Berliner Zeitung 06.11.2018
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
4* <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 259 · D ienstag, 6. November 2018<br />
·························································································································································································································································································<br />
Politik<br />
Familie will<br />
Khashoggis<br />
Leichnam<br />
Beisetzung im saudischen<br />
Medina geplant<br />
VonFrank Nordhausen<br />
Fünf Wochen nach dem Mord an<br />
dem saudi-arabischen Journalisten<br />
Jamal Khashoggi im Istanbuler<br />
Konsulat seines Landes konzentrieren<br />
sich Angehörige und Ermittler<br />
auf den Verbleib seiner Leiche. Khashoggis<br />
Söhne haben die Regierung<br />
in Riad aufgefordert, ihnen den<br />
Leichnam zu übergeben. Siewollten<br />
ihren Vater auf einem Friedhof im<br />
saudi-arabischen Medina beisetzen,<br />
sagte Salah Khashoggi am Sonntag<br />
dem US-Sender CNN; er habe mit<br />
den Behörden darüber gesprochen<br />
und hoffe,„dass das bald passiert“.<br />
Nach anfänglicher Leugnung<br />
hatte Saudi-Arabien Ende Oktober<br />
zugegeben, dass der 59-jährige Jamal<br />
Khashoggi einem Mord zum Opfer<br />
gefallen war, als er ins Istanbuler<br />
Konsulat ging, um dort Papiere für<br />
seine geplante Hochzeit abzuholen.<br />
Laut türkischen Medien wurde der<br />
prominente Regierungskritiker und<br />
Kolumnist der Washington Post sofort<br />
nach dem Betreten des Gebäudes<br />
erwürgt und anschließend zerstückelt.<br />
Ein türkischer Beamter<br />
hatte der Washington Post zudem<br />
mitgeteilt, dass Khashoggis Leichnam<br />
in Säure aufgelöst worden sei,<br />
um alle Spuren zu verwischen. Das<br />
bestätigte ein Präsidentenberater.<br />
Eine ähnliche Aufgabe soll ein<br />
Team saudischer „Tatortreiniger“<br />
befolgt haben, das neun Tage nach<br />
demVerschwinden Khashoggis nach<br />
Istanbul geschickt wurde, um„Beweise<br />
zu vernichten“, wie die regierungsnahe<br />
Istanbuler <strong>Zeitung</strong> Sabah<br />
am Montag berichtete. Das elfköpfige<br />
Team habe eine Woche lang im<br />
Konsulat gearbeitet, bevor es am 17.<br />
Oktober wieder abreiste –dem Tag,<br />
an dem Saudi-Arabien der Türkei<br />
endlich gestattete, das Konsulat zu<br />
durchsuchen. Im Konsulatsgarten<br />
fanden die Fahnder nach offiziellen<br />
Angaben trotzdem nicht näher bezeichnete<br />
„biologische Beweise“.<br />
Thema im UN-Menschenrechtsrat<br />
DieTürkei ist nach Regierungsangaben<br />
im Besitz von Aufzeichnungen,<br />
die den Tathergang exakt dokumentieren.<br />
Staatspräsident Recep Tayyip<br />
Erdogan, der kritische Journalisten<br />
in der Türkei selbst verfolgen lässt,<br />
behauptete in einem Gastkommentar<br />
für die Washington Post, der Befehl<br />
für den „politischen Mord“ sei<br />
vonden „höchsten Ebenen“ der saudischen<br />
Regierung gekommen. Allerdings<br />
glaube er „nicht eine Sekunde<br />
lang“, dass König Salman<br />
schuldig sei. Politische Beobachter<br />
in Ankara schließen daraus, dass es<br />
Erdogan darum gehe,den faktischen<br />
saudischen Herrscher und Türkei-<br />
Kritiker Kronprinz Mohammad bin<br />
Salman zu schwächen.<br />
In Saudi-Arabien wurden zwar 18<br />
Personen im Zusammenhang mit<br />
der Tatfestgenommen. Zudem hat<br />
Riad am Montag vor dem UN-Menschenrechtsrat<br />
Aufklärung versprochen.<br />
Doch die UN-Hochkommissarin<br />
für Menschenrechte, Michelle<br />
Bachelet, hat Zweifel an einer unabhängigen<br />
