiele aus anderen Bundesländern,<br />
die beim Alpenländischen Volksmusikwettbewerb<br />
seit Jahren mit einigen<br />
Tanzlmusigformationen aus Musikschulen<br />
erfolgreich vertreten sind. Hier<br />
muss man unbedingt ansetzen!“, fällt es<br />
dem Reibeisen wie Schuppen von den<br />
Augen, als es weiter in die Fischabteilung<br />
eilt …<br />
G‘SUNGEN & G‘SPIELT | 42. JAHRGANG | HEFT <strong>02</strong> | JUNI <strong>2017</strong> 41