Gsungen&Gspielt 02/2017
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VORSICHT<br />
Der Bozner Bindertanz in einer historischen Darstellung (Bild: Stadtmuseum Bozen)<br />
Die „Laube“ symbolisiert im Tanz das<br />
gemeinsame Haus, also die Zunft, in der<br />
man geborgen ist. Im Reiftanz ist das<br />
symbolische Zahnziehen beim Narren<br />
ein beliebtes Motiv für die Aufnahme<br />
(Initiationsritus) in die jeweilige Zunft.<br />
Der Bozner Bindertanz<br />
Blättern wir im ehrwürdigen Ratsbuch<br />
der Stadt Bozen von 1474, so stoßen<br />
wir auf den Vermerk, dass sich der Bürgermeister<br />
zum Tanz der Binder begibt.<br />
Spätere urkundliche Erwähnungen finden<br />
wir dann in Bozen aus den Jahren<br />
1769, 1790 und 1822.<br />
Neben Bozen wurde auch in Meran ein<br />
Bindertanz getanzt, aber auch in anderen<br />
Gebieten Tirols finden wir entsprechende<br />
Berichte, so z. B. 1853 in Hall in<br />
Tirol die Aufführung eines Bindertanzes<br />
(auch „Fassertanz“ genannt) der Haller<br />
Binder und auch aus Kufstein wird von<br />
einem „Schäfflertanz“ berichtet. Dieser<br />
Tanz wurde überall dort gepflogen, wo<br />
der Handwerkszweig der Fasser, Fassbinder<br />
oder Schäffler herausragende<br />
Bedeutung erlangte. In Hall in Tirol und<br />
in Kufstein ist ein Holzfass auch im jeweiligen<br />
Stadtwappen, was zusätzlich<br />
die Wertschätzung unterstreicht.<br />
In der Überlieferung war der Reiftanz<br />
stets ein ständischer Brauch, zum Lob<br />
des Berufs und zur Ehrung hochgestellter<br />
Persönlichkeiten. Im Bericht über<br />
den Bindertanz in Bozen aus dem Jahre<br />
1769 werden folgende Mitwirkende<br />
aufgezählt: 8 Bindermusikanten, 3<br />
Brüder mit Weinkrug, Trinkbecher und<br />
Zunftzeichen, 12 Reiftänzer und ein<br />
Reifenschwinger. Bei späteren Darbietungen<br />
dürfte die Zahl der Mitwirkenden<br />
erheblich größer gewesen sein und<br />
es kam zu einem richtigen Schauspiel, in<br />
dessen Mittelpunkt dann der Bindertanz<br />
stand. Der Tanz hat sich vom schlichten<br />
Handwerkstanz zum schauspielartig gestalteten<br />
Schaubrauchtum entwickelt.<br />
Aus der alten Chronik von Bozen weiß<br />
man, dass die Zunft des Bindergewerbes<br />
„als die älteste, vornehmste und erste<br />
Innung“ galt.<br />
Die Wiederbelebung<br />
Die Idee der Wiederbelebung alter<br />
Festtänze ist nicht neu und so hat es in<br />
Bozen bereits 1948, nach 126-jähriger<br />
Unterbrechung, eine Bindertanzaufführung<br />
gegeben. In den weiteren Jahren<br />
folgten 1949 ein Schwerttanz, 1950 ein<br />
Fackeltanz, 1951 ein Winzertanz, 1952<br />
ein Erntetanz und schließlich 1952 und<br />
1955 wieder der Bindertanz. 1953 feierte<br />
Hall in Tirol die 650. Wiederkehr<br />
seiner Stadterhebung und zu diesem Anlass<br />
wurde der Fassertanz – eingebettet<br />
in ein historisches Rahmenprogramm –<br />
nach 100-jähriger Pause wiederbelebt.<br />
Anlässlich der 65. Bozner Weinkost im<br />
April 1987, auf Grund einiger Aussprachen<br />
zwischen der ARGE Volkstanz unter<br />
dem Vorsitz von Walther Egger, der<br />
Kurverwaltung und der Gemeinde, kam<br />
es zu einer Wiederbelebung des Bindertanzes.<br />
Zwei Gründe sprachen dafür:<br />
einerseits der inhaltliche Bezug zur<br />
Wein-Fassbinderei mit dem Schwingen<br />
des gefüllten Weinglases im Ganzreifen,<br />
andererseits der Schauplatz Bozen, denn<br />
die einzige bekannte bildliche Darstellung<br />
des Zunfttanzes ist ein Ölgemälde,<br />
das die Aufführung des Bindertanzes<br />
G‘SUNGEN & G‘SPIELT | 42. JAHRGANG | HEFT <strong>02</strong> | JUNI <strong>2017</strong> 67