saudischen Untersuchung<br />
geäußert und die Beteiligung internationaler<br />
Experten gefordert.<br />
Gedenkveranstaltung zu Ehren des ermordeten<br />
Journalisten Khashoggi<br />
AP<br />
Die CDU-Integrationspolitiker<br />
kommen an diesem<br />
Dienstag in Hannoverzusammen.<br />
Das Motto der<br />
Partei in der Integrationspolitik sei,<br />
Chancen zu bieten und gleichzeitig<br />
„klare Kante zeigen“, sagt Annette<br />
Widmann-Mauz, Integrationsbeauftragte<br />
der Bundesregierung.<br />
Frau Widmann-Mauz, was unterscheidet<br />
die CDU-Integrationspolitik<br />
vonjener der SPD?<br />
DieCDU stand immer dafür,Menschen<br />
darin zu stärken, ihren Beitrag<br />
für die Gesellschaft zu leisten und<br />
nicht auf Almosen zu setzen. Es ist<br />
gut, dass es in der Koalition einen<br />
Grundkonsens darüber gibt, dass Integration<br />
auf der Grundlage unserer<br />
gemeinsamen Rechts- undWerteordnung<br />
stattfindet. Aber natürlich ringen<br />
wir um die Sachfragen. Nehmen<br />
Sie das geplante Fachkräfteeinwanderungsgesetz:<br />
Wir brauchen eine<br />
Steuerung der Migration, die eine<br />
Antwort auf den Fachkräftebedarf<br />
unserer Wirtschaft gibt. Aber wir<br />
müssen falsche Anreize ausschließen.<br />
Deshalb braucht es eine klare<br />
Trennung zwischen Asyl- und Einwanderungsrecht.<br />
Aber Union und SPD sehen doch für<br />
abgelehnte, aber gut integrierte Asylbewerber<br />
die Möglichkeit zum Verbleib<br />
in Deutschland vor.<br />
Und das ist auch richtig. Denn<br />
niemand versteht, warum gut integrierte<br />
Menschen mit einer Duldung,<br />
die auf dem Arbeitsmarkt Fuß<br />
gefasst haben, abgeschoben werden<br />
sollen, um sie dann über einen anderen<br />
Weg wieder anzuwerben. Deshalb<br />
war es mir wichtig, für gut Integrierte,die<br />
bereits im Land sind, eine<br />
pragmatische Lösung zu finden.<br />
„Isch kandidiere“<br />
Die CDU sucht eine neue Führung, aber nicht jeder darf antreten. Und Merkel sagt, was sie mit Merz verbindet<br />
VonDaniela Vates<br />
Eswäre ein interessantes Experiment<br />
gewesen, den ehemaligen<br />
CDU-Generalsekretär zu reaktivieren.<br />
Peter Tauber hat für den CDU-<br />
Parteivorsitz folgende Assoziation<br />
gehabt: „Jetzt fehlt nur noch Horst<br />
Schlämmer“, twitterte Tauber, jetzt<br />
Staatssekretär im Verteidigungsministerium,<br />
angesichts der zwölf Kandidaten,<br />
die Interesse daran angemeldet<br />
haben, Angela Merkel an der<br />
Spitze der CDU zu beerben. In dem<br />
Kinofilm „Isch kandidiere!“ von2009<br />
spielt der Komiker Hape Kerkeling<br />
einen Außenseiter-Bundeskanzlerkandidaten.<br />
Statt einem Generalsekretär, der<br />
in der CDU-Zentrale einen Komiker<br />
als Parteichef empfiehlt, trat allerdings<br />
die Noch-Amtsinhaberin Angela<br />
Merkel nach der Klausurtagung<br />
der CDU-Spitze vor die Presse. Und<br />
sie blieb sehr nüchtern. Es gebe jetzt<br />
zwar zwölf potenzielle Bewerber,<br />
dies allerdings bedeute nicht, dass<br />
letztlich auch so viele Kandidaten<br />
„Kulturelle Vielfalt<br />
erzeugt auch<br />
Konflikte“<br />
Die Integrationsbeauftragte Annette<br />
Widmann-Mauz über Einwanderung und<br />
Der Wettstreit um den künftigen<br />
CDU-Vorsitz ist auch ein Richtungsstreit.<br />
Haben SieSorge, dass dieser am<br />
Thema Zuwanderung und Integration<br />
ausgetragen wird?<br />
Die Integration ist eines der<br />
wichtigsten Zukunftsthemen unseres<br />
Landes. Deshalb ist es richtig,<br />
Integration zum Thema zu machen.<br />
Wichtig ist, nicht beim Beschreiben<br />
von Problemen stehen zu bleiben.<br />
Die Bürger wollen keine Problembeschreiber,<br />
sondern Problemlöser.<br />
Das haben auch die zurückliegenden<br />
Landtagswahlen gezeigt. Ja,<br />
Einwanderung schafft auch Probleme,<br />
die wir angehen müssen.<br />
Aber unser Land hat langfristig immer<br />
von Einwanderung profitiert –<br />
besonders dann, wenn wir uns bewusst<br />
für Integration entschieden<br />
haben. Nach diesem Willen, die Zukunft<br />
zu gestalten, sehnt sich auch<br />
die Partei.<br />
auf dem Parteitag anträten. Schon<br />
beim Schaulaufen an der Parteibasis,<br />
den acht Regionalkonferenzen,<br />
hat die CDU-Spitze ein erstes Sieb<br />
eingebaut: Als Kandidaten vorstellen<br />
können sich dort nur CDU-Mitglieder,<br />
die von einer der Parteigliederungen<br />
von Kreisverband bis Bundesvorstand<br />
nominiertworden sind.<br />
Zunächst war das am Montag lediglich<br />
CDU-Generalsekretärin Annegret<br />
Kramp-Karrenbauer,die vonihrem<br />
Landesverband Saarland ins<br />
Rennen geschickt wird.<br />
Die zwei anderen prominenten<br />
Kandidaten, Gesundheitsminister<br />
Jens Spahn und Ex-Unions-Fraktionschef<br />
Friedrich Merz, kommen<br />
beide aus Nordrhein-Westfalen,<br />
dürften also vermutlich eher von einem<br />
Kreisverband vorgeschlagen<br />
werden.Vonden neun übrigen Interessenten<br />
haben der <strong>Berliner</strong> Jura-<br />
Student Jan-Philipp Knoop, der hessische<br />
Unternehmer Andreas Ritzenhoff<br />
und der Bonner Staatsrechts-Professor<br />
Matthias Herdegen<br />
ihr ernsthaftes Interesse bekundet.<br />
den Standpunkt der CDU<br />
Deutschland habe langfristig immer von Zuwanderung profitiert, sagt Widmann-Mauz im Gespräch.<br />
Vorzwei Jahren beschloss der CDU-<br />
Parteitag eine Abkehr von der doppelten<br />
Staatsbürgerschaft für türkeistämmige<br />
Menschen in Deutschland,<br />
die Kanzlerin setzt sich seither darüber<br />
hinweg. Zuletzt stellte auch<br />
CDU-Generalsekretärin Annegret<br />
Kramp-Karrenbauer die doppelte<br />
Staatsbürgerschaft infrage. Ist sie ein<br />
Auslaufmodell?<br />
ZUR PERSON<br />
Annette Widmann-Mauz, 52, ist seit März Beauftragte der Bundesregierung für Migration,<br />
Flüchtlingeund Integration im Kanzleramt. Die Tübingerin ist außerdem seit drei Jahren Vorsitzende<br />
der Frauen-Union, der alle weiblichen Mitglieder der CDU angehören.<br />
Richtig ist: DieStaatsbürgerschaft<br />
vermittelt Zugehörigkeit, sie ist<br />
wichtig für die Integration. Denn nur<br />
die Staatsangehörigkeit eröffnet alle<br />
demokratischen Rechte. Mich treibt<br />
die Frage um, was nach wie vor so<br />
viele Menschen daran hindert, die<br />
deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen,<br />
obwohl sie die Voraussetzungen<br />
dafür erfüllen. Aufder anderen<br />
Seite gibt es Menschen, die von<br />
Geburt an deutsche Staatsbürger<br />
sind, sich diesem Land aber nicht<br />
zugehörig fühlen. Diesen Fragen<br />
müssen wir uns stellen. Denn die<br />
Frage der Zugehörigkeit ist komplizierter,als<br />
die Debatte um den Doppelpass,<br />
der die Ausnahme bleiben<br />
muss,glauben macht.<br />
Ritzenhoffs Kreisverband Marburg<br />
allerdings hat bereits frühzeitig erklärt,<br />
die Kandidatur ihres Mitglieds<br />
nicht zu unterstützen. Bei einigen<br />
der weiteren Bewerber sei noch offen,<br />
ob ihr Bewerbungsschreiben<br />
mehr sei als eine augenblickliche<br />
Laune, hieß es in der CDU. Erwartet<br />
wird, dass auf den Regionalkonferenzen<br />
lediglich eine Handvoll Kandidaten<br />
auftritt. Ab kommender Woche<br />
bis kurz vor dem Parteitag Anfang<br />
Dezember sind die Konferenzenangesetzt.<br />
DemKoalitionsvertrag verpflichtet<br />
Eine erneute Blockade der Koalitionsarbeit<br />
in Berlin wollte Merkel im<br />
Vorsitzwechsel ihrer Partei nicht sehen.<br />
Auch international müsse es<br />
wegen eines solchen demokratischen<br />
Prozesses in der CDU „keinerlei<br />
Sorge“ geben. „Ich glaube, dass<br />
das, was wichtig ist, weitergeht“,<br />
sagte Merkel. Die Partei fühle sich<br />
dem Koalitionsvertrag verpflichtet.<br />
Einer, dem in Teilen der CDU zumindest<br />
zugetraut wird, die Koalition<br />
Vertieft das Reden über Integration<br />
die Spaltung der Gesellschaft?<br />
Integration ist per se nicht spalterisch,<br />
im Gegenteil. Aber Populisten<br />
instrumentalisieren das Thema, um<br />
zu spalten. Das dürfen wir nicht zulassen.<br />
Wir sollten selbstbewusst die<br />
Stärken unseres vielfältigen Landes<br />
herausstellen –ohne dabei blauäugig<br />
zu sein. Kulturelle Vielfalt erzeugt<br />
im täglichen Miteinander auch Reibung<br />
und Konflikte.Etwa das Unverständnis,<br />
wenn Eltern ihrem Kind<br />
die Teilnahme an einer Klassenfahrt<br />
versagen. Gerade in diesen Fällen ist<br />
es wichtig, den Dialog zu suchen. Mit<br />
Populismus ist hier niemandem gedient,<br />
am wenigsten den Kindern.<br />
Nach den USA, Ungarn und Australien<br />
zieht sich jetzt auch Österreich<br />
aus dem geplanten Migrationspakt<br />
der Vereinten Nationen zurück, die<br />
AfD fordert die Bundesregierung auf,<br />
dem Beispiel Österreichs zu folgen.<br />
Wasmeinen Sie?<br />
DieBundesregierung hat den Migrationspakt<br />
mit- und deutsche Interessen<br />
hineinverhandelt. Er soll<br />
durch Fluchtursachenbekämpfung<br />
auch dazu beitragen, dass Menschen<br />
sich gar nicht erst auf den Wegmachen<br />
müssen. Migration und Flucht<br />
sind eine globale Herausforderung –<br />
da ist es doch nur logisch, auf internationaler<br />
Bühne nach Lösungen zu<br />
suchen und Empfehlungen auszuarbeiten.<br />
Denn darum geht es: um<br />
Empfehlungen, nicht um Vorgaben.<br />
Es wäre schlicht widersinnig und<br />
verantwortungslos, sich aus Furcht<br />
vorDebatten über Zuwanderung aus<br />
internationalen Verhandlungen zu<br />
stehlen.<br />
DasGespräch führte<br />
Marina Kormbaki.<br />
ISTOCKPHOTO; IMAGO<br />
durch harsche Töne oder inhaltliche<br />
Schwerpunktsetzung ins Wanken zu<br />
bringen, war gar nicht da: Friedrich<br />
Merz gehörtdem Parteivorstand, der<br />
sich in Berlin zur Parteitagsvorbereitung<br />
zurückgezogen hatte, nicht an.<br />
Wie sie als Kanzlerin mit einem Parteivorsitzenden<br />
zusammenarbeiten<br />
würde, der sich mit seinen Vorschlägen<br />
gegen sie stellt, darüber wollte<br />
Merkel lieber nicht sprechen. Spekulationen<br />
seien das,schließlich sei ein<br />
Vorsitzender noch gar nicht gewählt.<br />
Zu ihrem Verhältnis zu Merz ließ<br />
sie so viel aber dann doch wissen. Sie<br />
seien beide politikbegeistertund hätten<br />
„immer Lösungen gefunden“. Sie<br />
habe jedenfalls keinen Zweifel, dass<br />
sie „auch mit Friedrich Merz“zusammenarbeiten<br />
könne –„wenn es sich<br />
ergibt“. Siesei jedenfalls nicht nur bereit,<br />
sondern auch gewillt, die gesamte<br />
Wahlperiode zu regieren. „Eine<br />
Bereitschaft ohne Wille ist mir nicht<br />
bekannt“, sagte Merkel. Mitglieder<br />
des Parteivorstands berichteten, die<br />
Kanzlerin sei so gelöst wie selten zuvor.<br />
Demonstrative<br />
Einigkeit der<br />
SPD-Spitze<br />
Vorverlegung des<br />
Parteitages ist vom Tisch<br />
VonAndreas Niesmann<br />
Ob er das wohl mit Absicht<br />
macht? Da marschiert Andrea<br />
Nahles in das Foyer des Willy-<br />
Brandt-Hauses,eingerahmt vonden<br />
wichtigsten Politikerinnen ihrer Partei<br />
– Manuela Schwesig, Katarina<br />
Barley, Franziska Giffey, Svenja<br />
Schulze, Malu Dreyer –die gemeinsam<br />
strahlen, als hätte die SPD gerade<br />
die absolute Mehrheit gewonnen,<br />
und werpostiertsich hinter der<br />
Chefin und zieht ein Gesicht wie drei<br />
Tage Regenwetter? Genau –immer<br />
dieser Ralf Stegner.<br />
Ansonsten stört nichts die Inszenierung<br />
an diesem Montag im Willy-<br />
Brandt-Haus. Und das will schon<br />
was heißen, denn im Vorfeld der<br />
Klausur von SPD-Präsidium- und<br />
Vorstand hatte es in der Partei an allen<br />
Ecken und Enden gebrannt. Nur<br />
mit Mühe konnten eine Diskussion<br />
um die Zukunft<br />
vonAndrea Nahles<br />
verhindert<br />
werden – und<br />
mit dem trotzigen<br />
Satz der Vorsitzenden<br />
in der<br />
Süddeutschen<br />
AP<br />
SPD-Chefin<br />
Andrea Nahles<br />
<strong>Zeitung</strong>, wer<br />
glaube, esbesser<br />
zu können, solle<br />
sich eben melden.<br />
Natürlich hat sich niemand<br />
Ernstzunehmendes gemeldet.<br />
Das war der erste Erfolg, den die<br />
SPD-Chefin bei der Sitzung der Führungsgremien<br />
für sich verbuchen<br />
konnte.Der zweite war,dass die Diskussion<br />
um eine Vorverlegung des<br />
Parteitages fürs Erste vom Tisch ist.<br />
Unter anderem hatte Juso-Chefin<br />
Kevin Kühnert einen früheren Termin<br />
des Delegiertentreffens gefordert.<br />
Nahles ließ am Montag den<br />
Vorstand darüber abstimmen. Ergebnis:<br />
Nur eine Handvoll Spitzengenossen<br />
war auf Kühnerts Seite,der<br />
Rest unterstützte die Chefin.<br />
Und daesfür die gerade so gut<br />
lief, versuchte Andrea Nahles gleich<br />
noch, einen dritten Punkt zu machen:<br />
Mit der schlechten Laune in<br />
der Partei soll nun Schluss sein. „Wir<br />
haben uns untergehakt und setzen<br />
auf die Kraft des Zusammenhalts“,<br />
diese Botschaft verkündet Nahles in<br />
die Kameras, während hinter ihr zumindest<br />
der Großteil des sozialdemokratischen<br />
Führungspersonals<br />
um die Wette lächelt.<br />
Es ist ein bemerkenswerter Auftritt.<br />
Angesichts der Umfragen, die<br />
die SPD bei 13 bis 14 Prozent sehen,<br />
und auch deshalb,weil Nahles außer<br />
der vermeintlich guten Laune wenig<br />
mitgebracht hat. Nur ein paar dürre<br />
Zeilen hat der Beschluss, den der<br />
Parteivorstand an diesem Tagfasst.<br />
Erstens will die SPD bis Ende des<br />
Jahres einige wichtige inhaltliche<br />
Fragen klären, um Profil zu gewinnen.<br />
Zweites holt Nahles sich jetzt<br />
auch vom Vorstand den Auftrag ab,<br />
mit der Union Gespräche über die<br />
künftige Zusammenarbeit in der Koalition<br />
zu führen. Den gleichen Auftrag<br />
hatte sie in der vergangenenWoche<br />
bereits vom Präsidium bekommen,<br />
und angesichts der personellen<br />
Veränderung in der Union sind<br />
solche Gespräche ja eigentlich die<br />
pureSelbstverständlichkeit.<br />
Präsidiumsmitglied Udo Bullmann,<br />
der bei der Europawahl im<br />
Mai mit Katarina Barley als Spitzenduo<br />
antritt, gibt sich nach der Tagung<br />
erleichtert. „Dass meine Partei<br />
derart leidenschaftlich diskutiert,<br />
zeigt doch nur, dass unsere Leute<br />
noch für etwas brennen“, sagt er der<br />
<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> (Redaktionsnetzwerk<br />
Deutschland). „Bei der Klausurtagung<br />
habe wir das geklärt, weshalb<br />
ich sie als sehr reinigend empfunden<br />
habe“, so Bullmann weiter.<br />
„Jetzt muss gelten: Volle Konzentration<br />
auf die Europawahl und den<br />
Streit mit dem politischen Gegner.“